Bönningstedt/Hamburg. Große Aufregung über eine erteilte Baugenehmigung, die die Gemeinde Bönningstedt und Anwohner jetzt völlig überrascht hat.

Böse Absicht oder nur Behörden-Schlamperei? In Bönningstedt ist die Aufregung über eine Baugenehmigung für einen 42 Meter hohen Mobilfunkmast groß, der Ende 2017 im Bönningstedter Weg an der Landesgrenze zu Hamburg errichtet wurde, ohne dass die Anwohner vorher davon erfuhren.

Denn der Bauantrag vom August 2016 soll auf dem Postweg zwischen der Kreisverwaltung Pinneberg und der Stadtverwaltung Quickborn, die Bönningstedt seit 2013 verwaltet, verschwunden sein. Darum hat sich der Bauausschuss der Gemeinde nicht damit befasst – und das gemeindliche Einvernehmen wurde somit automatisch erteilt.

Damit wollen sich die direkten Anwohner in Schnelsen nicht abfinden. Sie fordern eine rückhaltlose Aufklärung dieser Behördenposse und haben Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt, wie ihr Sprecher Heinrich Flügge sagt. Zudem haben sie jetzt Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingereicht, wie Kreissprecher Oliver Carstens bestätigt.

„Wir wollen, dass der Funkmast wieder abgebaut wird“, sagt Ralph Kesler, der keine 20 Meter von dem Funkmast entfernt wohnt. Seine Frau Aysa sagt mit dem drei Monate alten Säugling Balin auf dem Arm: „Das ist alles ganz furchtbar. Hier können wir mit dem Kind doch gar nicht mehr wohnen. Was tut man dem Jungen an!“ Sie und ihr Mann fürchten sich vor den elektromagnetischen Strahlen des Funkmastes, die insbesondere bei Kindern als gesundheitsgefährdend gelten.

Verwaltungen schieben sich den Schwarzen Peter zu

Notfalls würden die Anwohner klagen, kündigen sie an. Sie wollen unbedingt verhindern, dass der Antennenmast der Deutschen Telekom wie geplant im Herbst 2018 in Betrieb geht.

Die Verwaltungen schieben sich den Schwarzen Peter gegenseitig zu. Der Bauantrag der Telekom sei Ende August 2016 an die Stadtverwaltung Quickborn geschickt worden. „Dies ist bei uns auch so dokumentiert und lückenlos nachvollziehbar“, betont Kreissprecher Carstens. Jeder Sachbearbeiter notiere den Postausgang mit Adressat und Datum auf der Durchschrift oder Kopie des Schreibens.

Doch in Quickborn sei es „nie angekommen“, versichert Michael Görres, dort zuständig für die Bönningstedter Belange. Auch wenn er so etwas in seiner langen Beamtenlaufbahn noch nicht erlebte, der Bauantrag sei in Quickborn erst viel später aufgetaucht. Erst im Frühjahr 2017 habe sich eine Mitarbeiterin des Kreisbauamtes erkundigt, warum denn nicht über das gemeindliche Einvernehmen entschieden worden sei.

Doch da sei es längst zu spät gewesen, erklären Görres und Carstens. Denn nach zwei Monaten ende die Einspruchsfrist und der Bauantrag werde so bewertet, als ob die Gemeinde dem Projekt „fiktiv“ zugestimmt habe – auch wenn die politischen Gremien darüber nie beraten haben. Das Malheur sei zwar ärgerlich, sagt Görres. Aber es ändere nichts an dem Rechtsanspruch des Investors, was Kreissprecher Carstens bestätigt.

Gesetzeskonform

Der neue 42 Meter hohe Mobilfunkmast in Bönningstedt solle im Herbst 2018 in Betrieb gehen, teilt Telekomsprecherin Stefanie Halle mit. Er werde über einen Radius von 750 Metern die Mobilfunkkunden in Bönningstedt, Schnelsen und Niendorf versorgen. Die Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken entsprächen den gesetzlichen Vorgaben der Landesbauordnung, betont die Telekomsprecherin. „Wir haben eine gültige baurechtliche Genehmigung.“

Ein alternativer Standort wäre aus Gründen des Naturschutzes und der nötigen Abdeckung und Zuwegung der Stromversorgung nicht möglich gewesen. „Mobilfunk ist eine sehr sichere Technologie“, betont Stefanie Halle. Die elektromagnetische Strahlung hielte die gesetzlichen Vorgaben ein, die insbesondere auch ältere Menschen und Kinder schützen solle.

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Denn da sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche, auf der der Funkmast errichtet wurde, im Außenbereich befinde, sei das Bauvorhaben als privilegiert einzustufen und eine Baugenehmigung sei nicht zu versagen – ganz egal, ob die Gemeinde Bönningstedt nun beraten, dem Funkmastbau zugestimmt oder ihn abgelehnt hätte. „Rein planungsrechtlich hatten wir ohnehin keine Handhabe gegen den Bau des Funkmastes in Bönningstedt“, betont Görres, erleichtert, dass das Versäumnis, den Bauantrag nicht vorher von der Gemeinde Bönningstedt behandelt zu haben, keine Auswirkungen auf die Rechtslage gehabt habe.

Das wird in Bönningstedt etwas anders gesehen. Dort wurde passend zum seit Jahren politisch vergifteten Klima jüngst auf der Bauausschusssitzung, zu der die Anwohner aus Schnelsen eingeladen waren, Bürgermeister Peter Liske unterstellt, er habe das Thema absichtlich unter den Tisch fallen lassen.

Doch Liske versichert, erst im Mai 2017 von einer neuen Sachbearbeiterin in Quickborn von dem Bauantrag erfahren zu haben, als die Genehmigung durch den Fristablauf Ende Oktober 2016 schon rechtsgültig war. „Warum hätte ich das auch tun sollen. Der Bauantrag hätte von uns ohnehin nicht verhindert werden können.“ Im Übrigen wäre auch der Bauausschussvorsitzende, ein CDU-Politiker, von der Quickborner Verwaltung darüber informiert worden, der davon aber auch keine Kenntnis gehabt habe.

Für die betroffenen Anwohner ist das alles nicht nachzuvollziehen. Einige mutmaßen sogar, dies könnte die Retourkutsche der Gemeinde Bönningstedt dafür sein, dass Schnelsen in der Feldmark zu Bönningstedt zahlreiche Wohnungen errichten will, was bereits seit 20 Jahren ein großer Streitpunkt zwischen der Gemeinde mit dem Nachbarstadtteil Hamburgs ist. „Das ist doch völliger Quatsch“, wundert sich Bürgermeister Liske über diese „Verschwörungstheorie“.

Dass die Rechtslage so eindeutig sei, wie die Verwaltungen behaupten, glauben die Anlieger nicht und wollen das auch notfalls juristisch ausfechten. Für Birgit Flügge müsse dabei untersucht werden, warum beim Bau des Funkmastes der Schutz der Vögel wichtiger zu sein scheine als der der Menschen, die nur 17 Meter entfernt lebten. „Der Mast hätte doch ohne weiteres auf dem Acker einige Hundert Meter entfernt Richtung Wald oder Autobahn errichtet werden können.“