Elmshorn. Die 71 Jahre alte Elmshornerin hat immer für ihren Verein gelebt. Jetzt droht der Abstieg und sie schließt ihn in Abendgebete ein.

In der Wohnung von Anke Witt ist es hell und freundlich. Sammelfiguren stehen auf einem Tischchen, Blumen auf dem Esstisch. Ein kleiner blauer Dino sitzt neben dem Sofa auf einem Regal, gleich daneben noch einer. Und aus den Bilderrahmen lächeln dem Besucher Anke Witt und ihre Kinder entgegen – aber auch Rafael van der Vaart, Roy Präger und andere frühere Größen des HSV – immer Arm in Arm mit Anke Witt. Die Elmshornerin lebt für ihren Verein. Schon seit ihrer Kindheit ist sie Fan und seit 20 Jahren einfach fußballverrückt.

Wenn der Hamburger SV heute auf Hertha BSC trifft, dann wird die 71-Jährige wie ein Nervenbündel vor dem Fernseher sitzen. Wie jedes Mal. Es gilt: Daumen drücken. „Ich bin vorher und währenddessen ein Wrack. Ich habe Bauchschmerzen ohne Ende und kalte Hände. Das sind Höllenqualen.“

Anke Witt greift kurz zur Fernbedienung, schaltet den Ton aus, aber lässt den Fernseher an. „Die Auslosung für die Europa League läuft gerade“, fügt sie entschuldigend hinzu.

Alles in Blau: Anke Witt war immer passend gestylt für ihren Fußballverein
Alles in Blau: Anke Witt war immer passend gestylt für ihren Fußballverein © HA | Mirjam Rüscher

Sie guckt das ganze Wochenende Fußball, erst Zweite Liga, dann Bundesliga. Das Wichtigste immer: natürlich der HSV. „Ohne meinen HSV geht gar nichts“, sagt Witt bestimmt. Mehr als 20 Jahre hatte sie eine Dauerkarte. „Ich saß auf der Südtribüne, hinter dem Tor in der ersten Reihe.“ Das macht sie aus gesundheitlichen Gründen heute nicht mehr. Außerdem seien die Karten teuer geworden. „Und das für die schlechte Leistung, die die Spieler gerade bringen. Ich meine: Wie kann man solche Pässe spielen? Und der Bobby Wood... das ist fürchterlich.“

Anke Witt kommt so richtig in Fahrt, während sie über ihren HSV spricht – im schlechtesten, aber auch im besten Sinne. Denn wenn Anke Witt von den vergangenen Jahrzehnten mit ihrem Verein spricht, dann kommt sie aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus. Vor allem einer hatte es ihr angetan in all den Jahren: Roy Präger. Für ihn hat sie extra ein Album angelegt.

Beobachtet hatte Anke Witt Präger schon, als der noch in Wolfsburg spielte. 1999 kam der Mittelstürmer dann tatsächlich nach Hamburg. „Ich hatte vorher einen Herzinfarkt und war schwer krank. Dann gab es ein Fanfest beim HSV, und Präger war da. Da musste ich einfach hin“, erinnert sich Witt. Dort hat sie Roy kennengelernt, und sie hätten sich auf Anhieb gut verstanden. „Ich hatte richtig Herzklopfen. Ich hatte mich etwas in ihn verguckt“, sagt Anke Witt und lächelt.

Das Bild mit Rafael van der Vaart steht neben den Familienbildern auf dem Regal
Das Bild mit Rafael van der Vaart steht neben den Familienbildern auf dem Regal © HA | Mirjam Rüscher

Die gelernte Altenpflegerin ging aufgrund ihrer Herzprobleme damals in den Ruhestand. Der Fußball wurde ihr Lebensmittelpunkt. Jeden Tag war sie beim HSV-Training. Jeder dort habe sie gekannt. Ständig habe sie Kuchen und Plätzchen für die Spieler gebacken. Sie war mit allen per Du, sammelte Trikots und Trinkflaschen von den Spielern. Frank Pagelsdorf fuhr sie nach dem Training nach Hause, und sie küsste Rodolfo Cardoso das Knie, wenn er Schmerzen hatte. „Ich bin stolz auf das, was ich beim HSV erlebt habe“, sagt Anke Witt.

Mit der Tüte Fisch in der Hand ging es ins Stadion

Schon als Zwölfjährige war sie mit ihrem Vater im Stadion. Erst ging es auf den Fischmarkt und dann mit der Tüte Fisch in der Hand ins Stadion am Rothenbaum. Irgendwo habe sie noch 70 bis 80 Eintrittskarten in einem Karton. Drei D-Mark kostete der Eintritt damals. „Ich fand den HSV toll und war Fan. Aber später habe ich richtig Liebe für den Verein und die Spieler empfunden. Das ist bis heute so“, sagt Anke Witt. Auch ihre drei Kinder seien HSV-Fans. Aber nicht so sehr wie sie.

Küsschen für Lieblings Roy Präger. Sie besuchte in später sogar in Wolfsburg
Küsschen für Lieblings Roy Präger. Sie besuchte in später sogar in Wolfsburg © HA | Mirjam Rüscher

Spiel für Spiel fiebert sie mit ihrer Mannschaft, und nicht nur das: Sie betet für sie. Schon am Abend vorher fange sie damit an. „Lieber Gott, lieber Fußballgott, ich bitte dich, der Mannschaft zu helfen. Gib ihnen Kraft, stärke sie in ihrem Glauben – so in etwa klingt das. Und das bete ich dann immer wieder, den ganzen Tag“, betont die 71-Jährige.

Es gab Zeiten da hat der Fußballgott ihre Gebete erhört. Champions League, Europa League, regelmäßig unter den ersten fünf in der Liga – Anke Witt kann sich an deutlich bessere Zeiten erinnern. An das Jahr 1983, als der HSV das letzte Mal Deutscher Meister war. Oder an das 4:4 gegen Juventus Turin 2000, als die Hamburger in der Champions League spielten. „Das war ein besonderer Moment, auch wenn uns Sergej Barbarez das mit seinem Foul versaut hat.“ Ihr letzter Stadionbesuch ist etwas mehr als zwei Jahre her, eine 1:0-Niederlage gegen Augsburg. „Zum Schluss haben sie immer verloren, wenn ich da war“, bedauert Anke Witt.

Hier gibt’s Karten

Der HSV spielt am Sonnabend, 17. März, um 15.30 Uhr gegen Hertha BSC. Für das Heimspiel gibt es noch Tickets ab 26 Euro unter anderem unter der Hotline 040/41 55 18 87 (10 bis 15.30 Uhr).

Die Tageskassen rund ums Stadion öffnen um 13 Uhr, dort gibt es Karten in allen Preiskategorien. Ermäßigte Tickets werden nicht verkauft. Die Gästekasse ist am Eingang Süd-West.

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Trotz der vergangenen Jahre, trotz all der Niederlagen in dieser Saison: Anke Witt glaubt noch immer an ihren HSV. „Mein HSV darf nicht absteigen. Wir landen mindestens in der Relegation, und das können wir immerhin.“ Ihr Tipp für das Spiel gegen Hertha? Natürlich ein Sieg für den HSV. „Wir gewinnen 3:1. Dafür bete ich.“