Quickborn. Reiner Lehberger war ein enger Freund des Paars. Vor seinem Tod verschaffte Schmidt ihm Zugang zum Archiv.

Nur ein Eingeweihter wie Reiner Lehberger konnte die hanseatische Paar-Biografie „Die Schmidts – Ein Jahrhundertpaar“ schreiben. Weil der Professor für Erziehungswissenschaft an der Uni Hamburg über viele Jahre als Freund bei Loki und Helmut Schmidt ein- und ausging, und Helmut Schmidt ihm nach dem Tod seiner Frau 2010 noch Zugang zum Archiv verschaffte, um dort Fotos und Dokumente zu sichten. Er war einverstanden mit der Idee, eine Paarbiografie zu schreiben, die Lehberger ihm 2015 offeriert hatte.

Die gemeinsamen Gespräche seien die Grundlage des Buches, schreibt der Autor. Die Veröffentlichung hat der langjährige Bundeskanzler nicht mehr erlebt. Am Dienstag, 27. Oktober, liest Reiner Lehberger aber nun auf Einladung des Quickborner Kulturvereins daraus. Es wird eine „illustrierte Autorenlesung“, die nun coronabedingt in den Artur-Grenz-Saal verlegt wird.

Leben der Schmidts ist verwoben mit Umwälzungen der Zeit

Mit Sicherheit wird sich diese Lesung nicht nur um die Lebens- und Liebesgeschichte zweier Menschen drehen, sondern einen großen, von Katastrophen, Umwälzungen und Neuanfängen geprägten Zeitabschnitt wieder lebendig machen, in dem sich ältere Besucher der Lesung mehr oder weniger wiederfinden werden. Erst die Nazizeit, dann die Aufbaujahre der jungen Bundesrepublik Deutschland, in denen Helmut Schmidt in der SPD eine so rasante Karriere machen konnte, unterstützt von seiner Frau Loki, die dafür 1971 ihren Beruf als Lehrerin aufgab.

Sagenhafte 81 Jahre kannten sich beide, 68 Jahre waren sie verheiratet, mehr als 40 Jahre ein Paar öffentlichen Interesses. Sie erlebten den Krieg, verloren 1945 ihr erstes Kind, weil es keine Medikamente gab, standen fast mittellos da.

Reiner Lehberger ist Professor für Erziehungswissenschaften, hat das Hamburger Schulmuseum mit begründet und ist pädagogischer Leiter des Bildungsprogramms der Zeit-Stiftung.
Reiner Lehberger ist Professor für Erziehungswissenschaften, hat das Hamburger Schulmuseum mit begründet und ist pädagogischer Leiter des Bildungsprogramms der Zeit-Stiftung. © HA | [...Hoffmann und Campe]

In den 70er-Jahren kam der Terror der RAF über Deutschland, und nach dem Rücktritt Willy Brandts lenkte Helmut Schmidt acht Jahre lang als Bundeskanzler die Geschicke des Landes – mit Loki als Partnerin auf Augenhöhe. Daneben hat sie intensiv Naturforschung betrieben und eine Naturschutz-Stiftung gegründet, die regelmäßig Preise vergab.

Schon ganz früh fing es an mit den Schmidts. Als Helmut zehn Jahre alt wurde, war Loki als einziges Mädchen zur Geburtstagsfeier eingeladen. Kräftig, sportlich und selbstbewusst wirkt sie auf einem Foto in einer Reihe mit lauter Jungs. Sie hatte ja auch den Spitznamen „Schmeling“. Dieses aufrechte Mädchen hatte es Helmut angetan.

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Erst recht, als er ihr die Baskenmütze hinterhertrug und erschrocken sah, in was für ärmlichen Verhältnissen sie lebte. Sie kam aus einem Arbeiterhaushalt, ihre Familie lebte zu sechst auf knapp 30 Quadratmetern in einem lichtlosen Loch.

Helmut und Loki Schmidt küssten sich zum ersten Mal im Stadtpark

Das muss ihn nachhaltig geprägt haben, denn als Politiker lag ihm der soziale Wohnungsbau später besonders am Herzen. Sie wurden gute Kameraden. Nicht mehr, wie Helmut sich ersehnt hatte, denn er hat sie schon damals „heiß und innig geliebt“, schreibt Lehberger.

Loki aber wollte lieber mit Gerd Percy gehen, mit dem sie gemeinsam musizierte. 1935 war Schluss, Helmut und sie tauschten im Stadtpark den ersten Kuss. Es dauerte aber noch, bis sie wirklich zusammenkamen. Mitten im Krieg heirateten sie, und es begann jene Ehe, von der Lehberger schreibt, es würde kaum jemandem in der Bundesrepublik ein ähnlich populäres Paar einfallen.

Aber er hütet sich davor, nur Friede-Freude-Eierkuchen zu verbreiten, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Brüche habe es gegeben, seine Affären hätten sie schwer getroffen. Die Schmidts seien ein Beispiel dafür, dass tiefe Krisen eine Beziehung langfristig stärken könnten.

Lesung Di, 27. Oktober, 19.30 Uhr Artur-Grenz-Saal, Am Freibad 7, Quickborn, Eintritt zehn Euro, Karten nur erhältlich in der Buchhandlung Theophil, Am Schwimmbad 4 a