Schenefeld. In Schenefeld wurden erstmals Fünf- bis Elfjährige geimpft. Einige Familien nahmen lange Wartezeit in Kauf, nicht alle kamen dran.

Der neun Jahre alte Reyk sitzt mit überkreuzten Beinen auf einer goldfarbenen Rettungsdecke. Auf seinem Schoß liegt ein iPad, mit dem er sich die öde Wartezeit vertreibt. Umfunktioniert zu einem knisternden, etwas ungemütlichen Teppich war die ursprüngliche Funktion der Rettungsdecke bis vor etwa einer halben Stunde noch bitter nötig.

Da haben Reyk und seine Mutter Nina noch draußen auf dem Parkplatz ausgeharrt an diesem nasskalten Dezembermorgen, und mit ihnen Hunderte von anderen Menschen in einer Schlange aus dunklen Wintermänteln und quietschbunten Kinderjacken. Inzwischen sind sie drinnen. Reyk sitzt vor einer Schaufensterscheibe.

Corona Pinneberg: Ansturm auf Kinderimpfung

Stadtzentrum Schenefeld: Zum ersten Mal in Schleswig-Holstein werden Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren gegen das Coronavirus geimpft – ohne Termin. Der Andrang ist riesengroß: Die ersten Familien sind bereits um kurz nach sechs Uhr eingetroffen, bis acht Uhr waren es schon 150 Menschen. Die Kinder erhalten den Impfstoff von Biontech/Pfizer in einer geringen Dosierung. Einem Sprecher des Gesundheitsministeriums zufolge sind die ersten Kinderimpfungen nach den bisherigen Rückmeldungen gut angenommen worden.

Mit ihrer Ankunft um halb zehn ergattern Reyk und seine Mutter noch eine der letzten Nummern und somit einen der letzten Impfplätze. Damit haben sie Glück: Nach 300 Nummern werden die ersten Familien mit leeren Händen nach Hause geschickt. Jetzt sind knapp zweieinhalb Stunden vergangen, und ein Ende der zehrenden Wartezeit ist noch nicht in Sicht.

Zumindest hat sich in der Schlange eine Freundschaft angebahnt: „Die Rettungsdecke hat uns eine Dame hinter uns gegeben“, sagt die 39 Jahre alte Sarah, die mit ihren Söhnen Mathis (8) und Henri (6) zum Impftermin gekommen ist. Nun teilen sie sich die Decke mit dem neunjährigen Reyk und seiner Mutter. Eigentlich müssten die Jungs jetzt in der Schule sein. Aber die Aussicht auf einen Impftermin ist den Müttern an diesem Morgen wichtiger.

Corona-Hoffnung: Bis Weihnachten geimpft

Einig sind sich alle darüber, dass es mit der Impfung so schnell wie möglich gehen sollte. „Das ist die erste einigermaßen sichere Möglichkeit. Wer weiß, ob man ab Donnerstag Termine kriegt. So sind sie vielleicht über die Weihnachtsferien schon durch“, sagt die 44-jährige Nina, die in Waldenau zu Hause ist. Ihre Warteschlangen-Freundin Sarah stimmt ihr zu: „Die Meisten sind bei Kinderärzten auf der Warteliste. Alle wollen ihre Kinder geimpft haben.“

Mit diesem großen Ansturm zurechtzukommen, das ist natürlich eine Herausforderung für die Organisatoren. Stadtzentrum-Marketingleiterin Anne Bahr zufolge sind die Kapazitäten zu 100 Prozent ausgelastet: „Wir hoffen, dass möglichst viele glücklich nach Hause gehen“. Einen reinen Kinderimpftermin wird es am 23. Dezember sowie am 15. Januar wieder hier im Stadtzentrum Schenefeld geben.

