Wedel . Anwohner kämpfen jetzt auf eigene Faust für die Reparatur ihrer verätzten Autos. Sie sammeln Spenden für Partikeluntersuchung.
Es klingt schon ein wenig nach Wildwest, was die Wedeler an der Landesgrenze zu berichten haben. Es geht einmal mehr um das alte Steinkohlekraftwerk in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft und vor allem um die Partikel, die es seit geraumer Zeit ausstößt. Inwieweit diese Partikel Schäden verursachen, darum ringen die Anwohner mit dem Kraftwerksbetreiber Vattenfall und der Aufsichtsbehörde des Landes, dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), seit Monaten. Gutachter wurden bemüht, Anwälte haben viele Briefe und E-Mails ausgetauscht.
Aufsichtsbehörde erkennt Verbesserung der Situation
Den Anwohnern reicht es. Sie nehmen die Sache nun selbst in die Hand. So hat die Wedeler Bürgerinitiative (BI) erneut eine Klage beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig eingereicht. Die betroffenen Wedeler wollen damit den Entzug der Betriebsgenehmigung erwirken. Denn aus ihrer Sicht ist es dem Betreiber nicht gelungen, die ätzenden Partikelausstöße auf ein zumutbares Maß zu verringern, wie es die Aufsichtsbehörde angeordnet hatte. Das sieht das LLUR anders. Die Situation sei zwar nicht befriedigend, aber es sei seit August 2017 im Vergleich zum Vorjahr durchaus eine Verbesserung der vorgefundenen Partikel in quantitativer und qualitativer Form zu erkennen. Nun muss das Gericht entscheiden, wer hier richtig liegt.
Auch in einem anderen Punkt wollen die Anwohner sich nicht länger auf die Aussagen der Aufsichtsbehörde des Landes verlassen. Sie wollen nun selbst die Ursache für die an ihren Autos entstandenen Schäden untersuchen lassen und haben dafür eine Spendenaktion ins Leben gerufen, mit der sie das nötige Geld für eine genaue Untersuchung der Schäden bezahlen wollen. Crowd-funding ist das Stichwort. Dahinter verbirgt sich die Methode, mittels einer Gruppenfinanzierung zu stemmen, was der Einzelne nicht vermag. Sprich: Die Bürgerinitiative setzt auf Unterstützung anderer Norddeutscher, um die benötigten 5000 Euro zur Untersuchung von drei betroffenen Motorhauben zusammenzubekommen.
Ausgerechnet über das Portal des Landes Schleswig-Holstein „Wie bewegen SH“ bewirbt die Initiative nun ihr Anliegen – „PKW-Schäden in Wedel untersuchen“. „Eigentlich ist das nicht unsere Aufgabe, sondern die der Aufsichtsbehörde“, sagt Kerstin Lueckow als Sprecherin der BI. „Aber es macht ja nun einmal keiner. Deshalb machen wir es.“ Das sei nichts Neues, so Lueckow weiter. „Alles bleibt an uns hängen. Das war schon immer so. Darauf spekuliert man wohl, damit wir irgendwann aufgeben.“
TÜV hat die betroffenen Autos nicht untersucht
Die Aufsichtsbehörde LLUR hatte sehr wohl eine Untersuchung der Partikel angeordnet. Allerdings wurden keine betroffenen Motorhauben bei dem Versuch verwendet, sondern das Problem wurde nachgestellt. Der TÜV hatte bei dem fünftägigen Versuch aus dem Schornstein entnommene Partikel mit Wasser auf Motorhauben aufgebracht und unter einem überdachten Unterstand gelagert. Anschließend wurden die Schäden untersucht. Ergebnis: Die aufgetretenen Schäden ließen sich mit handelsüblicher Lackpolitur entfernen, zumutbar für die Anwohner.
Heinz und Lisa Schnier können da ganz anderes berichten. Obwohl seit August 2017 aufgrund der verschärften Anordnung und laut dem TÜV-Gutachten keine ätzenden Lackschäden auftreten dürften, beklagen sie genau diese. Im Dezember 2017 fielen dem Wedeler Paar die kleinen Pickel im Lack ihres braunen Skoda auf. „Erst sah es noch gar nicht so schlimm aus“, sagt Heinz Schnier, doch dann brachen die Pickel auf. „Der Wagen ist in einem furchtbaren Zustand.“ Seit Februar kämpfen sie mit Vattenfall um die Reparatur. Ihr eigener Gutachter wurde nicht anerkannt. Dann ließen die Schniers den Gutachter von Vattenfall kommen.
Grünen-Gipfel
Der habe sich vor Ort sehr ähnlich wie der selbst in Auftrag gegebene Gutachter geäußert: tiefe Lackschäden, die sich nicht durch eine einfache Wäsche oder Politur entfernen ließen. Doch dann kam die Absage von Vattenfall mit Bezug auf das Gutachten. Zwar werden dem Auto punktuelle Verätzung wahrscheinlich durch ein saures Medium bescheinigt, allerdings wird dann folgende Konsequenz gezogen: Es könne sich nicht um Schäden aus dem Kraftwerk handeln, da so punktuelle Zerstörungen bisher nicht bekannt seien. Merkwürdig: In einem von Vattenfall noch 2016 bezahlten Fall wurde bei einem ebenfalls braunen Skoda in dem damaligen Gutachten „punktuelle Lackbeschädigungen durch Industrieverunreinigungen (Glutteile, Säure, Lauge)“ attestiert.
„Es kann wohl nicht sein, was nicht sein kann“, sagt Lueckow kopfschüttelnd. Schniers wollen sich das nicht gefallen lassen und sich ebenfalls juristisch zu Wehr setzen. „So geht das nicht weiter“, sagt Heinz Schnier und meint: „Das ist Betrug.“