Elmshorn . Jedes fünfte Kind wird morgens mit dem Auto zur Schule gebracht. Expertin: Kinder aus Eltern-Taxis haben sogar Defizite beim Malen.

Das Auto stoppt, die Beifahrertür geht auf und ein Kind steigt aus dem Auto, läuft im Halbdunkeln die letzten Meter zum Eingang der Schule. Die Szene wiederholt sich. Immer wieder und wieder. Viele Eltern kutschieren ihre Sprösslinge vor die Grundschule Hainholz in Elmshorn – und halten dafür im absoluten Halteverbot, blockieren einen Verkehrskreisel, der eigentlich für Schulbusse zum Wenden gedacht ist.

Eine Mutter, die nicht namentlich genannt werden möchte, ist sich keiner Schuld bewusst: „Ich stehe hier, wenn es hoch kommt, ein paar Sekunden, das tut doch niemandem weh“, sagt sie und fügt hinzu: „Ist ja nicht meine Schuld, wenn es hier keine Parkplätze oder Haltemöglichkeiten gibt.“

„Halteverbot ist Halteverbot“

Für die Polizei sind derlei Argumente irrelevant. „Halteverbot ist Halteverbot“, stellt Carsten Wegner klar. Der Elmshorner Polizeikommissar ist als Präventionslehrer tagtäglich an den Schulen. Er kennt die Ausreden der Eltern. „Es heißt immer, dass ja nicht geparkt werde“, sagt Wegner.

Doch im Unterschied zum eingeschränkten Halteverbot, bei dem ein einziger roter Strich diagonal übers runde, rot gerahmte und ansonsten blaue Schild geht, ist beim absoluten Halteverbot mit zwei sich kreuzenden Strichen auch verboten, die Kinder „nur mal kurz aus dem Auto zu lassen“. Das kann bis zu 30 Euro kosten, je nachdem, wo es passiert und ob ein Autofahrer dadurch den Verkehr behindert.

Polizei will Verstöße im Kreis konsequent ahnden

In Elmshorn verhängt die Polizei zurzeit häufig Verwarngeld. Nachdem es vermehrt zu Beschwerden gekommen ist, konzentrieren sich die Beamten des Polizeireviers Elmshorn nun verstärkt auf die sogenannten Eltern-Taxis. Unter anderem bei einer Kontrolle an der Grundschule Hainholz haben sie innerhalb von nur 15 Minuten elf Verstöße festgestellt. Die Polizei will nun im Rahmen der Schulwegsicherung weiterhin regelmäßig derartige Kontrollen durchführen und Verstöße konsequent ahnden. Und das nicht nur in Elmshorn, sondern im gesamten Kreis Pinneberg.

Das scheint auch nötig. Denn Meldungen über Verkehrschaos rund um Schulen gibt es aus dem ganzen Kreisgebiet. Sabine Knier, Schulleiterin der Grundschule Hainholz, weiß um das Problem, dass es rund um ihre Einrichtung an Möglichkeiten fehlt, kurz mit dem Auto zu halten. Aber: „Es ist auch unnötig, die Kinder bis drei Meter vor die Schule zu fahren“, sagt die Rektorin.

Jedes Eltern-Taxi sei ein Auto mehr, das die Sicherheit der zu Fuß kommenden Kinder gefährde. Rund um die Schule komme es durch die vielen Chauffeursdienste zu teils unübersichtlichen Verkehrssituationen. Dabei sei das gar nicht nötig. Eltern sollten ihren Kindern den Schulweg ruhig zutrauen. Im Einzugsgebiet ihrer Schule hätten alle Kinder eine Strecke von unter zwei Kilometern. Knier: „Das ist zu schaffen.“

Der Meinung ist auch die Bewegungsexpertin des Kinderhilfswerk, Claudia Neumann. Sie wirbt dafür, die Kinder selbstständig zur Schule laufen zu lassen. „Neben Bewegung und Umweltschutz geht es vor allem auch um mehr Eigenständigkeit“, sagt sie. Eine Selbstverständlichkeit sei der eigene Weg zur Schule schon lange nicht mehr. „Nach jüngsten Umfragen fahren 20 Prozent der Eltern ihre Kinder zur Schule oder zur Kita“, sagt Neumann. Das seien rund doppelt so viele wie noch vor wenigen Jahren. Oft herrsche bei Müttern und Vätern eine Mischung aus Sorge vor Verkehrsunfällen, Übergriffen auf ihre Kinder und auch Bequemlichkeit vor. Viele Ängste seien jedoch unbegründet – und im Ergebnis sei der Fahrdienst wenig hilfreich.

Fahrdienst ist Teufelskreis

Für Neumann ist der Fahrdienst von Mama oder Papa inzwischen so etwas wie ein Teufelskreis: „Im Grunde haben Eltern mit ihrer Sorge vor Verkehrsunfällen Angst vor etwas, das sie auch selbst mit verschulden.“ Dabei bringe der Fußweg zur Schule viele Vorteile mit sich. „Kinder können sich auszappeln und ausquatschen – kommen entspannter in den Unterricht oder auch von der Schule nach Hause“, sagt Neumann.

Darüber hinaus nähmen sie ihre Umgebung intensiver wahr als vom Auto aus. „Wir sehen das vor allem beim Malen“, berichtet sie. Kinder aus dem Eltern-Taxi zeichneten zwei graue Straßen, die Schule und ihre Wohnung. „Kinder, die loslaufen, malen Wiesen, Bäume, Spielplätze und die Oma, die aus dem Fenster schaut.“

Allein oder in Gruppen erlangten Kinder darüber hinaus mehr Risikokompetenz. Im Zeitalter übervorsichtiger Helikopter-Eltern sei auch das wichtig. Neumann weiter: „Irgendwann ist es Kindern ohnehin peinlich, wenn Mama oder Papa sie vor der Schule abküssen.“

Udo Radloff, der Vorsitzende des Kreiselternbeirats, stellt die entgegengesetzte Position dar. „Ich kann es nachvollziehen, wenn Eltern ihre Kinder zur Schule bringen wollen“, sagt er. Eltern würden ihre Kinder schützen wollen. Außerdem seien die Schulbusse zu Stoßzeiten oft komplett überfüllt, und auch Schülermonatstickets seien meist teuer. Er fordert: Die Kommunen müssten im Schulbereich Haltebuchten für Kurzparker anlegen.