Kreis Pinneberg. Behörde gibt Entwarnung: Keine leicht brennbaren Dämmstoffe im Kreis Pinneberg. Gefahren lauern in den Gebäuden trotzdem.
Im Treppenhaus steht ein Kinderwagen. Kabel hängen lose von der Decke. Der Schacht eines defekten Fahrstuhls ist nur provisorisch verkleidet – mit einer gut brennbaren Spanplatte. Stippvisite in einem der höchsten Häuser im Kreis Pinneberg. Hier, am Hindenburgdamm, unweit der Pinneberger City, leben Hunderte Menschen. Auf elf Stockwerken. In einem von
46 Hochhäusern der Region, die seit dem Sommer 2017 ganz besonders im Fokus stehen. Nach der verheerenden Brandkatastrophe in London haben Städte und Kreisverwaltung sämtliche hohen Gebäude einem Check unterzogen. Das Ergebnis dieses TÜVs liegt jetzt vor – und es gibt Entwarnung. Keine Spur von leicht entzündlichem Dämmmaterial.
Verantwortlich für die Überprüfung des Brandschutzes in Hochhäusern sind Städte, die eine eigene Bauaufsicht haben. Wedel, Pinneberg und Elmshorn melden ihre Ergebnisse an den Kreis Pinneberg, der sich zudem um die Gebäude in kleineren Gemeinden kümmert. Etwa den „Affenfelsen“ in Halstenbek und die Hochhäuser an der Klosterkoppel in Uetersen wurden von der zuständigen Kreisbehörde einem Sicherheitstest unterzogen. „Im gesamten Kreisgebiet wurde an Fassaden nichts Gravierendes festgestellt“, so Oliver Carstens, Sprecher des Landrats.
Wärmedämmung ist zulassungspflichtig
Peter Krey ist zuständiger Fachdienstleiter für Planen und Bauen im Kreishaus. „Wärmedämmung ist bei uns zulassungspflichtig, das war in England anders“, sagt er mit Blick auf die Brandkatastrophe in London, bei der mehr als 80 Menschen starben. „Bei uns wird oft über Bürokratie gelästert, hier haben wir ein Beispiel, wie wichtig Vorschriften sein können“, ergänzt Carstens.
Bernhard Heimann, der beim Kreis als Teamleiter für den Bereich Brandschutz verantwortlich ist, muss trotzdem von kritischen Fällen berichten, wenn es um die Hochhäuser in der Region geht. So habe in Halstenbek gerade erst ein Müllschacht geschlossen werden müssen. Derartige Schächte, die noch vor wenigen Jahren als besonders komfortabel für Mieter in den oberen Stockwerken galten, seien heute nicht mehr zulässig. „Wenn es in einem Müllcontainer brennt, gelangt der Rauch durch Schächte in Treppenhaus“, erklärt Heimann. „Eine Gefahrenquelle.“ Weiteres Problem sei zunehmende Vermüllung, für die häufig die Mieter selbst verantwortlich seien. Treppenhäuser würden als Lagerraum missbraucht. Bei Feuer können Fluchtwege dann verstellt sein – womöglich eine tödliche Falle.
Immer wieder Ärger: Der Fall Vonovia
Die Kommunikation mit Wohnungsgesellschaften ist nicht frei von Komplikationen. „Wir müssen stets darauf achten, dass Vorgaben auch umgesetzt werden“, bestätigt Krey. Geschieht das nicht, kann der Kreis etwa Brandwachen anordnen. Zur Not können die Behörden mit dem Instrument der Nutzungsuntersagung ein schweres Geschütz auffahren. „Für ein ganzes Haus war das bislang noch nie nötig“, so Heimann. Allerdings habe man kürzlich einen Partyraum unterm Dach eines Hochhauses schließen müssen. Heimann erklärt, warum: „Da waren die Wände komplett mit Holz verkleidet.“
Die meisten Hochhäuser im Kreis Pinneberg stammen aus der Zeit vor Erlass der Hochhausrichtlinie, die 1983 aufgelegt wurde. „Und seit 1983 wurde auch kein weiteres Gebäude in vergleichbarer Höhe mehr errichtet“, wie Heimann berichtet. Zweiter baulicher Rettungsweg, unabhängige Notstromversorgung, brandsicheres Material: Die in der Richtlinie festgezurrten Bestimmungen sind schlicht zu teuer. Für Investoren lohne es sich nicht mehr, derart in die Höhe zu bauen. Heimann: „Das ist out.“
Als Hochhaus gilt laut Landesbauordnung ein Gebäude, bei dem der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 Meter über der Geländeoberfläche liegt. Der nach dem Feuerdrama im Londoner Grenfell Tower von Innenminister Hans-Joachim Grote angeregte Hochhaus-TÜV umfasste jedoch auch hochhausähnliche Bauten.
Das höchste Wohnhaus im Kreisgebiet steht an der Diesterwegstraße im Pinneberger Stadtteil Thesdorf. Doch zurück zum Hindenburgdamm: Vorm elfstöckigen Komplex steht ein Auto des Wohnungsverwalters. Mitten in der Feuerwehrzufahrt geparkt. Kein Einzelfall. Dergleichen kommt immer wieder vor. „Häufig weisen uns die Feuerwehren auf Mängel hin“, sagt Heimann. „Momentan haben wir gute Argumente, weil alle noch das Drama von London im Kopf haben“, ergänzt Krey. Er appelliert an Handwerker und Mieter, Rettungswege freizuhalten und auf der Suche nach dem Parkplatz lieber mal eine Runde mehr zu drehen. Das kann Leben retten.