Pinneberg. Im Süden Pinnebergs entstehen Villen, eine Privatschule hat eröffnet. Nebenan findet Sozialarbeit im Container statt. Eltern in Sorge.
Eine schwarze Limousine wird ins Neubaugebiet gelenkt. Ziemlich teures Auto. Nichts Ungewöhnliches in der Parkstadt Eggerstedt. Im Süden Pinnebergs entsteht derzeit neben Mehrfamilienhäusern auch manch ein an eine Villa erinnerndes Eigenheim. Viele Millionen Euro werden investiert. Eine teure Privatschule hat bereits eröffnet. Ein paar Meter weiter ist das Bild ein anderes.
Auf der anderen Seite der Straße An der Raa gibt es viele günstige Wohnungen eines Bauvereins. Und hier drängen sich Kinder aus weniger betuchten Familien in baufälligen und schlecht isolierten Containern, die Jugendzentrum genannt werden. Ohne vernünftigen Schallschutz. In trockener Heizungsluft, wie sie in Metallbehältern nicht zu vermeiden ist. Die Jungen und Mädchen teilen sich winzige Klos. Pädagogen führen Eltergespräche bei anhaltendem Lärm. Seit 18 Jahren geht das so. Sozialarbeit à la Pinneberg im Jahr 2016.
Eltern schlagen jetzt, angesichts der Bautätigkeit in Sichtweite, Alarm. Sie fürchten, dass Pinneberg dabei ist, eine Armutsgrenze zu ziehen. „Da drüben lebt bald die Haute-Volée, und hier werden Kinder in Containern eingepfercht“, sagt Conni Weihs, deren Enkel regelmäßig den Jugendtreff „Komet“ besucht. Weihs fordert, die offene Sozialarbeit im stark wachsenden Stadtteil auf ein vernünftiges Fundament zu stellen. Ein Neubau soll her. Darüber müsste die Politik entscheiden, um die 500.000 Euro bereitzustellen. Die Bürgermeisterin hat andere Pläne.
Geht es nach Rathauschefin Urte Steinberg, wird sich am Jugendtreff „Komet“ zwar zeitnah etwas ändern. Ein Provisorium soll die Einrichtung jedoch bleiben. Steinberg plant derzeit den Ankauf von sechs gebrauchten Baucontainern, die der Abwasserzweckverband abzugeben hat. Mit denen soll der Raumnot Einhalt geboten werden.
Eltern fürchten Aufnahmestopp
Für den von Eltern erhofften Neubau sei nicht genug Geld da. „Wir müssen jetzt erst mal sehen, dass wir den Standort für die kommenden fünf Jahre sichern“, so die Rathauschefin. 170.000 Euro stehen zur Verfügung. Steinberg hofft, mit dem Geld auch die Innenausstattung auf ein neues Niveau heben zu können. Die Eltern und Großeltern besänftigt das nicht. Vor der Tatsache, dass auf der anderen Straßenseite ein neuer Stadtteil mit 250 Wohneinheiten für Familien entstehe, dürften nicht die Augen verschlossen werden. „Hier muss endlich etwas passieren, sonst fürchten wir einen Aufnahmestopp“, sagt Mutter Bettina Springler. „Pinneberg gibt Geld für so viel Unsinniges aus, wie wäre es, mal in unsere Kinder zu investieren?“
Die Zustände im „Komet“, in dem sich während der kalten Jahreszeit mehr als 50 Jungen und Mädchen tummeln, sind nur eines der Probleme im Süden der Kreisstadt. Auch an den Schulen, deren baulicher Zustand in der Verantwortung der finanzschwachen Stadt liegt, herrscht seit Jahren Notstand. Die nahe Grund- und Gemeinschaftsschule kämpft seit langem für eine konsequente Grundsanierung, die zumindest angepackt wurde. Im Theodor-Heuss-Gymnasium ist der Frust noch größer. „Baustelle seit 2007“ haben die wegen immer wieder ins Stocken geratender Sanierung genervten Schüler an die Fenster geschrieben. Ein Innenhof rottet seit Jahren vor sich hin, auch der Oberstufentrakt hätte längst modernisiert werden sollen. Missstände, auf die Eltern seit Jahren hinweisen. Nicht wenigen stößt sauer auf, dass in der Parkstadt Eggerstedt eine Privatschule hochgezogen wurde, in der zwar erstklassige Lernbedingungen geboten, aber auch mindestens 570 Euro Schulgeld im Monat verlangt werden.
Pinneberg weist Wohngebiet aus, Halstenbek baut Schulen
Fakt ist, dass die Stadt Pinneberg im Süden massiv gewachsen ist und weiter wächst. Nachdem vor rund zehn Jahren die Bebauung des Rosenfelds mit Hunderten Wohneinheiten abgeschlossen worden war, ist die Parkstadt Eggerstedt bereits das zweite Großprojekt, bei dem ein neuer Stadtteil entsteht. Der Jugendtreff „Komet“ hingegen ist in den zurückliegenden Jahren nur um ein paar alte Baucontainer gewachsen. Die Schulen im Umfeld, das hat der Landesrechnungshof schon vor Jahren festgestellt, wurden nicht angemessen in Schuss gehalten. Während Pinneberg, das auch noch das Rehmenfeld und das Gelände der ehemaligen ILO-Motorenwerke bebauen will, fleißig Wohngebiete ausweist, bauen andere Kommunen in der Nachbarschaft Schulen, investieren in pädagogische Einrichtungen. So geschehen in Halstenbek, wo neben einer neuen Gemeinschaftsschule nebst Jugendzentrum im Ortskern binnen kürzester Zeit auch ein Gymnasium hochgezogen wurde.
Die Eltern der Kinder, die im „Komet“ betreut werden, haben 250 Unterschriften gesammelt. Sie wollen den Politikern auf die Finger schauen und weiterkämpfen. Für einen Neubau, der zwar teurer, aber eben auch nachhaltiger sei. Für Sozialarbeit, die im Jahr 2016 ankommt. Und gegen eine Art Armutsgrenze mitten in der Stadt.