Tornesch-Esingen. IG-Südtangente besteht seit fast 40 Jahren. Straßenprojekt liegt erst mal auf Eis. Die beiden Kläger kommen gar nicht aus der Stadt.

Seit beinahe 40 Jahren verhindern sie den Bau der Kreisstraße 22, haben den Kreis Pinneberg und das Land Schleswig-Holstein vor Gericht dazu gezwungen, den Straßenausbau neu zu planen. Aktuell liegt der K-22-Ausbau vor Gericht erneut auf Eis, weil die Interessengemeinschaft Südtangente aus Tornesch-Esingen dem Kreis Pinneberg gravierende Fehler in seiner Planung nachweisen konnte, so dass dieser erneut umplanen muss.

Dabei werden die Macher hinter dem Widerstand gegen dieses Verkehrsprojekt nicht müde, weiterzukämpfen. „Wir haben schon sehr viel erreicht. So weit waren wir noch nie“, sagt sich Michael Krüger von der IG Südtangente, die im kommenden Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. „Ich habe mein halbes Leben diesem Kampf gegen die K 22 gewidmet“, sagt Jürgen Körner, der zweite IG-Sprecher, der bald 81 Jahre alt wird.

Dabei leben die beiden Kläger, die jetzt vor dem Verwaltungsgericht Schleswig durchgesetzt haben, dass Land und Kreis den Planfeststellungsbeschluss für die K 22 wohl ein drittes Mal überarbeiten müssen – die Kreisverwaltung geht deshalb von fünf Jahren Verzögerung aus – gar nicht in Tornesch. Jürgen Mölln (72), dem der Mölln-Hof mit seinem historischen Museum in Esingen gehört, ist schon vor 45 Jahren nach Plön umgezogen. Der andere Kläger, Norbert Meyer (52), hat noch niemals in Tornesch gewohnt, sondern lebt bei Stade. Er hat von seinen Eltern aber Haus und Hof geerbt.

Beide Kläger haben ihre Immobilien vermietet

Beiden gehört jeweils ein 1,5 Hektar großes Stück Land, ohne das die K 22 in ihrer jetzigen Planung nicht realisiert werden kann. Der Mölln-Hof liegt direkt vor der geplanten Tunneleinfahrt zur Bahnunterführung. Meyers Grundstück befindet sich auf der anderen Seite der Esinger Straße am Wischmöhlenweg. Beide haben ihre Immobilien vermietet.

„Wir kämpfen für unsere Mieter und die Menschen in Esingen“, erklärt Mölln seine Motivation in diesem aufreibenden, jahrzehntelangen Widerstand, der die Kläger und ihre 80 Unterstützer der IG Südtangente bislang rund 50.000 Euro gekostet habe – für Gutachten, Anwälte, Gerichtskosten, Auslagen.

Die Stimmung in der Bevölkerung wähnen sie eher auf ihrer Seite. Wenn sie einmal im Jahr zum Grünkohlessen einladen, um den Bürgern den neuesten Stand in diesem Prozess vorzutragen, kämen immer mindestens 80 Leute, sagt IG-Sprecher Krüger. 800 Nutzer schauten sich jeden Monat ihre Internetseite an. Allein im Juni 2019 nach der Beantragung des Kreises, das Verfahren auszusetzen, seien es 1600 Interessierte gewesen, die 16.000 Seiten ihrer Gutachten, Erklärungen, Infos und Fotos angeklickt hätten (siehe www.unser-esingen.de).

Weil der 2018 erteilte Planfeststellungsbeschluss gravierende Fehler aufweise, haben Kreis und Land – wie berichtet – auf Anraten ihres Anwalts beim Verwaltungsgericht beantragt, das Klageverfahren auszusetzen. Das werten die K-22-Gegner als weiteren Erfolg ihrer schier unendlichen Geschichte. Schon einmal, im Jahr 2002, ist es ihnen vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig gelungen, die K-22-Pläne des Kreises zu Fall zu bringen. Nun soll der Kreis die Planunterlagen nicht lange genug öffentlich ausgelegt und erhebliche Fehler bei seinem Verkehrsgutachten begangen haben. So gebe es drei verschiedene Verkehrszählungen, die von 14.500 bis 19.500 Fahrzeugen innerhalb von 24 Stunden im Tornescher Ortszentrum ausgingen.

