Elmshorn. 140 Tonnen schwer, 70 Meter lang: Warum Experten die erste Fahrt durch Elmshorn jahrelang planten, wann weitere Touren folgen.
Auf der Schulstraße nachts um halb eins: Mitten durch Elmshorn ist in der Nacht zum Donnerstag ein Mega-Schwertransport mit drei jeweils 58 Meter langen Windkraftflügeln gerollt, begleitet von der Polizei. Ziel: der Windpark in Raa-Besenbek, dessen Windkraftanlagen durch deutlich größere ersetzt werden. Mit Windkraftflügeln im Gepäck durch die größte Stadt im Kreis Pinneberg – das ist Maßarbeit.
An der Ecke Flamweg/Gerberstraße ist die engste Stelle. Mit aller Vorsicht rangieren die Lkw-Fahrer ihren 65 Meter langen und 4,50 Meter breiten Sattelzug ganz dicht an den Häusern vorbei. Einige Anwohner stehen auf den Balkonen und beobachten das nächtliche Spektakel staunend. Das ist Fahrkunst vom Feinsten. Mit ihrer Zugmaschine manövrieren die Fahrer das lange Ungetüm nur wenige Zentimeter an den Hauswänden vorbei. Ampelanlagen und Verkehrsschilder sind zuvor entfernt worden, um Platz zu schaffen.
Mega-Schwertransport: Fahrkunst vom Feinsten
„Das ist jahrelange Erfahrung und räumliches Sehen“, erklärt Thomas Lauschke, einer der drei Kunstfahrer auf dem Kutschbock. Man müsse schon die Distanz von 70 Metern nach hinten gut einschätzen können. „Wie eine Katze, die auch im Dunkeln sehen kann“, sagt der Mann, der für eine Spedition in Holthusen bei Schwerin arbeitet, die europaweit Windkraftanlagen heil und sicher zu den Windparks schafft. Ganz wichtig sei dabei auch die Kommunikation mit dem Kollegen im Begleitfahrzeug direkt dahinter, erklärt Lauschke.
Diese Aufgabe hat Horst Tempelmann von einer ebenfalls damit erfahrenen Firma aus Mönchengladbach. Der gibt von hinten über Funk die Anweisungen an den Truckfahrer, wie weit der Flügel ausschert und wie nah dran er sich an den Hausschluchten vorbeimogelt. „An der hinteren Ecke im Flamweg ist ein Flügel keine 20 Zentimeter an einem Balkon vorbeigeschrammt“, sagt Tempelmann. Unmittelbar danach ist er immer noch etwas aufgekratzt. Stück für Stück ist Lauschke so mit seiner wertvollen Fracht im großen Bogen in die Gerberstraße eingebogen. Ein zehnminütiges Bravourstück. Nicht einmal muss er korrigieren und zurücksetzen. „Das ist Maßarbeit und Gefühl“, sagt er stolz.
Bald schon kommen die nächsten Mega-Schwertransporte
Nächste Woche sind die beiden in den Nächten auf Mittwoch und Donnerstag wieder hier im Einsatz. Der 20 Jahre alte Bürger-Windpark in Raa Besenbek wird erneuert, erklärt Geschäftsführer Hans-Hermann Magens. Zwei der vier Anlagen seien schon da und müssten jetzt aufgebaut werden. Am Donnerstag war es zu windig dafür. So steht jetzt erst ein Turm noch ohne Flügel hier im Westen Elmshorns in der Elbmarsch. 150 Meter hoch werde die Flügelspitze künftig sein, 30 Meter höher als bisher. Auch Magens weiß, wie diffizil der Transport der langen Flügel durch Elmshorn ist. „Länger dürften sie jedenfalls nicht sein“, sagt Kraftfahrer Lauschke. Die nächste Größe wäre 65 Meter. „Die kommt da nicht mehr rum.“
Zuständig für die Routenplanung ist Bodo Herter mit seinem Unternehmen in Tarp bei Flensburg, der sich auf die verkehrslenkenden Maßnahmen dieser Schwertransporte von Windenergieanlagen spezialisiert hat. Die Route müsse ganz genau ausgetüftelt und vorbereitet werden, erklärt er. Über die kleinen Dörfer im Kreis Steinburg könnten die zehn Schwerlasttransporte, die hier allesamt nachts ablaufen, nicht geführt werden. Die Flügel wögen zwar nur zwölf Tonnen. Aber das gesamte Fahrzeug sei fast 140 Tonnen schwer, erklärt Mitarbeiter Andree Dethlefs, der den Konvoi begleitet. Zu schwer für die kleinen Brücken über die Wettern in der Elbmarsch.
Ladung am Vortrag in Dänemark verladen worden
Deshalb kommt für den Transport von der A 23 nur die Route über Hohenfelde, durch Horst und über den Flamweg mitten durch Elmshorn infrage. Eine halbe Stunde vor Mitternacht ist der Schwertransport vom Parkplatz Steinburg aus gestartet. Gegen 2 Uhr nachts ist er am Ziel. Kraftfahrer Lauschke hat die Windflügel in der Nacht zuvor im dänischen Esbjerg abgeholt und mit Polizeieskorte zunächst bis Aalbek an der A 7 gefahren. Von dort sind sie dann gegen 22 Uhr am späten Mittwochabend Richtung Steinburg und Elmshorn gestartet.
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Für die Stadt Elmshorn, die den nächtlichen Transport formal anordnet und den Umbau der Kreuzung Flamweg/Gerberstraße behördlich überwacht, gehe es darum, „den Eingriff so gering wie möglich zu halten“, erklärt Christina Schötzow. Das sei hier mithilfe der Ingenieurbüros, die den Transport schon seit zwei Jahren geplant hätten, gut gelungen, meint die Leiterin des Amtes für Tiefbau und Verkehr der Stadt. „Windkraftanlagen sind ein sehr sinnvoller Transport“, sagt sie. „Wir wollen ja auch die Energiewende unterstützen.“