Wie ich mein eigener Stromproduzent wurde: Martin Oster berichtet von seinem Leben mit einer modernen Photovoltaikanlage auf dem Dach.
Der Elektroinstallateur legt die Sicherung um, ein leises Klacken ertönt aus der blauen Kiste an der Wand in unserem Heizungskeller. Dann beginnt der Zähler im Display des Wechselrichters hochzuzählen. Bis auf 6,5 Kilowatt steigt die Leistungsanzeige am 12. Juli um 16.15 Uhr. Unsere Photovoltaikanlage auf unserem Haus in Quickborn-Heide ist zum ersten Mal in Betrieb gegangen und erzeugt Strom vom eigenen Dach. Energie, die ohnehin schon vorhanden ist, von der Sonne frei Haus geliefert. Es ist ein erhabenes Gefühl, wenn der erste selbst produzierte Strom vom Dach ins Hausnetz fließt. Begeisterung pur beim Betreiber. Wir sind jetzt Stromproduzenten.
Als wir vor über zwei Jahren, inspiriert von anderen Vorreitern, auf ein Elektroauto umgestiegen sind, begann das Umdenken. Wie kann man das E-Auto ökologisch sinnvoll einsetzen, um den CO2-Rucksack, der bei Produktion und Fortbewegung geschnürt wird, zu erleichtern? Eigentlich ganz einfach: Indem man zumindest die Antriebsenergie selbst erzeugt. Mit einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Hausdach und einer entsprechenden Ladestation vor der Haustür.
Nach wochenlangem Einlesen in diese Technik wurde der Entschluss gefasst: Wir – meine Lebenspartnerin und ich – produzieren unseren eigenen Strom. Was benötigt man dafür? Ein geeignetes Hausdach, einen Installateur zur Planung und Umsetzung und das nötige Kleingeld. Das Dach ist vorhanden, in unserem Fall ein schwach geneigtes Flachdach.
Der Ökostromanbieter liefert das Rundum-Sorglos-Paket
Finanzgeber und Installateur waren schnell gefunden. Wir haben uns für ein Pachtmodell unseres Ökostromanbieters Naturstrom entschieden. Hier haben wir das Rundum-Sorglos-Paket erworben. Von der Planung, über die Beschaffung bis hin zur Umsetzung und den Betrieb kommt der Verpächter auf. Wir zahlen lediglich eine monatliche Summe über 18 Jahre ohne Anfangsinvestition mit anschließender Übernahmemöglichkeit der Anlage.
Ein Stromspeicher nimmt die überschüssige Energie vom Tag auf und stellt diese in der Nacht und bei starker Bewölkung zur Verfügung. So sind wir über mehrere Monate im Jahr unabhängig vom Strombezug aus dem Netz. Sicherlich kann es auch im Sommer mehrere Tage am Stück so verregnet sein, dass das nicht durchgehend funktioniert, aber diese Phasen sind zwischen April und September eher selten. Denn auch von Wolken verdeckt liefert die hoch am Himmel stehende Sonne ausreichend Energie, um den Tagesbedarf zu decken. Wir entlasten also mit unserer Speicheranlage die Kraftwerke über einen langen Zeitraum fast komplett.
Nach Klärung aller technischen, rechtlichen und organisatorischen Fragen haben wir den Vertrag unterschrieben und bekamen dann Besuch vom Installateur. Dieser begutachtete die örtlichen Begebenheiten und riet uns zu einer Ost-West-Ausrichtung. Bei einem Flachdach kann auf diese Weise mehr Fläche genutzt werden, als wenn die Module nur nach Süden ausgerichtet sind, da sich diese dann gegenseitig verschatten.
Zählerschrank musste komplett erneuert werden
Einziges Problem war unser kleiner Zählerschrank für die Stromverteilung aus dem Jahr 1983. Dieser musste komplett erneuert werden, für uns eine sinnvolle Modernisierung unserer Immobilie. Für unsere Ladestation in der Einfahrt wäre diese Investition ohnehin fällig gewesen. So haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Der Stromhunger unserer eigenen vier Wände wird trotz Sparsamkeit tendenziell eher steigen.
Leider gab es bei der Lieferung der Materialien einige Verzögerungen, ansonsten wäre die Installation der kompletten Anlage in zwei Tagen über die Bühne gegangen. Was da angeliefert wurde, war aber auch eine ganze Menge Zeug. 32 Module zu je 1,66 x 0,96 Meter, Montagematerial, zwei Wechselrichter, einer, der den Gleichstrom vom Dach in Wechselstrom für das Haus umwandelt, und einer, der den Wechselstrom wieder in Gleichstrom für den Speicher umwandelt und umgekehrt. Der Speicher selbst stellte mit seinen 100 Kilogramm eine echte Herausforderung für die Monteure dar, als es die schmale Kellertreppe hinunterging. Aber schließlich war die Anlage komplett montiert und ein erster Probelauf war erfolgreich. Die Handwerker hatten saubere Arbeit geleistet.