IG legt Wert darauf, eine Alternative zu haben

Das würde wieder mindestens fünf Jahre keinen Ausbau der K 22 bedeuten. Aber am liebsten wäre es der IG, das Gericht ginge nicht darauf ein, sondern entschiede in ihrem Sinne gegen den jetzt geplanten Bau. Denn sogar der Kreis gehe zurzeit davon aus, dass er nach derzeitigem Stand das Klageverfahren verlieren würde, zitiert Krüger eine offizielle Mitteilung an die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Kreistages von Anfang Juni. „Das muss man sich doch mal auf der Zunge zergehen lassen“, wundert sich Krüger, „Da plant der Kreis seit 40 Jahren, und dann das. Das ist doch an Peinlichkeit nicht zu überbieten.“

Die IG legt Wert darauf, dass sie schon längst, vor Jahren, einen Ausweg aus diesem Dilemma aufgezeigt habe. Es gebe eine alternative Trassenführung, die tatsächlich rund die Hälfte des derzeitigen Autoverkehrs aus Torneschs Zentrum ableiten würde. Die Kreis-Trasse schaffe dies gutachterlich belegt nur zu 15 bis 16 Prozent. Aber der IG liegt ein eigenes Gutachten des Büros Regio Consult aus Marburg vor, das genau dies so berechnet habe: Diese Trasse würde vom Tornescher Weg (K 20) in Höhe des Bierbahnhofs in Uetersen abzweigen, östlich des Ohrtbrookgrabens verlaufen und in Höhe des Hundeplatzes den Wischmöhlenweg kreuzen und von dort südlich an der Wohnbebauung von Esingen kurz vor dem Bahnübergang Prisdorf auf die Pinneberger Straße treffen. Drei Kilometer lang wäre diese Alternative, die auch wie die Kreisplanung von einem Tunnelbau unter der Bahnstrecke ausgehe, aber am jetzigen Bahnübergang. Die Kosten wären in diesem Fall etwa drei Millionen Euro höher als jene 40 Millionen Euro, von denen der Kreis heute ausgeht.

Widerständlern schwebt ein Stadtpark in Esingen vor

„Aber das würde endlich die erhoffte Entlastung für das Ortszentrum von Tornesch bringen“, sind die IG-Vertreter überzeugt. Aber die Kreisplaner hätten diese Alternative nie ernsthaft untersucht, was ihnen vor Gericht negativ ausgelegt werde.

Zudem hätte diese Variante den Charme, dass die freie Fläche am Mölln-Hof zu einem echten Stadtpark für Tornesch-Esingen umgestaltet werden könnte statt unter Asphalt zu verschwinden. Schon vor zehn Jahren hatte der Kläger der Stadt angeboten, dafür 7500 Quadratmeter Land zur Verfügung zu stellen. Statt sich darauf einzulassen, sei er beschimpft worden, er würde die Stadt erpressen wollen. Inzwischen aber seien viele Neubürger nach Tornesch gezogen, die das möglicherweise ganz anders sehen.

Weitere Infos: Die geplante Trasse

Der Ausbau der K 22, wie ihn der Kreis Pinneberg plant, beginnt in Uetersen bei der Gleisanlage Stora Enso und führt über eine neue Brücke mit südlicher Trassenverschwenkung über den Ohrtbrookgraben sowie begradigtem Trassenverlauf im Bereich Wischmöhlenweg/In de Hörn/Bi de Möhl in Tornesch zur 2001 ausgebauten Einmündung der L 107/In de Hörn/Wischmöhlenweg. Im Bereich der Trassenverschwenkung wird der Geh- und Radweg separat über den alten Wischmöhlenweg geführt. Anschließend erfolgt ein Vollausbau der Kreuzung K 22/L 107 (Esinger Straße Ostseite) mit Ampel und Unterführung der Bahngleise mit Anschluss des im Jahr 2004 ausgebauten Großen Moorweges bis zum Kreisel an der Ahrenloher Straße (L 110). bf