Pinneberg. Im Interview vor der Bürgermeisterwahl spricht Pinnebergs Verwaltungschefin Urte Steinberg über Macht, runde Tische, Geld und Kultur.

Seit fünfeinhalb Jahren ist Urte Steinberg Pinnebergs Bürgermeisterin. In ihrer Amtszeit hat sie sich viel um die Finanzen gekümmert, vor allem darum, die verschleppten Jahresabschlüsse abzuarbeiten. Ihre Gegner werfen ihr vor, dass sie nicht genug erreicht habe, vor allem nicht in puncto Schulsanierung. Nun tritt sie erneut zur Wahl an, unterstützt von CDU und FDP. Bislang haben sich keine weiteren Bewerber gemeldet, die Frist endet am 16. Juli. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt spricht die gebürtige Pinnebergerin über Führung, Krisen, ungelöste Probleme und darüber, warum im Rathaus 60 Stellen nicht besetzt sind.

Was interessiert Sie an der Macht?

Urte Steinberg : Es ist meine Aufgabe, die Verwaltung zu leiten, Vorlagen zu fertigen, Beschlüsse umzusetzen. Die Macht hat die Ratsversammlung, Entscheidungen trifft die Politik. Ich verbinde mein Amt nicht gern mit dem Wort „Macht“, sondern lieber mit den Worten „Team“ und „Lösungen finden“.

Warum nicht? Macht hat doch etwas Positives, wenn man sie gut nutzt.

Die Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein verleiht dem Bürgermeisteramt keine formale Macht. Der Landtag hat das so beschlossen. Ich bin beratend bei den Ratsversammlungen dabei, kann etwas beitragen oder richtigstellen, stimme aber nicht mit ab.

Was haben Sie unterschätzt?

Ich bin von Haus aus ungeduldig. Aber das, was in der Wirtschaft spätestens in einem Viertel- oder halben Jahr umsetzbar ist, das findet in der Verwaltung ganz andere Rahmenbedingungen. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, dass es völlig normal ist, dass zum Beispiel von der Notwendigkeit in die Neuschaffung einer Stelle und deren Besetzung ein Jahr oder auch mehr vergehen kann.

Gab es je einen Moment, in dem Sie hinschmeißen wollten?

Nein. Als man mich gefragt hat, ob ich Bürgermeisterin werden möchte, habe ich eine ganze Nacht lang überlegt. Seit ich mich aber dafür entschieden habe, bleibt es für mich dabei. Ich fühle mich den Wählerinnen und Wählern verpflichtet. Ich habe keinen Grund gesehen, aufzuhören. Wenn Dinge nicht gut laufen – das gehört dazu. Es heißt, für meinen Job müsse man ein dickes Fell haben. Ich weiß gar nicht, ob ich eines habe. Ich habe aber Verständnis für andere Menschen. Jeder sagt schließlich Dinge aus seinem Blickwinkel, der sich dem anderen möglicherweise nicht gleich erschließt.

Zur Person

Urte Steinberg, 59, wurde in Pinneberg geboren, wo sie 1977 Abitur machte. Sie hat zwei Kinder. Bei der Sparkasse Südholstein wurde sie zur Bankkauffrau und Sparkassenbetriebswirtin ausgebildet.

Zunächst arbeitete sie in Filialen, danach war sie zwölf Jahre für Kredite zuständig. Daraufhin wechselte sie ins Controlling und dann ins Multiprojekt-Management. Dort war sie verantwortlich für die Entwicklung neuer Vertriebs- und Verwaltungsstrukturen.

Urte Steinberg war von 1998 an Referatsleiterin im Vorstandsstab der Sparkasse Südholstein, dann für Unternehmenskommunikation. Seit 2013 ist sie Bürgermeisterin.

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Wie führen Sie?

Mein Ziel sind runde Tische mit allen Beteiligten. Um Sachverhalte zu klären, dann zu gucken, was zu tun ist, Aufgaben zu verteilen und zum vereinbarten Termin wieder zusammenzukommen, um alles Nötige zu klären. Ich entscheide dann am liebsten im Konsens. Schwierig wird es, wenn zwei Personen aufeinander treffen, die extrem unterschiedliche, tiefe, innere Überzeugungen haben. Führung heißt für mich auch, für bessere Kommunikation und eine neue Kultur zu sorgen.

Wie viele Führungspositionen wurden in Ihrer Amtszeit neu besetzt?

Seit Anfang 2013 haben wir 14 Führungs- beziehungsweise Schlüsselpositionen neu besetzt. Es gibt kein neues Team in diesem Sinne, aber ein tolles und sehr engagiertes Rathausteam, das sich stellenweise verjüngt oder erneuert hat, wie in anderen Betrieben auch.

Wie viele Stellen in der Pinneberger Verwaltung sind frei?

