Klein Offenseth-Sparrieshoop. Kirsten und Thomas Hoppe sind gehörlos. Mit Tochter und Sohn, die hören können, kommunizieren sie in Gebärdensprache.
Es ist ein warmer Spätsommernachmittag, die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die Baumwipfel und wärmt angenehm. Das Klinkerhaus der Familie Hoppe in Klein Offenseth-Sparrieshoop vor den Toren Elmshorns ist idyllisch gelegen. Zur Begrüßung kommt die ganze Familie an die Tür: Kirsten (46), Thomas (49), Sina (10) und Leon (5). Tochter Sina ergreift mit einem Lächeln auf den Lippen das Wort: „Hallo, ich bin Sina und werde heute für meine Eltern dolmetschen.“
Kirsten und Thomas Hoppe sind beide seit ihrer Geburt gehörlos. Ihre Tochter und ihr Sohn können hören und beherrschen die Gebärdensprache. Der Alltag von gehörlosen Menschen unterscheidet sich zwangsläufig von dem Hörender. Eine herkömmliche Klingel beispielsweise könnten nur zwei der vier Hausbewohner wahrnehmen, also folgt dem Druck auf den Klingelknopf außer dem akustischen Signal ein heller Lichtblitz. Thomas Hoppe zeigt einen kleinen Funksender, und Sina erklärt, wie er funktioniert. Denn nicht nur die Klingel gibt Lichtsignale, auch das Telefon. Ein Sender überwacht die Telefonleitung und sendet bei einem Anruf automatisch ein Funksignal an alle angeschlossenen Funksender der Lichtsignalanlage.
Die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit empfinden Kirsten und Thomas Hoppe als große Hilfe. „Ich schreibe sehr gern Kurznachrichten auf meinem Handy, da ich das sehr praktisch finde“, sagt Kirsten Hoppe. Bei wichtigen Terminen wie etwa Elternsprechtag in Schule und Kindergarten oder bei Behördengängen werden Kirsten und Thomas Hoppe auf Wunsch von einer ausgebildeten Gebärdendolmetscherin begleitet.
Die Kinder beherrschen alle Arten der Kommunikation
„Das ist für uns eine große Erleichterung“, sagt Kirsten Hoppe. Den größten Teil ihres Alltags meistert die Familie jedoch, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Außenstehende sind immer wieder beeindruckt von Kindern wie Sina und Leon, die mit großer Leichtigkeit zwischen gesprochenen Worten und Gebärdensprache hin und her wechseln können. Ihre Mehrsprachigkeit ist für sie nichts Besonderes. Sie sei noch relativ klein gewesen, als sie ihr erstes Wort „Mama“ gebärdet habe, sagt Tochter Sina. „Unsere hörenden Großeltern und Eltern haben Leon und mir die Gebärdensprache beigebracht.“ Auch der fünf Jahre alte Leon beherrscht die Kommunikation mit Gesten und Mimik schon sehr gut, weiß, wie er zum Beispiel um eine Schale Müsli bittet, und darum, seine Lieblingssendung im Fernsehen gucken zu dürfen.
Nachdem Leon sich verabschiedet hat, erzählen Kirsten und Thomas Hoppe, wie sie sich 1996 bei einer Gehörlosenveranstaltung in München kennenlernten. Beiden war schnell klar, dass sie zusammenleben und auch Kinder haben möchten.
„Die Angst, dass unsere Kinder gehörlos werden könnten, hatten Thomas und ich nie“, sagt Kirsten Hoppe. Bis zu Sinas Geburt seien sie beide leidenschaftlich gern mit dem Motorrad unterwegs gewesen. Aber zugunsten der Kinder verzichten die beiden seitdem auf das riskante Hobby.
Beiden sei es auch immer wichtig gewesen, in einem Beruf zu arbeiten, der ihnen Spaß macht. So arbeitet Kirsten Hoppe als Zahntechnikerin in Glückstadt und Thomas Hoppe als Feinmechaniker bei einer Hamburger Firma. „In unserem Arbeitsalltag ist unsere Gehörlosigkeit kein Problem, da mein Mann und ich bei Bedarf einen Gebärdendolmetscher hinzuziehen können. Außerdem beherrschen wir beide das Lippenlesen“, sagt Kirsten Hoppe.
Kirsten Hoppe unterrichtet Gebärdensprache an der VHS
In der Freizeit engagiert sich das Sparrieshooper Ehepaar unter anderem für den Gehörlosenverein Pinneberg, der seinen Sitz in Elmshorn hat. Kirsten Hoppe hat seit 2012 den Vorsitz des Vereins inne. Zusätzlich gibt die Sparrieshooperin gemeinsam mit einer Freundin derzeit einmal wöchentlich einen Gebärdensprachkursus an der Volkshochschule (VHS) in Elmshorn.
Als Leons Fernsehsendung zu Ende ist, steckt er den Kopf zur Küchentüre herein und fragt, ob er gleich sein Spielgerüst und das kleine Gewächshaus zeigen kann, in dem sein Vater Thomas Tomaten anbaut. Bevor es in den Garten geht, hat Kirsten Hoppe noch eine Bitte: „Ich wünsche mir von unseren Mitmenschen manchmal mehr Toleranz im Alltag uns gegenüber.“