Pinneberg. Kocht ein Pinneberger den HSV zum Wunder? Die Profis speisten auf Kosten von Papadopoulos im Thessaloniki – und siegten.
Im Topf blubbert ein gut gewürztes Süppchen. Auf dem Grill zischt das frische Lammfilet. Dimitrios Pardalis hetzt zwischen Töpfen und Pfannen hin und her. In der engen Küche des Restaurants Thessaloniki geht es hektisch zu. Schnell muss er sein, der Chefkoch. Technisch versiert. Und ein Mannschaftsspieler. Genau wie die Gäste, die Pardalis kürzlich in seinem Gastraum in Pinneberg bekochen durfte. Denn da hatten die fast hoffnungslos im Abstiegssumpf steckenden Profis des HSV ihre teuren Schlitten vor dem Restaurant am Wedeler Weg abgestellt, um sich auf das Wunder Klassenerhalt einzuschwören. Was folgte? Ein Sieg.
Gemeinsam essen, lachen und den Teamgeist entwickeln, der schier Unmögliches möglich machen soll – so der Gedanke hinter dem kulinarischen Auswärtsspiel in Pinneberg. Klappte prima: Drei Tage später sahen die staunenden Fans im Volksparkstadion eine furios aufspielende Mannschaft, die nach zuvor 15 sieglosen Spielen den Tabellenzweiten Schalke abfertigte. Einen wirbelnden Tatsuya Ito, einen treffenden Philip Kostic und einen Aaron Hunt, der die Lederkugel kurz vor Schluss mit 100 Stundenkilometern in den Winkel zimmerte.
Womöglich wird der Besuch bei Dimitrios nach diesem Erfolg nun sogar zur Tradition. Vor dem nächsten Heimauftritt gegen Freiburg wollen die Profis jedenfalls wieder nach Pinneberg kommen – um anschließend den nächsten Dreier einzufahren. Hintergrund ist das noch nachzuholende zweite Essen, das am Dienstag wegen der Erkältung von Papadopoulos ausgefallen war. Aber auch für darauffolgenden Wochen wurde bereits über weitere Abende im Thessaloniki gesprochen.
Das Abendblatt fragte bei Pardalis nach, was er den Rothosen ins Essen tut, um den drohenden Abschied aus der Fußball-Bundesliga noch zu verhindern. Ein Geheimrezept verrät der Koch noch nicht. „Beim letzten Mal gab es Lammfilet, Octopus und mit Schafskäse gefüllte Calamari, für die Jungs eben nur das Beste“, erinnert sich der Küchenmeister (60), der sein Restaurant vor fünf Jahren an seine heute 26 Jahre alte Tochter Polydora übergeben hat, aber weiterhin die Kelle schwingt. Extrem gelöst sei die Stimmung bei dem Mannschaftsabend in Pinneberg gewesen. Dimitrios Pardalis schreibt das nicht zuletzt dem neuen HSV-Trainer Christian Titz zu. „Ein ruhiger, sehr angenehmer Mensch.“ Der HSV war vor dem Schalke-Spiel mit sämtlichen Betreuern in Pinneberg angerückt.
Die Frage, warum die Startruppe ausgerechnet nach Pinneberg düste, um Teamgeist zu entwickeln, ist schnell beantwortet. Kyriakos Papadopoulos ist schuld. Er hatte den 44-köpfigen HSV-Tross ins Thessaloniki gebeten. Papadopoulos entschuldigte sich mit dem Essen für seinen verbalen Ausrutscher nach der Niederlage gegen Hertha BSC In dem ersten Spiel unter Cheftrainer Titz war der Grieche nicht zum Einsatz gekommen – und hatte anschließend frustriert am Trainer rumgemäkelt.
Zwei Heimspiele
Der wegen seiner robusten Spielweise von vielen Fans gefeierte Grieche ist schon seit Langem Stammgast im Thessaloniki. Eines belegt die Wahl des Pinneberger Restaurants fraglos: Abwehrkante Papadopoulos, den alle nur „Papa“ nennen, ist trotz fürstlichen Bundesliga-Gehalts ein bodenständiger Kerl geblieben. Im Thessaloniki gibt’s nämlich kein Schickimicki, stattdessen klassische Küche und eine familiäre Atmosphäre. „Er kommt alle zwei, drei Wochen zu uns, oft mit seinen zwei Brüdern “, sagt Chefkoch Pardalis. „Und er ist immer gut drauf, erfüllt stets alle Autogrammwünsche.“
Mit „Papas“ Papa auf dem Fußballplatz gestanden
Den Seniorchef des Thessaloniki verbindet übrigens schon seit Kindheitstagen eine Freundschaft mit dem Vater von Kyriakos Papadopoulos. Die beiden gingen in Griechenland zusammen zur Schule. In der Heimatstadt Katerini kickten Dimitrios und der kleine Nikos regelmäßig gemeinsam. Der Papa von „Papa“ sei auf dem Platz ein ganz anderer Typ als sein fürs Grätschen bekannter Sohn gewesen, erinnert sich der 60-Jährige. „Das war ein Techniker, überhaupt nicht vom Ball zu trennen.“
Wenn seine Rothosen heute in Hoffenheim antreten, um wichtige Punkte gegen den Abstieg aus der Bundesliga zu sammeln, wird Dimitrios Pardalis mitfiebern. Er ist überzeugt, dass der HSV die derzeit fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz noch aufholen und das Wunder doch noch schaffen kann. Drei Siege, zwei Unentschieden – so die Rechnung des 60-Jährigen. Tochter Polydora hat derweil schon mal das aktuelle HSV-Trikot übergestreift. Wenn sie in den kommenden Wochen erneut auftischt, wird es traditionelle Gerichte geben. Das haben sich die Kicker gewünscht. „Sie haben zum Abschied gefragt, warum es kein Bifteki, Gyros und Souvlaki gab“, erinnert sich der Chefkoch – und grinst. „Bekommen sie beim nächsten Mal natürlich.“
Dass es so gestärkt in Richtung Klassenerhalt geht, daran hat Dimitrios Pardalis, der sein Restaurant am Wedeler Weg vor 22 Jahren eröffnete, überhaupt keinen Zweifel. „Das ist reine Kopfsache“, sagt er. Und im Kopf stimme es jetzt. „Der HSV bleibt in der Liga.“ Spricht’s und verschwindet in der Küche. Die Kelle in der Hand.