Elmshorn. Bahnhofsmission Elmshorn wird zehn Jahre alt – Zeit, einen Blick zurück zu werfen. Michael Martischus ist seit der ersten Stunde dabei.
Er geht mit offenen Augen über den Bahnsteig. „Aufsuchende Arbeit heißt das im Handbuch der Bahnhofsmission“, sagt Michael Martischus, Co-Leiter der Bahnhofsmission Elmshorn. Sieht er zum Beispiel einen Reisenden im Rollstuhl oder eine Mutter mit Kinderwagen, geht er hin und fragt, ob er helfen kann. Er gibt Auskunft zu Zugverbindungen und Umsteigemöglichkeiten, hilft beim Einsteigen, zeigt, wo sich beim Zug das Behindertenabteil befindet und vermittelt Gestrandeten Hotels. Zwischen zwei Zügen bleibt Zeit für Gespräche.
Am 1. Dezember feiert die Bahnhofsmission Elmshorn zehnjähriges Bestehen. Michael Martischus ist seit der Gründung dabei. Das Team besteht aus zwölf Ehrenamtlichen und der Leiterin Wiebke Turkat, sie ist die einzige Hauptamtliche. „So viele Menschen den Bahnhof passieren, so vielfältig sind deren Themen, Sorgen und Nöte“, sagt Martischus. Die Begegnungen unterschiedlicher Couleur sind es, die dem 69-Jährigen an der Arbeit am besten gefallen. Drei Schichten übernimmt er pro Woche im Schnitt. Das sind zwölf Stunden. „Für mich passt die Stelle gut – als Frührentner aus der Wirtschaft habe ich eine wirklich sinnvolle und langfristige Betätigung gefunden“, so der ehemalige Bankkaufmann.
Monatlich nehmen rund 1000 Menschen das Hilfsangebote in Anspruch. Die meisten Hilfesuchenden sind Reisende zwischen 30 und 65 Jahren. Generell gilt die niedrigschwellige Hilfe allen Menschen, die sich im Bahnhofsbereich aufhalten, einem Ort, der eigentlich von Hektik und Anonymität bestimmt wird. Die Bahnhofsmission bildet den Gegenpol.
Geburtstag wird gefeiert
Die Helfer mit den blauen Jacken erklären immer wieder den Fahrkartenautomaten, hieven Rollstühle in den Zug, helfen bei Verständigungsschwierigkeiten, zum Beispiel wenn Reisende gehörlos, blind, seh- oder sprachbehindert sind. Oder wenn sie schlecht Deutsch sprechen. Sie sprechen mit Menschen, die nicht mehr weiter wissen. Und hören denen zu, die niemanden haben. Die Räume, die von der Deutschen Bahn gestellt werden, sind während der Öffnungszeiten für alle Menschen frei zugänglich, sie bieten Schutz und Aufenthaltsmöglichkeiten. Die Hilfe wird finanziert aus Kirchensteuern, einem Zuschuss der Caritas und Spenden. In Zeiten knapperer Kassen und zurückgehender Spenden keine Selbstverständlichkeit.
Im kommenden Jahr will die Deutsche Bahn wieder Servicekräfte am Bahnhof Elmshorn – nach Kiel und Lübeck der am stärksten frequentierte Bahnhof des Landes – einsetzen, weiß Martischus. „Die Stellen sind ausgeschrieben.“ Damit könnte sich der Service der Bahn vor Ort erheblich verbessern. Vor Jahren schon war der letzte Servicemitarbeiter abgezogen worden. „Die Lücke haben wir ausgefüllt“, sagt der Ehrenamtler. Trotz der anstehenden Veränderung kann er sich nicht vorstellen, dass sich am Konzept Bahnhofsmission groß etwas ändern sollte. Menschen nahezukommen, die niemanden haben, das sei heute wichtig, und es werde noch morgen so sein. „Dann hätten wir mehr Zeit, für die kleinen und großen Sorgen derer, die uns aufsuchen“, sagt Martischus. Denn das persönliche, anonyme und vertrauliche Gespräch – ganz kurzfristig und ohne Anmeldung – gehört genauso zu den Angeboten der Bahnhofsmission wie das Gespräch über Gott.
Auf Wunsch vermitteln die Helfer auch an weiterführende Beratungseinrichtungen weiter – im Wesentlichen an die Diakonie Rantzau-Münsterdorf. Das gilt für die Bereiche „Sozialberatung, Lebenshilfe und Seelsorge“, „Lebensberatung“ und „Suchtberatung“. Darüber hinaus arbeitet die Bahnhofsmission mit vielen sozialen und karitativen Einrichtungen zusammen.
„Oft fristen Bahnhofsmissionen ein Schattendasein. In Elmshorn nicht“, sagt der gebürtige Elmshorner. „Das Diakonische Werk Rantzau-Münsterdorf als Träger steht voll hinter uns, und die Stadt schätzt unsere Arbeit.“ Der Kontakt zur Deutschen Bahn habe sich enorm verbessert. Was die Bahnhofsmission Elmshorn noch von anderen unterscheidet, ist die Unterstützung durch einen Beirat. Ihm gehören unter anderem Propst Thomas Bergemann, Stadtrat Dirk Moritz, Vertreter des Fahrgastverbands Pro Bahn sowie verschiedener Kirchengemeinden an.