Haseldorf . Im seit Wochen ausverkauften Rinderstall verzückt der Salzburger Percussionist Martin Grubinger bei seinem Auftritt in Haseldorf.
Ein leises Knistern wird zu einer Art Herzschlag, wird zu einem Disco-Beat, wird zu etwas völlig anderem – und dann ist es, als hebt er ab. Was Martin Grubinger seinem Schlagwerk für Geräusche und Klänge entlockt, ist kaum zu erklären. Egal, ob mit den Händen, mit Sticks, Besen oder Schlegeln, egal, ob auf Trommeln, Marimba, Vibraphon oder auf Kochtöpfen, dieser Mann verliert scheinbar nie den Rhythmus. Percussionist Martin Grubinger begeisterte bei seinem Konzert im Zuge des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Haseldorfer Rinderstall am Mittwochabend sein Publikum.
Percussionist spielt die Instrumente heiß
Das Konzert war schon seit Wochen ausverkauft. Dass dann vereinzelt Plätze frei blieben, ist wohl der Hitze geschuldet. Diese war auch der Grund dafür, dass Grubinger auf ein Stück verzichtete. Das Werk Psappha von Iannis Xenakis ließ der Percussionist aufgrund seiner Erfahrungen vom Vorabend entfallen. „Das Konzert gestern Abend in Wotersen bei über 40 Grad in der Halle war die wildeste Konzertschlacht, die wir je hatten“, sagte Grubinger. Die Temperaturen würden sich auf die Trommeln und Felle auswirken und seien bei der Hitze irgendwann kaum noch spielbar, daher gab es für das Haseldorfer Publikum „nur“ 110 Minuten Programm.
Es gab ordentlich etwas auf die Ohren für die Zuhörer. Bei der „Toccata“ für Vibraphon, Marimba und Klavier von Andreas Koppel wurde er von Pianist Per Rundberg begleitet. Gemessen an dem, was noch folgen sollte, begann das Werk mit eher leisen Tönen. Mit vier Schlegeln – zwei in jeder Hand – entlockte er dem Vibraphon sanfte, leise Töne. Jeder Schlag, präzise gesetzt, schon für sich ein Kunstwerk. Dann plötzlich zog das Tempo an, es wurde immer lauter. Die Klänge muten in einem Moment an wie aus einem Schlaflied entsprungen und arten im nächsten in wilde Tanzmusik aus.
Hier gibt es noch Karten
Dem Schlagwerk-Künstler dabei zu zusehen, wie er seine Instrumente bearbeitete war nicht weniger beeindruckend – mal mit geschlossenen Augen, hochkonzentriert, mal huschte ihm ein breites Grinsen über das Gesicht oder er lächelte versonnen. Dabei tanzte er beinahe über die Bühne, sprang von einem Instrument zum anderen.
Als die Takte des ersten Stücks verklungen, machte sich einen Staunen breit. Leises Gerede. „Wow, was für ein Künstler“, murmelte ein Zuhörer. Es hat nur wenige Minuten gedauert, schon hatte Grubinger sein Publikum restlos beeindruckt. Besonders machte den Auftritt auch, dass der Percussionist seine Zuhörer mitnahm. Locker und witzig moderierte er an, was er als nächstes spielen würde: ein Werk seines Vaters, erst wenige Monate alt „Aus dem Leben einer Trommel“. „Sie werden die verschiedenen Lebensabschnitte Kindheit, Jugend und das Erwachsensein heraushören können – auch die Midlife Krise“, versprach er.
Es war nur ein Mann auf der Bühne, und doch klang es, als wären es vier. Zwei Schlegel in der einen Hand. Die zweite Hand kommt dazu, ein Fuß, der zweite und dann spielte er noch eine Art Trillerpfeife – als Grubinger zwischendurch absetzte, gab es spontanen Zwischenapplaus.
Beim nächsten Stück standen dann aber tatsächlich vier Männer auf der Bühne, neben Per Rundberg am Piano begleiteten ihn noch Rainer Furthner und Slavik Stakhov, beide ebenfalls am Schlagwerk. Bei John Psathas „One Study One Summary“ für Marimba mit Junk Percussion und Digital Audio kam an Instrumenten alles zum Einsatz, was auf der Bühne zu sehen war, auch das, was manch einer vielleicht zuvor für Dekoration gehalten hatte.
Auch das, was manche für Deko halten, wird genutzt
Mülltonnendeckel, Bratpfanne, Sägeblatt, alte Kochtöpfe in verschiedenen Größen. „Wenn Sie mal jemanden auf einem Müllplatz solche Sachen sammeln sehen, dann ist er wahrscheinlich nicht verrückt, sondern Schlagzeuger“, verkündet Grubinger vor dem Stück lachend.
Die vier Musiker entließen ihre Zuhörer gespannt in die Pause, man ahnte bereits, was da noch kommen könnte. In der „Prismatic Final Suite“ zusammengestellt von Martin Grubinger senior warteten auf die Zuhörer verschiedene aneinandergereihte Stücke von Salsa bis Schostakowitsch. „Die Suite dauert 40 Minuten“, kündigte Martin Grubinger an, „wir sehen uns dann auf der anderen Seite.“
Grubinger spielte und dirigierte, schickte seine Co-Schlagwerker kreuz und quer über die Bühne. Die Rhythmen wechselten, die verschiedenen Musikrichtungen waren klar herauszuhören. Gekonnt spielten sich die Musiker gegenseitig die Bälle zu. Und Grubinger? Der wirbelte am meisten herum, wippte mit den Füßen, tanzte. Wie Fleisch gewordener Rhythmus.
So ist man am Ende des Abends wirklich woanders, auf der anderen Seite. So klingt der Schlagzeug-Himmel.