Wedel. Kieler Umweltminister stellt sich hinter Vattenfall-Gutachten. Hamburger Senator Kerstan will 2022 Ende des Wedeler Meilers.
Zwei ganz unterschiedliche Botschaften zum Vattenfall-Kohlekraftwerk haben die beiden Chefs der Umweltressorts Schleswig-Holsteins und Hamburgs während eines Wahlkampfauftrittes für ihre Partei, die Grünen, in Wedel überbracht. Eine Absage an die Adresse der Nachbarn der partikelspuckenden Anlage gibt es vom Kieler Minister Robert Habeck. Hoffnung macht der Hamburger Senator Jens Kerstan, dass das Kraftwerk 2022 für die Wärmeversorgung nicht mehr benötigt wird. Mehr als 70 Zuhörer drängen sich im Foyer des Theaters, um mit den beiden Regierungsmitgliedern bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt zum Kraftwerksthema zu diskutieren.
Kritik von BI-Sprecherin an Habeck-Aussagen
Auf die neuerlichen Ätzschäden an Autos und Terrassen im Umkreis des Kraftwerks hat die Wedeler Grüne Petra Kärgel den Kieler Minister angesprochen. „Wer das neue Gutachten von Vattenfall genau liest, der erfährt, dass immer noch Probleme da sind“, sagt sie. Habeck aber stellte sich voll hinter die Vattenfall-Argumentation. „Es gibt Ausscheidungen, aber die sind nicht so sauer. Schäden sind nicht nachweisbar. Mit einfachen Reinigungsmitteln sind die Partikel normal abzuwaschen“, antwortet er.
Warum sich das seinem Ministerium unterstehende Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) weigert, die Ursache der Verschmutzungen zu ermitteln, will ein Vertreter des Hamburger Energietisches wissen. „Die Lackschäden kommen nicht vom Kraftwerk“, entgegnet der Minister. Es sei nicht Aufgabe des LLUR, herauszufinden, woher die Verätzungen kämen. „Die Grenze ist erreicht, wir haben ein sicheres Gutachten“, sagt Habeck. Eine Klärung müsse im zivilrechtlichen Bereich gesucht werden.
Beide Antworten des Ministers werden von den Zuhörern mit Applaus quittiert. Karin Lueckow, Sprecherin der Bürgerinitiative gegen das Wedeler Kohlekraftwerk, die selbst nicht an der Veranstaltung teilgenommen hat, verweist auf Nachfrage auf ältere und neuere Gutachten, die zu gleichen Ergebnissen kämen. Vor der Revision im Sommer 2017 hatte Vattenfall die Rechnungen beglichen, nach der Revision nicht mehr.
„Alle Vorschriften für das Kohlekraftwerk werden eingehalten, die Werte deutlich unterschritten“, sagt Habeck. Aus seiner Sicht gibt es keine rechtliche Handhabe zur Stilllegung. Die versucht die Wedeler Bürgerinitiative gerade mit einer Klage beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig zu erreichen. Eine Stilllegung ist für Habeck nur auf dem politischen Weg nötig.
Hölck-Anfrage
Und dazu gibt der Hamburger Umweltsenator Auskunft. Kerstan verweist auf seinen Plan, die Fernwärme zukünftig dezentral zu erzeugen, etwa durch die Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm, von zwei Industrieunternehmen, einem Biomassekraftwerk, dem Heizwerk Haferweg sowie der Wärmepumpe Dradenau. Dazu muss eine Fernwärmeleitung unter der Elbe gebaut werden. „Wir sind kurz vor dem Ziel“, so Kerstan. Anfang 2019 soll das Planfeststellungsverfahren beginnen, zur Heizperiode 2021/22 die Umstellung erfolgen, Wedel also vom Wärmenetz gehen können. Auf Nachfrage gibt Kerstan zu, dass es Verzögerungen geben könnte, sollten die Pläne auf dem Gerichtsweg beklagt werden. Dass sein Vorhaben an den Verhandlungen mit Vattenfall über die Übernahme der Hamburger Energienetze scheitert, sieht er nicht. Er verweist zudem auf neue Schadstoffklassen, die EU-weit ab 2022 gelten. Wedel müsste „noch mal nachgerüstet werden“.
„Vor zwei Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten“, lobt Habeck die Pläne des Parteifreundes. Den Zeitplan hält er für „sportlich“.
„Ein Anschluss des Kraftwerks Moorburg ans Wärmenetz wäre Gift für den Klimaschutz“, antwortet Kerstan einem Zuhörer, der die Vattenfall-Anlage ins Gespräch bringt. Das Kraftwerk könnte dann erst in 20, 30 oder 40 Jahren abgeschaltet werden. Eine Absage erteilt er dem Angebot von Vattenfall, Moorburg als Übergangslösung ans Netz anzuschließen. Erklärtes Ziel Hamburgs ist es, ab 2025 nicht mehr mit Kohle zu heizen, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu reduzieren.
„Wir bräuchten eine Bundesregierung, die mit der Wirtschaft den Ausstieg aus der Kohle vereinbart“, trauert Kerstan den gescheiterten Jamaika-Koalitionsverhandlungen im Bund nach.