Tornesch . Seit einem Jahr wohnt Familie Vogt im Wohnwagen vor ihrem neuen Haus in Tornesch. Das Gebäude ist undicht und schimmelt.

Vor einem Klinkerbau im Neubaugebiet Tornesch am See parkt seit geraumer Zeit ein Wohnwagen. Doch anstatt für den Urlaub ist der Camper für Familie Vogt zur letzten Rettung geworden. „Wir schlafen seit über einem Jahr darin“, berichtet Janina Vogt-Weller, Mutter von zwei Kindern. Neben dem Wohnwagen steht ihr Haus, das sich die Familie rund 300.000 Euro kosten ließ. Allerdings ist es laut den Vogts nicht bewohnbar. Wasser dringt ein und es schimmelt. Der Traum vom Eigenheim ist für die Familie längst zum Albtraum geworden. Die Kosten werden auf mehr als 100.000 Euro geschätzt. Der Fall füllt Akten und beschäftigt Juristen und Medienvertreter.

„Kagebau hat uns ein undichtes Haus verkauft“, wirft Vogt-Weller dem Bauunternehmen vor. Das sieht man beim Unternehmen ganz anders. Erstmals äußert sich der Geschäftsführer auf Abendblatt-Anfrage zu dem schwierigen Fall. „Wir haben ein mängelfreies Haus abgegeben“, hält Dirk Kage dagegen. Sein Betrieb baue in ganz Norddeutschland mehr als 100 Häuser im Jahr und sei nie negativ aufgefallen. Laut Kage dringt Wasser ein, weil die Vogts entscheidende Fehler beim privaten Ausbau der Gartenanlage gemacht hätten.

2016 zieht Familie Vogt in den neuen Klinkerbau

Zur Vorgeschichte: Im März 2016 ziehen Christian und Janina Vogt mit ihren Söhnen Bastian und Tobias in den gerade fertig gestellten Klinkerbau. Im ersten Jahr gibt es keinerlei Probleme. Das änderte sich schlagartig, als die Vogts im Februar 2017 feststellten, dass Feuchtigkeit an den Wänden hochzog. Zunächst sah es so aus, als seien von den Stadtwerken verlegte Hausanschlüsse die Ursache. Das vermeintliche Problem wurde behoben, doch ein paar Monate später kam die Feuchtigkeit zurück und brachte diesmal Schimmel an den Wänden und im Boden mit.

Die Vogts holten deshalb im Oktober 2017 ihren Wohnwagen von der Ostsee nach Tornesch und schlafen dort seither aus Angst vor gesundheitlichen Folgen durch den Schimmel. Doch die Enge im Haus auf Rädern ist bedrückend. „Der Zustand ist unerträglich“, sagt Vogt-Weller. Tagsüber verbringt die Familie notgedrungen Zeit im Neubau. Dort gibt es aber noch ein weiteres Problem. Überall liegen Schläuche herum, die zu einer lauten Trocknungsanlage führen. Für den jüngsten Sohn (6) ein besonderes Problem. Denn Bastian hat eine Gehbehinderung und ist auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen.

Bauschäden und Schadenskosten nehmen deutschlandweit stark zu

In der Baubranche herrscht Hochkonjunktur. Laut dem Bauherren-Schutzbund haben die Anzahl der Bauschäden beim Neubau von Wohngebäuden seit dem Eintreten des Baubooms um 89 Prozent zugenommen. Dabei sind die Bauschadenskosten durchschnittlich von 49.000 Euro vor zehn Jahren auf aktuell knapp 84.000 Euro gestiegen.

Laut dem Verein sind für die alarmierenden Zahlen vor allem die hohe Marktauslastung, der Fachkräftemangel und eine unzureichende Planung verantwortlich.

Die gemeinnützige Beratungsstelle für private Bauherren empfiehlt bei einem Bauvorhaben eine baubegleitende Kontrolle durch eine unabhängige Prüfgesellschaft. Denn sobald der Bauherr das Haus abgenommen hat, dreht sich die Beweislast um. Nun muss der Bauherr vor Gericht belegen können, dass bereits vor der Übergabe Mängel vorhanden gewesen sind.

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Die Beeinträchtigung ist der Grund dafür, warum die Vogts ein ebenerdiges Haus wollten. Sie gaben einen nicht unterkellerter Bungalow in Auftrag; Barrierefreiheit war aber nicht Teil des Vertrags. „Auch bei einem Bungalow muss das umliegende Gelände grundsätzlich 15 Zentimeter tiefer sein, als die Unterkante des Hauses“, erklärt Bauunternehmer Kage. Dafür hätte im Außenbereich Erde abgetragen werden müssen. Ein ebenerdiger Übergang, wie er bei Terrassen üblich ist, sei möglich aber: „Dadurch sind dann andere Schutzmaßnahmen vor Regenwasser nötig.“

Kage wirft wiederum Vogt mehrere Fehler vor

Christian Vogt hat die Arbeiten an den Außenanlagen gemeinsam mit einem Bekannten selbst übernommen. Einschließlich einem ebenerdigen Übergang zum Haus. Dabei hat er laut Kage mehrere Fehler gemacht. Zum einen hätte Vogt die vorhandene Erde nicht durch eine versickerungsfähigere ausgetauscht – so wie es auch in einem Baugrundgutachten stünde, das den Vogts vorliegt. Zum anderen hätte Vogt beim Terrassenbau den Boden zusätzlich versiegelt, indem der Service-Techniker die Pflastersteine in Beton einlegte. „Dazu kommt, dass sie kein ausreichendes Gefälle aufweisen, um Regenwasser vom Gebäude abzuführen“, sagt Kage, der in diesen Fehlern den Grund für das eindringende Wasser vermutet.

Familie Vogt sieht das anders und verweist auf ein von der Stadt erstelltes Baugrundgutachten, nach dem schon während des Baus andere Schutzmaßnahmen nötig gewesen seien. Kage habe das bei der Planung nicht berücksichtigt und stattdessen ein eigenes Gutachten erstellen lassen. Da die Beweislast nach der Hausabnahme aber bei den Eigentümern liegt, müssen die Vogts vor Gericht belegen, dass die Schäden dadurch entstanden sind.

"Hochkomplexer Sachverhalt mit vielen Faktoren"

Aus einem erstellten Gutachten geht hervor, dass eine Vielzahl von Gründen für das eindringende Wasser verantwortlich ist. „Es handelt sich um einen hochkomplexen Sachverhalt mit vielen Faktoren“, sagt der vom Gericht bestellte Gutachter Ulrich Hillhagen. Das Zusammenwirken der Aktionen mehrerer Beteiligten habe zu den Feuchtigkeitsproblemen geführt. Aber wie groß der jeweilige Anteil an der Schuld ist, müsste ein Richter feststellen. Dafür wäre ein Gerichtsverfahren notwendig. Das kostet Geld und kann sich über Jahre hinziehen. Währenddessen müssten die Vogts weiterhin im Wohnwagen schlafen. Außer die Parteien würden sich außergerichtlich einigen. Bislang scheiterten die Gespräche.

Die Familie, die einen langwierigen und kostspieligen Rechtsstreit fürchtet, versuchte Druck auf das Hamburger Bauunternehmen auszuüben und hat sich an die Medien gewandt. Das hat nicht funktioniert. Der Bauunternehmer kritisiert die teilweise einseitige Berichterstattung. Eine Einigung scheint in weite Ferne gerückt zu sein.