Faro/Pinneberg. Abendblatt-Mitarbeiter Andreas Daebeler muss vor Feuersbrunst fliehen. Brand verschont aber knapp sein neues Zuhause an der Algarve.

Der Berg gegenüber unserer Zufahrt ist schwarz. Auf dem Gipfel ein paar verkohlte Baumleichen. Stumme Zeugen einer dramatischen Nacht. Für viele. Auch für uns, die wir Pinneberg und Hamburg vor drei Monaten den Rücken kehrten, um im Hinterland der Algarve zu leben. Hier, wo wir uns ein kleines Häuschen gemietet haben, um runterzukommen, ein wenig Tempo rauszunehmen, erleben wir schlimme Stunden. Eine Nacht der Flucht. Hals über Kopf. Hab und Gut zurücklassend. Ohne zu wissen, ob am nächsten Morgen noch etwas da ist. Wir sollen großes Glück haben in dieser Nacht in Portugal. Der Reihe nach.

Der Morgen zuvor: Von dem Feuer, das rund um das Städtchen Monchique tobt, wissen wir schon seit einer Woche. Dass es zu uns ins nahe der Stadt Sao Bartolomeo de Messines gelegene Vale Fuzeiros kommen könnte, das wollen wir nicht glauben. Schließlich sind das Luftlinie 25 Kilometer, auf Straßen gar mehr als 40. Große Stauseen, etwa der Barragem do Arade, schützen uns, so glauben wir. Doch ein blutroter Himmel kündet von nahendem Unheil. Der Qualm scheint dichter als gestern. Wir beschließen, uns selbst ein Bild zu machen, lenken den Wagen gen Küste. Unterwegs begegnen wir vielen Bombeiros in ihren teils uralten und arg ramponierten Feuerwehrautos. Über uns kreisen gelbe Löschflugzeuge. Bei Pinheido e Garraldo, einer kleinen Ortschaft auf halben Weg, sehen wir erstmals Feuer.

Nach dem verheerenden Feuer sieht die Landschaft am See Barragem sdo Arade so aus
Nach dem verheerenden Feuer sieht die Landschaft am See Barragem sdo Arade so aus © Ilona Lütje | Ilona Lütje

Der Mittag: Panik kommt noch nicht auf. Das mag an den Bildern liegen, die uns auf der Fahrt geboten werden. Alte Männer stehen rauchend am Straßenrand. Die Bombeiros wirken unaufgeregt. Straßen sind passierbar. Wir fahren in die Hafenstadt Portimao. Dort bimmeln unsere Handys, eine App übermittelt die schlechte Nachricht. Es brennt. Im Vale Fuzeiros. Bei uns vor der Haustür. Als wir zurückrasen, sehen wir die riesige Rauchsäule. Es regnet Asche. Unser Garten ist noch grün, doch die Sonne verschwunden. Ein grün-weißes Auto rast auf den Hof. „Gehen Sie“, brüllt der Polizist. Er steigt nicht aus.

Was folgt, ist wenig überlegt, eher instinktiv. Wir klauben alles zusammen, was uns wichtig erscheint. Aktenordner, Dokumente, Computer, ein paar Klamotten. Den kleinen Kater, den wir vor einigen Wochen ausgesetzt unter einem Steinhaufen fanden. Die Türen bleiben unverschlossen. Damit die Bombeiros zur Not reinkommen.

Unseren älteren Nachbarn Klaus überreden wir, mitzukommen. Erst will er nicht. Wie so viele Menschen hier, die ihr Haus nicht im Stich lasen wollen. Manche müssen mit Gewalt herrausgeholt werden. Wir diskutieren noch, als Klaus den Kopf hebt. Er sieht nicht mehr allzu gut. Die meterhohen Flammen, die gerade den Berg gegenüber verschlucken, kann auch Klaus nicht übersehen. „Da habe ich mir fast in die Hosen gemacht“, wird er später sagen.

Blick vom Garten aus: Das Feuer rückte gefährlich nahe, die Bewohner des Tals mussten fliehen
Blick vom Garten aus: Das Feuer rückte gefährlich nahe, die Bewohner des Tals mussten fliehen © Ilona Lütje | Ilona Lütje

Der Abend: In Messines erleben wir portugiesische Hilfsbereitschaft. Eine Tierärztin, die unseren kleinen Kater für die Nacht aufnimmt. Einen Fremden, der zum Telefon greift, als wir ihn nach einer Möglichkeit fragen, unser Zelt für die Nacht aufzustellen. „Ich rufe den Bürgermeister an“, sagt der Mann, der sich als Jorge vorstellt. Und er erfährt vom Stadtoberhaupt, dass es in der Stadt eine Notunterkunft gibt. Dort kümmern sich freiwillige Helfer um uns. Es gibt Wasser und Kaffee. Auf der Feuerwache gibt ein Diensthabender bereitwillig Auskunft. Trotz aller Hektik. Es werde alles getan, Häuser zu schützen. 1500 Einsatzkräfte seien vor Ort. „Aber das Feuer rast mit zwei Kilometern pro Stunde“, weiß der Mann. „Und Flugzeuge können nachts nicht eingesetzt werden.“ Klingt wenig beruhigend. Wir legen uns ins Auto, das vor der Notunterkunft geparkt ist, warten auf neue Nachrichten.

Hintergrund

Der Waldbrand in der Algarve wütete eine Woche auf 270 Quadratkilometern zwischen Monchique und Messines. Das Feuer gilt als gelöscht. Es gab 40 Verletzte.

1500 Einsatzkräfte bekämpften die Flammen, bis zu 17 Flugzeuge waren in der Luft. Der an Häusern entstandene Schaden wird auf zehn Millionen Euro geschätzt.

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Der nächste Morgen: So gegen 5 Uhr heißt es, dass die Landstraße nach Vale Fuzeiros wieder frei sei. Wir rasen sofort los. Als wir die Auffahrt hochkommen, ist das fast ein wenig surreal. Der Qualm hat sich verzogen. Die Sonne geht auf. Der Berg gegenüber ist kahl. Die Feuerwehr hat mit schwerem Gerät eine Schneise geschlagen, die unser Hab und Gut schützte. Wir ahnen noch nicht, was uns dahinter erwartet: Schwarz statt Grün. 270 Quadratkilometer verbrannte Erde. Tausende verkohlte Bienenstöcke. Die Natur wird es schwer haben, sich zu erholen. Die Berge im Hinterland haben eine immense Bedeutung fürs ökologische Gleichgewicht in der Algarve.

Einer der größten Waldbrände Europas in den vergangenen Jahren hat vor unserer Auffahrt haltgemacht. Nachdem die Flammen sich zuvor 30 Kilometer durch die Region gefressen haben. Nicht jeder hatte so viel Glück wie wir. Etwa 50 Häuser sind ausgebrannt. Dass es keine Toten gegeben haben soll, können wir kaum glauben. Wir lassen unsere Sachen noch tagelang im Auto. Immer wieder flackern die Feuer auf. Es dauert, bis wir uns gesammelt haben – und daran denken, Jorge eine Nachricht zu schreiben. Dem Mann, der für uns den Bürgermeister von Messines anrief. „Schön, dass es euch gut geht“, antwortet er. Wenn wir Hilfe bräuchten, müssten wir uns nur melden. Jorge ist jetzt kein Fremder mehr.