An diesem Tag werden die Nummern noch im Zwei-zu-eins-Verhältnis von Erst- zu Boosterimpfung aufgeteilt. „Die knapp 300 Nummern kommen auf jeden Fall dran“, verspricht Bahr. Wodurch wird diese Zahl aber begrenzt? Laut Nikolaus Fechtrup vom mobilen Impfteam, einem der zwei impfenden Ärzte, liegt es keinesfalls an der Menge der Impfdosen: „Das ist zeitlich schwierig. Wir arbeiten hier schon von 9.30 bis 16:30 Uhr ganz ohne Pause. Mehr schaffen wir einfach nicht.“

Abgesehen davon kommen sie aber ganz gut zurecht: „Der Andrang ist natürlich enorm. Aber wir sind hier mit einem eingespielten Team, wir impfen nicht zum ersten Mal“, sagt der 28-Jährige. „Die Kinder machen das gut, die Eltern sind gut informiert. Schade ist nur, dass die Personen so lange warten müssen.“

Bereits seit acht Uhr früh wartet Cornelia Bregede mit ihrem Sohn Linus, (11), darauf, dass ihre Nummer an die Reihe kommt. Vier Stunden sind vergangen, aber beim Kinderarzt dauere es ja länger. „Wir stehen auf der Warteliste, vor Januar wird das aber gar nicht erst anfangen“, sagt die 48-Jährige.

Auch die sechs Jahre alte Zoe soll so schnell wie möglich geimpft werden – auch, um ihr weitere Quarantänen zu ersparen, erzählt ihre Mutter Harm. Wegen eines infizierten Mitschülers musste Zoe nämlich schon mal eine Woche in häusliche Isolation. „Es ist einfach blöd für ein so kleines Mädchen“, sagt die 48-Jährige und streicht ihrer Tochter liebevoll über die Haare. Sie sei aber aus ihrem Bekanntenkreis eine der Ersten, die ihre Tochter impfen will: „Alle, die ich kenne, warten auf die Stiko-Empfehlung.“

Bisweilen empfiehlt die Ständige Impfkommission die Covid-19-Impfung für Kinder von fünf bis elf Jahren nur im Falle von Vorerkrankungen. Bei individuellem Wunsch können jedoch auch Kinder ohne Vorerkrankungen geimpft werden. Seitens der europäischen Arzneimittelbehörde ist die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffes aber seit dem 25. November durch.

Corona-Impfung für Kinder: So geht es weiter

Eine Vielzahl von den Kindern aus Davids Kindergarten ist schon geimpft. Für die Eltern des Fünfjährigen war es definitiv keine Frage, ob sie auch ihren Sohn impfen lassen wollen. „Es ist relativ egal, wie lange es dauert. Hauptsache, das Kind kann nun auch geimpft werden“, bemerkt Vater Simon Uhle. „Man lässt Kinder doch auch gegen andere Krankheiten impfen, die weniger risikoreich sind. Es geht ja auch darum, die Kinder zu schützen, die nicht geimpft werden können.“

Nach vier Stunden hat die lange Wartezeit für die sechsjährige Juna endlich ein Ende gefunden. Zusammen mit ihrer Mutter Isabel sitzt sie nach der Impfung auf einer bequemen roten Couch im Wartezimmer und knabbert genüsslich an einem Kaubonbon aus dem großen, braunen Picknickkorb voller Süßigkeiten und Stifte, den die Organisatoren für die tapferen Kinder bereitgestellt haben. „Es hat sich auf jeden Fall gelohnt“, sagt die 40 Jahre alte Mutter.

Derweilen sitzt Reyk noch immer auf seinem provisorischen goldfarbenen Teppich – etwa zwei Meter weiter nach links gerückt und somit etwa zwei Meter näher dran an dem Kaubonbon, das er nach seiner Impfung bekommt.

Covid-19-Impfung: Erst-, Zweit- und Drittimpfung (einschließlich Kinder ab fünf Jahre) ohne Termin am 14./20./21. 12., am 10./11./12./17./18./24./25./26.1.2022 im Stadtzentrum Schenefeld, jeweils 10–16 Uhr.

Am Mittwoch geht es mit Aktionen für Familien im Citti-Park Flensburg und in Kaltenkirchen im Einkaufszentrum Ohlandpark weiter. Außerdem können Eltern von Donnerstag an Termine für Kinderimpfungen buchen. Eltern dürfen sich ohne Termin ebenfalls impfen lassen, wenn sie ihre Kinder begleiten.

Ein Ministeriumssprecher wies darauf hin, dass wie bei allen offenen Aktionen Wartezeiten einkalkuliert werden müssten und die Menge der Impfungen vor Ort abhängig von den Kapazitäten der Impfteams seien. Gerade für Kinder werde es mit der Terminbuchung ab Donnerstag über impfen-sh.de bequemer.