Pinneberg. Dem Kripo-Beamten wird vorgeworfen, mit Dienstrechner kinderpornografische Daten aus Verfahren kopiert und in seinen Besitz gebracht zu haben.

Bei der Kripo in Pinneberg war Holger S. für Spurensicherung zuständig. Spuren hinterließ er auch im Computersystem der Polizei. Spuren, die den 57-Jährigen am Mittwoch auf die Anklagebank des Amtsgerichts Pinneberg brachten. Er soll laut Anklage seinen Dienstrechner dazu genutzt haben, um die kinder- und jugendpornografischen Dateien zu kopieren und in seinen Besitz zu bringen.

Fast 35 Minuten benötigt Staatsanwalt Andreas Neubauer, um die Anklageschrift vorzulesen. 2077 Filme und Fotos mit kinderpornografischem Inhalt entdeckten die Ermittler Ende September 2014, als sie das Haus des Kollegen in einer größeren Stadt des Kreises durchsuchten. Hinzu kamen 214 Dateien, die von den Auswertern als Jugendpornografie eingestuft wurden.

13 Vorgänge listet die Anklageschrift auf, bei denen sich der 57-Jährige in den Besitz der Daten gebracht haben soll. Er habe dazu ein Notebook, mehrere Festplatten sowie einen USB-Stick genutzt. Die Daten stammen laut Anklage aus dem Kripo-Sachgebiet, das mit derartigen Fällen befasst ist. Einen Auftrag dazu, so steht es in der verlesenen Anklageschrift, hatte Holger S. nicht.

Was die Fotos und Videos zeigen, verliest der Staatsanwalt auch. Nicht für alle Dateien, dafür hätte die Zeit nicht gereicht. Beispielhaft sind in der Anklageschrift Inhaltsangaben zu finden, die Neubauer mit monotoner Stimme zum Besten gibt. Bei den Personen, die zu sehen sind, handelt es sich in der Regel um kleine Mädchen, dem Aussehen nach acht, neun oder auch zehn Jahre alt. Die Männer, die dort vorkommen, sind erwachsen. Von ihnen ist demnach zumeist nur das Geschlechtsteil zu sehen – und die Praktiken, derer sie ihre unschuldigen Opfer unterziehen. In einigen Fällen enthält die Anklageschrift auch Daten, wann sich der Angeklagte die Dateien zuletzt angesehen haben soll.

Verteidiger hält Durchsuchung für unrechtmäßig

Die Inhaltsangaben – sie sind harter Tobak. Der Angeklagte hört regungslos zu. Als Richter Waege ihn nach Anklageverlesung fragt, ob er sich zu den Vorwürfen äußern will, bleibt der 57-Jährige stumm. Mit einer Ausnahme: Seinen Familienstand gibt er als verlobt an. „Mein Mandant wird sich zunächst schweigend verteidigen“, übernimmt dann Verteidiger Rolf Huschbeck das Reden – und offenbart wenig später seine Verteidigungsstrategie.

Er halte die Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten für unrechtmäßig, und damit seien die aufgefundenen Beweismittel für das Verfahren auch nicht verwertbar. Für den Fall, dass das Gericht das anders sieht, regt der Verteidiger zudem eine Prüfung an, ob bei dem Angeklagten eine „dienstrechtliche Verflechtung“ vorliege und er sich „rechtmäßig in Erfüllung seiner Aufgaben“ im Besitz des Materials befunden habe.

Richter Waege indes hat die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung bereits im Vorfeld geprüft – und sieht diese als gegeben an. Er zitiert aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts
Itzehoe, in dem vom Verdacht des Kindesmissbrauchs und dem Missbrauch hoheitlicher Aufgaben die Rede ist.

Dem zugrunde liegt, auch das trägt der Richter aus einer separaten Ermittlungsakte vor, die Strafanzeige eines Mädchens. Dieses soll Holger S. mehrmals nach Dienstschluss in das Gebäude der Pinneberger Kripo an der Elmshorner Straße eingeladen und in dem Raum, der für die erkennungsdienstliche Behandlung von Straftätern reserviert ist, mit der dienstlichen und einer privaten Kamera Fotos von ihr gemacht haben. Bilder, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen, jedoch auf eine sexuelle Komponente schließen ließen.

Ein anderes Mal soll Holger S. das Mädchen unter dem Vorwand, ihr etwas über die Sicherung von Faserspuren erklären zu wollen, aufgefordert haben, sich zu entkleiden. Sie habe jedoch den Slip anbehalten, weil ihr das komisch vorkam, so sagte es das Mädchen in dem Vernehmungsprotokoll aus, das der Richter in Auszügen verliest. Auch von zumindest einer – scheinbar zufälligen – Berührung der Brust des Mädchens durch den Angeklagten sowie von Küssen auf die Wange ist die Rede.

Zu einer Anklage kam es in diesem Tatbereich nicht. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vornahme sexueller Handlungen an Kindern wurde laut Auskunft von Peter Müller-Rakow, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe, vorläufig eingestellt im Hinblick auf die zu erwartende Strafe aus der jetzt vor Gericht begonnenen Sache.

Verteidiger Huschbeck stellte den Antrag, in diese separate Ermittlungsakte Einsicht nehmen zu dürfen. Das wurde ihm bis zum Fortsetzungstermin auch gewährt. Dann will Richter Waege angesichts des Schweigens des Angeklagten auch damit beginnen, Zeugen zu den Vorwürfen zu hören.

Anklage erst drei Jahre nach der Hausdurchsuchung

Es handelt sich unter anderem um einen Ermittlungsbeamten, der die Festplatten des Kollegen durchsucht und die vorgefundenen Dateien ausgewertet hat. Außerdem regte Staatsanwalt Neubauer an, einen Gutachter des Landeskriminalamtes zu hören, der die Zugriffe des Angeklagten auf die Dateien erläutern soll. In Rede steht auch, den direkten Dienstvorgesetzten des Angeklagten zu laden – ebenso wie Ingo Minnerop, der 2014 die Pinneberger Kripo-Dienststelle leitete und jetzt im Kieler Innenministerium arbeitet.

Nicht zur Sprache kam während des Termins, warum die Anklage gegen Holger S. erst dreieinhalb Jahre nach der Hausdurchsuchung erfolgte. Auch blieb unklar, ob er noch für die Kripo tätig oder suspendiert ist. Ein Disziplinarermittler des Innenministeriums verfolgte die Verhandlung. Das Gericht kann eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Haft verhängen. Bei einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr könnte der 57-Jährige aus dem Polizeidienst entfernt werden.