Haselau. Tischlermeister hat 2014 Telegrafenmast aufgestellt. Nistmöglichkeit wurde sofort von den ansonsten scheuen Vögeln angenommen.

Den Storchenvater merkt man Rolf Thomsen auf den ersten Blick nicht an. Monologe über die bedrohte Natur sind ihm fremd. Stapelweise Fachliteratur ist bei dem Haselauer auch nicht zu finden. Thomsen ist ein Mann der Tat. Er hat einfach ein Händchen für die sensiblen Tiere. 2014 hat er einen Mast mit einem Storchennest aufgestellt, und ein Jahr später wurde das Nest bezogen. Seitdem haben Rosalie und Robert – so haben der Storchenvater und seine Gattin Gabriele die Glücksbringer getauft – kontinuierlich für Nachwuchs gesorgt.

Die Zuneigung zu dem Federvieh hat im ganz Kleinen ihren Anfang genommen. Gabriele Thomsen mag Vögel und wollte sie mit Nisthilfen in den heimischen Garten locken. Ihr Mann, Tischlermeister von Beruf, machte sich ans Werk, und so entstanden ganz unterschiedlich gestaltete Vogelkästen in verschiedenen Größen. 24 Nisthilfen haben mittlerweile ihren Platz im Garten an der Haseldorfer Chaussee ihren Platz gefunden. Unter anderem Stare, Spatzen und Meisen ziehen ihre Jungen groß – und ein Specht hat sein Zuhause in einem Baum der Thomsens gefunden.

Gabriele und Rolf Thomsen mit Storch Robert
Gabriele und Rolf Thomsen mit Storch Robert © HA | Thomas Pöhlsen

Vor gut vier Jahren kam dem Tischlermeister dann „ein Telegrafenmast unter“. Sofort war klar: Der wird im Garten aufgestellt, und es kommt ein Korb darauf, in den die Störche ihr Nest bauen können. Bereits 2015 wurde die neue Heimat von einem Schreitvogelpaar besetzt. Sie brüteten jedoch nicht. „Vielleicht waren sie noch zu jung“, spekuliert Thomsen. Das Wissen über Adebar eignete er sich hauptsächlich über Gespräche mit anderen Fachleuten an. Sein neues Hobby hatte sich schnell rumgesprochen.

Zwei Junge wurden 2016 groß gezogen. 2017 schlüpften vier Küken, das schwächste wurde von den Eltern aus dem Nest geschmissen. „Vier Jungtiere hätten die Eltern wohl nicht durchgebracht“, vermutet der Storchenvater. Aus den vier Eiern, die Rosalie in diesem Jahr gelegt hat, schlüpften nur drei.

„Es ist nicht ungewöhnlich, dass Storcheneltern ein Junges aus dem Nest schmeißen“, erklärt Uwe Helbing, Nabu-Schutzgebietsbeauftragter des Naturschutzgebietes Haseldorfer Binnenelbe. „Wenn sie merken, sie bekommen nicht alle durch, ist es besser, eines zu opfern, als dass der ganze Wurf nicht überleben kann.“ Dabei gibt es in den Elbmarschen mit den Feldern und Teichen ideale Möglichkeiten für die Allesfresser. An einem Tag im Frühjahr hat Rolf Thomsen gut ein Dutzend Störche auf einer Weide beobachtet.

Die Thomsen-Störche bilden mit ihrem regelmäßigen Nachwuchs eine Ausnahme. Elf Nistmöglichkeiten gibt es in der Haseldorfer Marsch, doch nur zwei sind aktuell belegt. Neben dem Haselauer Paar gibt es noch eins in Hetlingen, das erfolgreich gebrütet hat. „Die Tiere sind sehr sensibel“, sagt der Nabu-Mann. Immer wieder kommt es vor, dass Storche ein Nest inspizieren, sich dann jedoch nicht niederlassen. „Manchmal sorgen schon kleinste Veränderungen dafür, dass ein Nest nicht mehr angenommen wird“, sagt Helbing. Auf einem Hetlinger Bauernhof brüteten jahrelang erfolgreich Storchenpaare. Dann gab es auf dem Hof bauliche Veränderungen – und die Storche ließen sich nicht mehr blicken.

Zufüttern? Besser nicht!

Umstritten ist unter den Storchenfreunden das „Zufüttern“. Als Robert im Februar aus dem Winterquartier nach Haselau kam, lag überall noch Schnee und Eis, berichtet Storchenvater Rolf Thomsen. Ein Nachbar, der sich auch um das Nest kümmere, habe dann Fisch zugefüttert.

„In solchen Sondersituationen ist das Zufüttern in Ordnung“, sagt Uwe Helbing, Nabu-Schutzgebietsbeauftragter des Naturschutzgebietes Haseldorfer Binnenelbe. Ansonsten tue man den Tieren damit keinen Gefallen. Angesichts des üppigen Nahrungsangebotes seien die Störche schon in mehreren Fällen nicht mehr in ihr Winterquartier geflogen.

Folge: Die Hiergebliebenen besetzten die Nester. Starke Tiere, die den langen Weg ins Winterquartier und zurück geschafft haben, könnten sich nicht fortpflanzen.

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Rosalie und Robert haben sich an die Umgebung in Haselau gewöhnt. In unmittelbarer Nähe verläuft eine vielbefahrene Straße, der Bauer ist mit dem Trecker auf seine Feld unterwegs, und einmal im Jahr feiern die Thomsens mit Nachbarn und Freunden ein Storchenfest – „das stört die beiden nicht“, sagt Rolf Thomsen.

Bleiben einige Horste unbesetzt, so gibt es immer wieder Streit um gute Nester. So musste sich ein Weibchen auf dem Hetlinger Horst am Grünen Damm des Angriffs eines Paares erwehren. „Immer wieder wurde zugehackt, es floß das Blut“, berichtet der Storchenvater. Schließlich konnte die Nestbesitzerin die Eindringlinge vertreiben, doch die Eier im Gelege waren bei dem Kampf zerstört worden.

Mit einer Webcam wollen die Thomsens immer aktuelle Bilder aus „ihrem“ Nest haben. Das klappt allerdings nicht immer. Einmal fiel die Kamera aus, kurz nachdem Rolf Thomsen sie installiert hatte. Er baute sie wieder ab und brachte sie in die Reparatur. Doch als sie wieder aufgebaut werden konnte, war das Nest schon von Robert besetzt worden. In diesem Jahr macht ein anderes Malheur die Bilder aus dem Nest zwar nicht unmöglich, jedoch können die Zuschauer nur einen kleinen Ausschnitt der Szenerie erkennen. Im Liebesrausch war Rosalie auf das Kameragestell geflattert und Robert ihr hinterher. Das Tun der beiden Vögel ließ die Kamera und damit das Blickfeld verrutschen. Jetzt können die Thomsens nur noch sehen, was sich direkt am Boden des Nestes abspielt.