Die eigene Energieerzeugung im Internet verfolgen
Im Sommer startet die Stromproduktion schon vor 6 Uhr und endet erst weit nach 21 Uhr. Wir erzeugen im Sommer ein Vielfaches dessen, was wir selbst mit Waschmaschine, Spülmaschine, Brotbackautomat, E-Herd oder dem Laden des E-Autos verbrauchen. Und: Wir schauen mindestens 20-mal am Tag auf das Online-Portal, das uns umfassende Informationen über Stromerzeugung, Stromverbrauch, Batterieladung und -entladung sowie zahlreiche Statistiken zu unserem Energiehaushalt liefert. Es macht einfach nur Spaß, die eigene Energieerzeugung zu verfolgen. Abends wird die energetische Ernte auch gerne mit der Community im Netz verglichen. Außerdem verleitet die eigene Anlage auch dazu, das Energieverbrauchsverhalten zu optimieren.
Größter Verbraucher ist bei uns das E-Auto. Daher haben wir eine Lademöglichkeit mit verschiedenen Leistungseinstellungen installiert. So können wir mit wenig Energie über einen längeren Zeitraum hin laden, um möglichst viel selbsterzeugten Strom zu nutzen. Oder aber auch mit höherer Leistung das Fahrzeug in kurzer Zeit wieder aufladen. Schiebt sich eine Wolke vor die Sonne, springt der Speicher ein.
Wir haben den Vorteil, dass unser Auto bei schönem Wetter in der Einfahrt steht und laden kann. Denn für den Arbeitsweg nach Norderstedt kommt das Fahrrad zum Einsatz. Aber auch wenn das Auto nur am Wochenende zu Hause stehen sollte, kann es mit Solarstrom geladen werden. Denn an einem sonnigen Wochenende im Sommer produzieren wir rund 80 kWh Überschuss, genug für 500 Kilometer Reichweite. An einem wolkigen Wochenende ist es etwa die Hälfte.
Übriger Strom geht ins öffentliche Netz
Alles, was Haus und Auto nicht verbrauchen, speisen wir ins öffentliche Netz ein und erhalten dafür einen auf 20 Jahre festgeschriebenen Vergütungssatz. Eben diese Überschüsse werden zurzeit zur Versorgung der Nachbarschaft genutzt. In einem zukünftigen Stadium der Energiewende, in dem wesentlich mehr Gebäude mit Photovoltaik ausgestattet sind, könnten solche Überschüsse mittels Langzeitspeicher, zum Beispiel durch Umwandlung in Gas, im Winter wieder zur Verfügung gestellt werden, um die Versorgungslücke zu schließen, wenn die Photovoltaik nur geringe Erträge liefert.
Die Hausdächer der Republik bieten ein gewaltiges Brachland für die so existenziell wichtige Energiewende. Nicht nur Einfamilienhäuser, auch Gebäude der öffentlichen Hand, Industrie und Wirtschaft sowie Wohnquartiere könnten und sollten mit Eigenenergieversorgung der lahmenden Energiewendepolitik der Bundesregierung gewaltig auf die Sprünge helfen. Denn je mehr Photovoltaik installiert wird, desto weniger Windkraftanlagen müssen errichtet werden, um die Energiewende voranzutreiben. Vom Ausstieg aus der extrem klimaschädlichen fossilen Energieerzeugung einmal ganz abgesehen.
Der Eigenverbrauch steht bei der Anlage im Vordergrund
Photovoltaik lohnt sich auch heute noch. Wurden vor 15 Jahren Anlagen rein zur Netzeinspeisung mit hohen Einspeisevergütungen gebaut, steht heute der Eigenverbrauch im Vordergrund. Denn die Einspeisung einer Kilowattstunde bringt nur noch den halben Ertrag einer nicht vom Netz bezogenen Kilowattstunde. Eine reine Photovoltaikanlage amortisiert sich bei einem guten Angebot und unter Einsatz von Eigenkapital in rund zehn bis zwölf Jahren. Danach startet die Gewinnzone. Mit einem Speicher verlängert sich die Zeit bis zur schwarzen Null um einige Jahre, da Speicher noch zu teuer sind, um wirtschaftlich zu arbeiten.
Wir sind begeistert von unserer Stromtankstelle auf dem eigenen Dach und sondieren schon die kommenden Möglichkeiten. So könnte eine Brauchwasserwärmepumpe die Heizung von April bis Oktober obsolet machen. Denn in dieser Zeit produziert die PV-Anlage mehr als genug Strom für unseren Haushalt. Der nächste Schritt hin zur sogenannten Sektorenkopplung im intelligenten Energienetz. Die automatisierte Verstromung von Hausenergie, Mobilität und Wärme mit langfristigem Einsparpotenzial nicht nur für den eigenen Geldbeutel. Wir sind gespannt, wie lange wir noch autark vom Stromnetz sein können und was der Winter an solarer Stromproduktion zulässt. Eines ist aber jetzt schon sicher: So macht die Energiewende Spaß.