Pinneberg. Am zweiten Prozesstag gegen Kripomann Holger S. vor dem Amtsgericht Pinneberg sagen mehrere Vorgesetzte aus. Die Details zum Fall.

Das Who’s who der Pinneberger Kriminalpolizei wartete am Montagmorgen auf dem Flur des Amtsgerichtes der Kreisstadt. Zwei langjährige Kripochefs, gleich mehrere Sachgebietsleiter sowie hochrangige Ermittlungsbeamte waren als Zeugen in Saal 1 geladen. Denn auf der Anklagebank saß einer von Ihnen: Holger S., bis 2014 für die Spurensicherung zuständig. Dann wurden bei ihm 2291 Dateien mit kinder- und jugendpornografischem Inhalt entdeckt, die sich der 57-Jährige laut Anklage über Dienstrechner verschafft hatte.

Zum Prozessbeginn Ende Februar hatte der Angeklagte geschwiegen. Am Montag tat er sich mit Fragen an seine Kollegen und Vorgesetzten hervor, die auf der Zeugenbank Platz nahmen. Zu den Vorwürfen schwieg er weiter. Acht der zwölf geladenen Zeugen schickte Richter Waege zu Beginn des Fortsetzungstermins wieder nach Hause. So hatte Verteidiger Rolf Huschbeck gerügt, nicht alle Namen der geladenen Zeugen im Vorfeld erhalten zu haben. Auf diese Weise habe er sich nicht ausreichend auf die Vernehmungen vorbereiten können.

Mädchen hatte sich von Kripobeamten sexuell belästigt gefühlt

Ingo Minnerop, Ex-Kripo-Chef, sagt: „Da freut sich kein Dienststellenleiter, wenn einer seiner Mitarbeiter zu Hause Kinderpornografie auf dem Rechner hat.“
Ingo Minnerop, Ex-Kripo-Chef, sagt: „Da freut sich kein Dienststellenleiter, wenn einer seiner Mitarbeiter zu Hause Kinderpornografie auf dem Rechner hat.“ © Arne Kolarczyk | HA

Einer, der vernommen werden konnte, war Ingo Minnerop. Er war von 2010 bis 2014 Kripochef in Pinneberg und im Anschluss weitere vier Jahre der Leiter der übergeordneten Kriminalinspektion Bad Segeberg und in dieser Zeit Disziplinarvorgesetzter des Angeklagten. Der 53-Jährige erläuterte auf Nachfrage, dass im August 2014 eine Anfrage des Wendepunkts Elmshorn bei der Kripo einging. Ein junges Mädchen hatte sich an die Einrichtung gewandt, weil es sich von einem – damals namentlich noch nicht genannten – Kripobeamten sexuell belästigt fühlte. „Für uns war das der Anlass, genauer hinzugucken“, so Minnerop. Er habe dann entschieden, mit Ermittlungen nicht die eventuell befangenen Kollegen des Angeklagten, sondern die Bezirkskriminalinspektion in Itzehoe zu beauftragen. „Da freut sich kein Dienststellenleiter, wenn einer seiner Mitarbeiter zu Hause Kinderpornografie auf dem Rechner hat, die Landespolizei schon gar nicht.“

Laut dem 53-Jährigen war Holger S. eigentlich für die Schutzpolizei im Bezirksrevier tätig. Dort habe es jedoch Probleme gegeben, „sodass wir eine neue Verwendung für ihn gesucht haben“. Die fand sich im Sachgebiet III, das für Spurensicherung und Lageauswertung zuständig war. Dort gab der Beamte zunächst vorhandene Anzeigen in das Computersystem ein. Als diese Aufgabe nach einer Softwareaktualisierung wegfiel, besuchte Holger S. einen Lehrgang für Spurensicherung. Minnerop: „Mit Kinderpornografie war er nie befasst.“

Delikte der Kinderpornografie werden von speziell ausgebildeten Ermittlern bearbeitet

Das bestätigt auch Jörg E. (65), bis zu seiner Pensionierung 2013 Leiter des Sachgebiets III. 40 bis 50 Prozent seiner Tätigkeit habe Holger S. an Tatorten verbracht, wovon 90 Prozent Einbruchsdelikte gewesen seien. „Ich hatte damals drei Spurensicherer und Holger als Aushilfe.“ Zum Teil sei der auch für die erkennungsdienstliche Behandlung von Straftätern zuständig gewesen. Delikte der Kinderpornografie seien dagegen von zwei bis drei speziell dafür ausgebildeten Ermittlern im Sachgebiet I bearbeitet worden. Jörg E.: „Ich wüsste selbst nicht, wie ich an dieses Material rankommen sollte.“

Wie der Angeklagte das geschafft haben kann, konnte auch Dirk H. nicht aufklären. Der 55-Jährige arbeitete lange mit Holger S. bei der Spurensicherung zusammen, war davor jedoch im Sachgebiet I für Kinderpornografie zuständig. „Die Datenträger, auf denen sich diese Dateien befinden, werden nach Dienstschluss weggeschlossen“, so Dirk H. Derartige Inhalte würden keinesfalls auf den Auswerterechnern gespeichert. Diese nicht ans Netzwerk und Internet angeschlossenen Rechner, die mit spezieller Software zur Öffnung von Dateien aller Art ausgestattet sind, seien jedoch im Prinzip für alle Kollegen zugänglich. „Die sind mit einem allgemeinen Passwort geschützt, das jeder Kollege kennt.“

Das Verfahren wird am 23. April fortgesetzt

Am Nachmittag befragte das Gericht einen Computerspezialisten der Bezirkskriminalinspektion Itzehoe, der die bei dem Angeklagten sichergestellten Datenträger ausgewertet hat. Dabei wurde einmal mehr die Strategie der Verteidigung deutlich. Anwalt Huschbeck hält die sichergestellten kinder- und jugendpornografischen Inhalte für einen Zufallsfund und daher rechtlich nicht verwertbar, weil bei der Hausdurchsuchung eigentlich nach Beweisen für die sexuelle Belästigung des Mädchens durch Holger S. gesucht wurde. In diesem Komplex kam es bisher nicht zur Anklage. Das Verfahren wird am 23. April mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.

Die mögliche Strafe:

Laut Paragraf 184 b des Strafgesetzbuchs wird der Besitz von Kinderpornografie „mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft“. Dies gilt allerdings nicht für Handlungen, die staatliche Aufgaben oder dienstliche sowie berufliche Pflichten betreffen. Das Gericht hat also zunächst zu klären, ob der Angeklagte im Rahmen seiner Berufsausübung an die Daten gelangte. Im Fall einer Verurteilung zu mehr als einem Jahr Haft könnte der Angeklagte aus dem Polizeidienst entfernt werden. Ein Disziplinarermittler verfolgt den Prozess.