Stand 31. Mai 2018 waren es in der Kernverwaltung 39,01, im Kommunalen Servicebetrieb 20,71.

Woran liegt das?

Gegenfrage: Woran liegt es, dass so viele Pflege- und Ingenieurstellen nicht besetzt sind? Uns geht es wie so vielen anderen Branchen auch: Der Markt ist nahezu leer, in der freien Wirtschaft wird vielerorts sehr viel mehr gezahlt als in der Verwaltung. Da ist es nicht so leicht, freie Stellen neu zu besetzen.

Wie lässt sich das ändern?

Tatsächlich müssen wir noch mehr Stellen schaffen, weil wir in manchen Bereichen an und über die Leistungsgrenze hinaus arbeiten. Allein für dieses Jahr haben wir beispielsweise in der Kernverwaltung 20 neue Stellen geschaffen, in den vergangenen Tagen acht davon ausgeschrieben. Das geht nicht einfach so. Eine Verwaltung hat sich an strikte Vorgaben zu halten. Vorab müssen Stellen über einen Stellenplan von der Politik genehmigt sein, beschrieben, bemessen und bewertet werden und so weiter. Danach folgt das Ausschreibungsverfahren, dann das Besetzungsverfahren. Bis die Stelle besetzt ist, vergehen weitere Monate, da Kündigungsfristen eingehalten werden müssen. In der Regel vergeht mehr als ein Jahr, bis eine neue Stelle besetzt sein kann.

Was ist mit dem Etat für die unbesetzten Stellen? Wofür wird dieses eingeplante Geld ausgegeben?

Ganz einfach: Der Etat bleibt ungenutzt, und das Geld wird nicht ausgegeben.

Die Ansiedlung von Gewerbetreibenden ist Ihr primäres Ziel. Um welche Summe wurden die Gewerbesteuereinnahmen in Ihrer Amtszeit gesteigert?

Gehen wir doch noch weiter zurück. 2010, zwei Jahre vor meiner ersten Wahl, lagen die Einnahmen aus Gewerbesteuern bei 9,9 Millionen Euro. 2011 stiegen sie auf 13,8 Millionen, 2013 auf 17,2 Mio, 2015 gab es leider einen Einbruch auf 14,1 Millionen, und 2017 lagen wir bei 19,3 Millionen Euro, so die aktuellen Zahlen.

Der Verkauf des ehemaligen Kasernengeländes, auf dem heute die Parkstadt Eggerstedt steht, und die beiden Grundstücke am Westring ergeben 15,3 Mio Euro an Einnahmen. Die Einstandskosten für die Stadt beliefen sich auf 5,6 Millionen Euro. Wenn das Kasernengelände erst vollständig durch die Firmen bebaut ist, werden wir auch noch mehr Gewerbesteuer-Einnahmen erzielen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Gebiete Müssentwiete, Ossenpadd, Rehmenfeld, Gehrstücken-Süd und das ehemalige ILO-Gelände – alles Flächen, die in den letzten fünf Jahren neu angefasst wurden und kräftig weiterentwickelt werden sollen. Pinneberg braucht dringend mehr Einnahmen. Die Saat dafür ist durch politische Beschlüsse seit 2013 gelegt worden.

In der Pinneberger Drostei finden Konzerte, Ausstellungen und Lesungen statt. Aber sonst ist Pinneberg tendenziell kulturelles Niemandsland. Welche Rolle könnte die Ernst-Paasch-Halle als künftiges Kulturzentrum spielen? Warum ist Ihnen das wichtig?

Wir sind doch kein Niemandsland. Ja, wir haben keine Elphi, keine Oper und kein Theater im Hafen. Wir bieten trotzdem viel Kultur. Nur anders. Im Übrigen: Wir haben sogar eine Musical-Schule. Und zu Ihrer Frage: Die Ernst-Paasch-Halle ist eines der wenigen alten Gebäude, die echte Tradition in sich tragen. Es wäre schade, wenn Pinneberg das nicht würdigen würde, denn wir haben hier nur wenige geschichtsträchtige Häuser. Diese Halle ist ein Stück Industriegeschichte, weil die Firma Wupperman sie als Sporthalle gebaut hat. Neben der Drostei, die den Fokus auf zeitgenössische bildende Kunst, Alte Musik und Kammermusik richtet und immer wieder auch mit besonderen Formaten Kinder und Jugendliche erreicht, brauchen wir einen Ort, der für unsere Theatervereine, Chöre oder Kleinkunst eine Heimat wäre. Das täte der Stadt gut, denn Kultur lebt von der Vielfalt des Angebots. Wenn wir nebenbei auf dieser Bühne dann noch andere Sachen hinbekämen, wäre das top. Ohne Kultur sind wir Menschen nichts. Nur wenn man sie bewahrt, wenn Kultur sich zeigen kann, erhält sie sich auch!