Rellingen. In der Rathaus Galerie Rellingen stellt der Fotokünstler Dieter Guttau unter dem Titel „Befremdliche Wirklichkeiten“ aus.

Wer interessiert sich für eine ganz ordinäre Stubenfliege? Wohl kaum jemand. Außer vielleicht, der gebürtige Holsteiner Dieter Guttau hat sie fotografiert. Stark vergrößert durch sein Makro-Objektiv, und dann so sehr bearbeitet, dass die Fliege zwar noch zu erkennen ist, zugleich aber ein fremdes, irgendwie bedrohliches Wesen aus dem Bilderrahmen blickt. Die Fliege ist eines von gut 30 Motiven, die derzeit in der Rellinger Rathaus Galerie ausgestellt sind. „Befremdliche Wirklichkeiten“ lautet der sinnige Titel.

Jahrzehntelang hat Dieter Guttau spontane Fotos gemacht. Früher analog mit der Spiegelreflexkamera, seit 2010 nur noch digital. Seit der ehemalige Geografie- und Deutschlehrer pensioniert ist, kann er „endlich so richtig loslegen“ mit dem, was er schon immer machen wollte.

Aber die schnöde Wirklichkeit abzulichten interessiert ihn nicht mehr. Dieter Guttau verfremdet seine Aufnahmen so, „dass aus dem Foto ein Bild entsteht“, wie er sagt. Das tut er mittels Filtern, durch spezielle Perspektiven, in extremen Nah-Aufnahmen, über Einfärbung, Schwärzung, nachträgliche Lichtkonturen oder den von ihm sehr gepriesenen „digitalen Pinsel“ über ein altes Microsoft-Programm. Fotomotive bekommen so eine gleichförmige Gemälde-Oberfläche.

So kommt es, dass in der Rellinger Rathaus-Galerie eine wirkungsmächtige Hyper-Realität erstrahlt – in extremen Farben und übersteigertem Ausdruck, mit überraschenden Konstellationen, Bildwitz und in irrealem Licht: „Alles, was mir reizvoll erscheint, das mach’ ich“, sagt Guttau. Auch vor grellem Kitsch scheut er nicht zurück.

Die üppigen Blüten eines afrikanischen Tulpenbaumes zu fotografieren, die dunkelgrauen Staubgefäße in einer offenen Mohnblüte oder die Spiegelung von einer Reihe Kopfweiden an der Krückau – auch so wunderschöne Motive festzuhalten, ist nicht interessant genug: Guttau will verwandeln, steigern, aus der Norm das Außergewöhnliche herausholen, die Lücke zwischen Fantasiewelt und Wirklichkeit schließen. Mit Bildern, die so nirgendwo zu sehen sind, die aber dadurch, dass sie dennoch Realität abbilden, zum neuen Sehen einladen.