Elmshorn. Bei der Sturmflut 1962 brachen auch bei Elmshorn die Deiche. Jetzt droht wieder Orkan. Wie sicher ist die Stadt?
Die Zeichen stehen auf Sturm, wenn nicht sogar: Orkan. Seit der Nacht zum Donnerstag gilt in Schleswig-Holstein eine schwere Sturmwarnung mit Orkanböen. Die Frage ist: Wie sicher sind Städte wie Elmshorn oder Wedel heute vor diesen Naturgewalten, 60 Jahre nach der schlimmsten Flutkatastrophe der jüngeren Geschichte?
Sturmwarnung für Schleswig-Holstein: Wie sicher ist Elmshorn?
Immerhin hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) schon am Mittwoch für den Kreis Pinneberg, Hamburg und ganz Norddeutschland vor orkanartigen Böen bis Donnerstag, 18 Uhr, gewarnt. „An den Küsten muss mit voller Orkanstärke gerechnet werden – 120 bis 130 km/h“, sagt etwa Diplom-Meteorologe Dominik Jung von www.wetter.net. Jung geht davon aus, dass der schwere Sturm voraussichtlich bis Sonnabend anhalten werde. „Wälder und Parkanlagen sollte man nicht betreten“, warnt er.
Stürmische Zeiten wie diese kennt Elmshorn zu gut. So kam vor 60 Jahren, am 16. und 17. Februar 1962, mit dem Sturmtief „Vincinette“ das Wasser mit voller Wucht in die Stadt. Die Krückau-stadt, Hamburg und die gesamte Nordseeküste erlebten die Flutkatastrophe, der aktuell gedacht wird. Denn damals starben hunderte Menschen.
Als Reaktion darauf wurde der erste Generalplan Küstenschutz entworfen. Unter anderem wurden auch rund um Elmshorn Deiche angepasst und neue Sperrwerke gebaut. Der Bau des Krückau-Sperrwerks in Seestermühe begann 1965, das Pinnau-Sperrwerk in Haselau wurde 1969 errichtet. Zusätzlich wurde eine neue Deichlinie gezogen.
Sturmwarnung: Hauptaugenmerk liegt auf der Krückau
Heute arbeitet die Stadt Elmshorn in regionalen Kooperationen laufend daran, die Schutzmaßnahmen zu unterhalten und anzupassen. Dabei haben die Verantwortlichen die Gefahr durch die Nordsee ebenso im Blick wie intensive Niederschläge und deren Ableitung.
„Wir können und wollen uns nicht vor jedem Szenario schützen. Den beherrschbaren Risiken begegnen wir mit geeigneten Maßnahmen und auf unbeherrschbare wollen wir bestmöglich vorbereitet sein“, sagt Wasserbauingenieurin Sabine Landt vom Amt für Stadtentwicklung und Umwelt.
Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf der tideabhängigen Krückau, über die das Niederschlagswasser der nahezu gesamten Stadt sowie des 274 Quadratkilometer großen Einzugsgebietes abgeleitet wird. Bei besonderen Wetterlagen wie Starkregen oder Flut muss der Fluss mehr Wasser aufnehmen, als das Flussbett fassen kann. Dann braucht es Ausweichflächen und Deiche oder Schutzwände, um die Stadt und ihre Einwohner vor Überflutungen zu schützen.
Sturmwarnung: Wasserstände wie 1962 „im Bereich des Unmöglichen“
Auf Grundlage vorangegangener Klimaforschungsprojekte wie Klimazug-Nord („Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“) und Karel („Klima-Anpassung des Regenwassernetzes von Elmshorn und Umland“) hat die Stadt ein Hochwasserschutzkonzept ausarbeiten lassen. Hamburger Experten haben ein Szenario durchgespielt, in dem ein Küsten- und Flusshochwasser kombiniert werden. Darin bleibt das Sperrwerk 35 Stunden geschlossen.
„Es wird von einem „maximalen Zufluss der Schöpfwerke sowie einem statistisch alle 100 Jahre auftretendem Abfluss aus dem Einzugsgebiet ausgegangen“, erklärt Landt. Das Ergebnis: Der Wasserstand im Bereich des Hafens würde nahezu zwei Meter unter dem in Elmshorn gemessenen maximalen Pegelwert der Sturmflut 1962 liegen. Durch den Schutz des Sperrwerks, auch unter Berücksichtigung eines technischen Versagens oder Deichbruches an der Elbe, sei das Eintreten derartiger Höhen wie im Februar 1962 statistisch „im Bereich des Unmöglichen“, heißt es weiter.
Nach Auswertung der Daten sehen die Handlungsempfehlungen vor, sensible Bereiche zu schützen und risikoarme Flächen für die Entlastung der Krückau frei zu geben. „Neben vielen kleinen Optimierungen fokussieren wir uns in den nächsten zwei Jahren auf die Realisierung von zwei Projekten im Stadtbereich“, erklärt Landt. So plant die Stadt, die Fläche der Festwiese im Steindammpark als Retentionsfläche umzugestalten. Das bedeutet, dass unter Beibehaltung des charakteristischen Baumbestandes Erde abgetragen und die Wiese tiefergelegt wird, sodass die Stadt bei Starkregen oder Überschwemmung eine zusätzliche Staufläche bekommt.
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Sturmwarnung: Erste dokumentierte Sturmflut in Elmshorn im Jahr 1240
Entgegengesetzt wirkt die Verlängerung der Hochwasserschutzwand, die an der Stöpe – der Öffnung im Deich – beim Aldi-Markt im Einkaufszentrum ansetzt und bis zur Wedenkampbrücke reicht. Diese Maßnahme behebt einen seit Jahrzehnten bekannten Missstand. Denn die Höhenlage des Flamweges ermöglicht über das Ufer tretenden Wassermassen ein Umströmen der Hochwasserschutzlinie, die bisher nördlich der Krückau am Sandberg 15 endet.
Der Krückau verdankt Elmshorn seinen Wohlstand, seit jeher brachte sie mit den Sturmfluten allerdings auch Leid und Verderben in die Stadt. Die erste dokumentierte Sturmflut war im Jahr 1240. „Bei der ‚ersten großen Mandränke’ 1362 sind 200.000 Menschen gestorben“, erklärt Karl Heinz Kuhlemann in seinem Bildband „Sturmfluten in Elmshorn“. Nach zahlreichen Unwettern in Elmshorn wurde nach einer weiteren verheerenden Sturmflut von 1825 von der dänischen Regierung angeordnet, die Deiche mit einem anderen Profil zu versehen und auf 5,65 Meter zu erhöhen. Die Deiche wurden erhöht und verstärkt, so Kuhlemann. „Sie hielten bis zur Flutkatastrophe 1962.“
Bereits am 15. Februar trieb die erste Flut Wasser in Elmshorns Straßen. Mit Böllerschüssen aus einer der Hochwasserkanone wurden die Bewohner gewarnt. Einen Tag später ertönten erneut Schüsse: Um 13.55 Uhr stand das Wasser bereits 1,70 Meter höher als üblich, es floss kaum ab, gegen 21.40 Uhr wurde der Katastrophenalarm ausgelöst. Um 22 Uhr brach der Deich. Am Folgetag, um 1.30 Uhr gingen alle Lichter aus, Strom und Telefon fielen aus und zwei Drittel des Stadtgebiets standen unter Wasser.