Halstenbek/Berlin. Andre M. soll für eine bundesweite Serie Droh-Mails verantwortlich sein. Zudem soll er sich über den Bau einer Bombe informiert haben.
Andre M. sitzt wieder in Haft. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat am Wochenende einen Haftbefehl gegen den 30-Jährigen, der als Feuerteufel und Apfelfestbomber von Rellingen bekannt geworden ist, vollstrecken lassen. Er soll für eine Serie von mehr als 200 Drohschreiben mit rechtsextremistischen Inhalten verantwortlich sein und ganz Deutschland mit Bombendrohungen überzogen haben. Aufgrund der bundesweiten Dimension wird von der Hauptstadt aus ermittelt.
Am Donnerstagnachmittag hatten Spezialkräfte die Wohnung in Halstenbek, in der Andre M. bei seinen Eltern lebt, durchsucht und Computer, Handys und Unterlagen beschlagnahmt. Ein Haftbefehl war zunächst nicht beantragt worden, mangels dringendem Tatverdacht. Der 30-Jährige, der psychisch labil wirkte, kam zunächst nur in eine psychiatrische Einrichtung. Dort wurde er nun nach Erlass des Haftbefehls festgenommen und soll in den nächsten Tagen nach Berlin überstellt werden.
Drohmails waren adressiert an Gerichte und öffentliche Einrichtungen
Dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ihre Meinung geändert hat und nun doch einen dringenden Tatverdacht bejaht, liegt an der Auswertung des bei der Durchsuchung gefundenen schriftlichen Materials. Offenbar wurden Hinweise entdeckt, dass sich Andre M. über den Bau einer Bombe informiert hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun „die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor“.
Die Drohmails waren adressiert an Gerichte und öffentliche Einrichtungen, aber auch an Politiker, Anwälte und den Zentralrat der Juden. Unterzeichnet waren die bundesweiten versendeten Mails mit „Nationalsozialistische Offensive“, „Wehrmacht“ oder „RAF“. Die Polizei ließ mehrfach aus Sicherheitsgründen Gebäude evakuieren – etwa den Lübecker Hauptbahnhof, die Landgerichte in Itzehoe und Kiel oder die Rathäuser in Rendsburg und Flensburg. Die Gebäude wurden mit Sprengstoffspürhunden abgesucht. Gefunden wurde nichts.
Andre M. war schon früh verhaltensauffällig geworden. In seiner Grundzeitschulzeit in Rellingen wurde bei ihm ein angeblicher Herzfehler diagnostiziert. Andre M. konnte keinen Sport mehr machen, wurde von den Mitschülern gehänselt. Er zog sich zurück, brach später die Hauptschule ab – und geriet an die falschen Freunde. Bereits 2006 und 2007 stand der Rellinger vor dem Amtsgericht Pinneberg – unter anderem wegen Bedrohung, Körperverletzung und Androhung erheblicher Gewalttaten. Im September 2007 verhaftete ihn dann ein Sondereinsatzkommando.
Zur Probe hat er einen Zigarettenautomaten in die Luft gesprengt
Er soll gemeinsam mit einem Freund einen Bombenanschlag auf das Apfelfest des Ortes geplant und als Probe in Ellerbek einen Zigarettenautomaten in die Luft gesprengt haben. Für die Sprengung, für dutzende Sachbeschädigungen und Brandstiftungen wurde Andre M. 2008 zu dreieinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Vom Hauptanklagevorwurf – dem Anschlag auf das Fest – sprachen ihn die Richter frei. Sie hatten Zweifel, ob tatsächlich ein konkreter Tatentschluss vorlag.
Schon damals wurde dem Rellinger von Zeugen eine Nähe zum Rechtsextremismus attestiert. Auch kam im Verfahren zur Sprache, dass er im Internet Pläne zum Bau von Bomben veröffentlicht und zu Anschlägen aufgerufen hatte. Weil ein Gutachter ihm eine „abartige Persönlichkeitsstruktur“ attestierte, kam der damals 20-Jährige in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung. Dort blieb er bis Ende 2013. Nach seiner Entlassung zog Andre M. wieder zu seinen Eltern nach Rellingen. Wenig später begann in der Gemeinde eine Serie von Autobränden und Sachbeschädigungen.
Zu den Brandstiftungen bekannte sich im Internet eine Person namens „Felix Steiner“. Steiner war SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS. Im September 2014 ertappten Polizisten, die Andre M. wochenlang beschattet hatten, ihn beim Anzünden eines Pkw. Nach zwei Gerichtsverfahren, die jeweils in die Berufung gingen, stand am 10. Mai 2017 die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und elf Monaten Haft. Ein Großteil der Brandstiftungen hatte die Anklagebehörde dem Rellinger nicht nachweisen können. Auch die Frage, ob die unter dem Nazi-Pseudonym verfassten Bekennerschreiben von ihm oder einem Trittbrettfahrer stammten, blieb offen.
Gutachtet attestierte eine schwere Persönlichkeitsstörung
In dem Verfahren attestierte ihm ein Gutachter eine schwere Persönlichkeitsstörung – und bezeichnete ihn als „nicht therapierbar“. Weil Andre M. zielgerichtet und geplant gehandelt habe, sei seine Schuldfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen. Daher kam der heute 30-jährige ins Gefängnis und nicht wieder in die Psychiatrie. Die zwei Jahre und elf Monate saß er voll ab. Ein Teil der Jugendstrafe von 2008, die nicht durch den Aufenthalt in der Psychiatrie als verbüßt galt, schloss sich an. Im Herbst 2018 kam Andre M. frei und lebte wieder bei seinen Eltern, die nach Halstenbek umgezogen waren.
Neuer Prozess gegen Andre M. möglicherweise in Berlin
In der Haft war er stark abgemagert. Aus Angst vor dem Erbrechen soll er kaum Nahrung zu sich genommen haben. Weil er Angst vorm Autofahren hat, nahm er am bisher letzten Gerichtsverfahren nur unregelmäßig teil. Sollte es aufgrund der neuen Vorwürfe zu einem weiteren Prozess kommen, würde der möglicherweise in Berlin stattfinden. Zuvor muss die Generalstaatsanwaltschaft beweisen, dass der 30-Jährige tatsächlich Verfasser der Drohmails ist. Laut Paragraf 91 Strafgesetzbuch wird die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet.