Haseldorf . Konzerte im Rinderstall: Seit 30 Jahren unterstützt Haseldorfer Mäzen das Schleswig-Holstein Musik Festival auf besondere Weise.
Wer hätte vor einem Jahrhundert erahnen können, dass sich der simple Rinderstall im kleinen Örtchen Haseldorf einmal in einen Konzertsaal verwandelt würde – und zwar in einen regelmäßig ausverkauften? Wer hätte vermuten können, dass einmal Klassikfans Hunderte Kilometer anreisen, um hier genialen Konzerten auf Klappstühlen lauschen zu dürfen? Es ist schon ganz erstaunlich, was sich in den vergangenen 30 Jahren in Haseldorf entwickelt hat. Denn so lange ist es her, dass die Erfolgsgeschichte der kleinen Gemeinde als Spielstätte im Programm des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) ihren Anfang nahm.
Seither sind zahlreiche hochkarätige Künstler im Rinderstall aufgetreten, und sie alle erinnern sich zumeist sehr gern und gut an das kleine Marschdörfchen. Dieses Verdienst darf sich Udo Prinz von Schoenaich-Carolath-Schilden in der Hauptsache anheften. Auch wenn der Haseldorfer das nicht so gern tut. Denn der Mäzen bleibt lieber im Hintergrund, unterstützt das SHMF, dem er sich verpflichtet fühlt, in vielerlei Hinsicht. „Das liegt an der Erziehung. Wir machen das aber auch für die Region“, sagt er im Namen der Familie. Denn seine Vorfahren engagierten sich schon als Kulturmäzene. So bot Dichterprinz Emil von Schoenaich-Carolath-Schilden (1852–1908) dem Lyriker Rainer Maria Rilke mehrere Wochen lang das Gutshaus als Unterkunft an. Zu dieser Zeit entwickelte sich das Gut zu einem Treffpunkt für Literaten.
Auch dem heutigen Hausherren ist es daher eine Herzenangelegenheit, die Künstler, die in Haseldorf auftreten, zu bewirten. Wenn der Jubel verebbt, das Licht angeht und die Gäste in Scharren nach dem Konzert aus dem Rinderstall strömen, geht es im Nachbargebäude mit der Arbeit erst richtig los. Denn in Haseldorf ist es Tradition, dass die Künstler im Anschluss mit dem Prinzen den Abend ausklingen lassen.
Im einstigen Pferdestall steigt die Party. Seitdem der Fahrradhandel aus dem angrenzenden Gebäude ausgezogen ist, wird der Künstlertreff hier organisiert. Allein die Musiker, einige geladene Gäste und ein paar Helfer haben Zutritt. Stilecht ist der Stall an diesem Abend mit Zaumzeug geschmückt. Einige Gäste haben sich an den gedeckten Tischen bereits eingefunden. Zuvor hatten sie das umwerfende Konzert der Klarinettisten Sabine und Wolfgang Meyer, Reiner Wehle und Michael Riessler, begleitet von Pierre Charial an der Drehorgel, genossen. Die ungewöhnlichen Töne, die ans Paris der 20er-Jahre erinnerten, klingen nach. Die Stimmung ist ausgesprochen gut. Als die Künstler den Pferdestall betreten, brandet Applaus auf. Der Prinz empfängt sie an der Tür, geleitet sie zum Tisch. Direkt daneben befindet sich ein Stehtisch voller Tageszeitungen – eine weitere Tradition. Der Gutsherr fährt persönlich zum Flughafen und kauft für die Gäste Tageszeitungen, natürlich in ihrer Landessprache. In diesem Fall gibt es für Drehorgel-Star Pierre Charial, der nur Französisch spricht, „Le Figaro“. Für seine Gäste lässt der Prinz zudem immer die Landesflagge hissen. Da mittlerweile zahlreiche Künstler aus vielen Teilen der Welt gekommen sind, ist die Flaggensammlung enorm angewachsen. „Ich sage immer, wir haben mehr als die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft“, erklärt der Prinz.
Tickets fürs Festival
All das kommt an – auch beim Intendanten des SHMF. Christian Kuhnt ist an diesem Abend persönlich vor Ort. Erst hielt er eine kurze Ansprache zum Konzertbeginn und nun beim Künstlertreff. „Sie sind ein grandioser Gastgeber und Haseldorf ein ganz besonderer Ort“, lobt Kuhnt. So ist es wohl zu erklären, warum gleich fünf SHMF-Konzerte wieder in Haseldorf über die Bühne gehen – so viel wie nirgendwo anders im Kreisgebiet. Allerdings gab es in den bewegten 30 Jahren Zeiten, da waren sich der Intendant des SHMF und der Prinz nicht so einig wie heute, was sich in der Konzertanzahl deutlich niederschlug.
An diesem Abend wird aber bis weit nach Mitternacht zusammen im Pferdestall gesessen und die Kultur gefeiert. Zum Schluss gibt’s für jeden Künstler vom Prinzen noch ein Geschenk: eigens bei Niederegger bestellte Marzipantaler mit dem Festival-Emblem – ein süßes Andenken an Haseldorf.
