Quickborn. Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ rollt den Fall des Tunahan Keser auf. Eine Chronologie der Ereignisse seit Juni 2017.
Der Schenefelder Nachwuchsboxer Tunahan Keser ist nach Einschätzung der Polizei offenbar einem Auftragsmord zum Opfer gefallen. Im Exposé eines Beitrags in der Sendereihe „Aktenzeichen XY ungelöst“, das dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „Die Kripo konzentriert sich in ihren Ermittlungen nun auf Mittäter und Auftraggeber. Sie sucht Kontaktpersonen des Frank L. und dessen Aufenthaltsorte seit 2012.“
Diese Einordnung erscheint neu. Bislang war lediglich bekannt, dass die Ermittler der „Soko Holmmoor“ den inzwischen ebenfalls toten Quickborner Frank L. für tatverdächtig hielten, zum Motiv machten die Polizisten jedoch keine Angaben (wir berichteten). Das ZDF strahlt den Beitrag am morgigen Mittwochabend aus. Ein Filmteam fasst dann auch noch mal zusammen, was bis jetzt über den Fall bekannt ist.
Die Geschichte nimmt in Wedel seinen Lauf
Die Geschichte beginnt am 23. Juni 2017, einem Freitag, früh am Morgen in Wedel. Gegen 0.30 Uhr lauert in der Straße Möllers Park ein fast vollständig vermummter Mann dem früheren Box-Europameister Khoren Gevor auf und schießt ihm ins Knie. Gevor arbeitet inzwischen als Trainer. Einer seiner Schützlinge ist Tunahan Keser.
Am späten Nachmittag desselben Tages, um 17.30 Uhr, wird Tunahan Keser zum letzten Mal in Hamburg-Niendorf gesehen. Dort arbeitet der Mitinhaber einer Firma für Autoüberführungen, der einen schwarzen Maserati Ghibli fuhr, in einem Autohaus an der Kollaustraße.
Polizei fahndet ab 3. Juli nach dem jungen Boxer
Die Polizei richtet sich gut eine Woche später, nämlich am Montag, 3. Juli, mit einem Fahndungsaufruf nach Keser an die Öffentlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt ist unklar, warum der junge Mann gesucht wird. Zwei Wochen später räumt die Polizei auf Nachfrage ein, dass es einen Zusammenhang zwischen der Schießerei in Wedel und dem Verschwinden des Boxers geben könnte. Anscheinend halten es die Beamten auch für möglich, dass Keser auf seinen Trainer geschossen habe und deshalb untergetaucht sei.
Der Boxer wird erst am 21. Juli, wieder ein Freitag gefunden – tot, in einem Waldstück nahe dem Autobahnrastplatz Holmmoor an der A 7. „Er hat dort mehrere Wochen gelegen“, sagt damals Polizeisprecherin Merle Neufeld. „An einer Baumgruppe regelrecht hingerichtet“, heißt es im XY-Exposé. Zunächst gibt es keine heiße Spur.
Ein anderer Ort, ein anderer Fall: Es ist Donnerstag, 23. November, als der 58 Jahre alte Frank L. eine Fensterscheibe eines Einfamilienhauses am Rollbarg in Appen einschlägt und in das Gebäude eindringt. Er trifft auf die 76 Jahre alte Bewohnerin und fordert von ihr Geld. Als die alte Dame zu fliehen versucht, schlägt L. mehrfach mit einem etwa 50 Zentimeter langen Metallrohr auf ihren Kopf ein. Dann flüchtet er. Die Frau kann schwer verletzt auf die Straße laufen und Passanten berichten, was ihr passiert ist und wie der Täter aussieht. Im Krankenhaus erholt sich die Appenerin zunächst, dann aber treten infolge der erlittenen Kopfverletzungen Komplikationen auf. Zwei Tage vor Heiligabend stirbt die 76-Jährige.
Ende Februar dann der bislang letzte Akt
Die von ihr abgegebene Personenbeschreibung aber ist so gut, dass die Polizei Frank L. auf die Spur kommt. Ein DNA-Abgleich bringt die letzte Gewissheit, sodass ein Richter am 5. Januar 2018 Haftbefehl wegen Mordes erlässt.
Der 58-Jährige gesteht. Am 20. oder 21. Januar nimmt er sich in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Itzehoe das Leben. Zuvor aber soll er sich einem Mithäftling anvertraut und ihm von einem Versteck auf seinem Grundstück erzählt haben.
Dieses Grundstück liegt am Harksheider Weg am äußersten Rande Quickborns – eine Art weitläufige Mülldeponie mit einer Holzhütte darauf. Und gar nicht weit entfernt von der Autobahnraststätte Holmmoor. Am Mittwoch, 24. Januar, rückt die Spurensicherung mit einem Großaufgebot an, am folgenden Tag noch mal.
„Wir suchen nach allem, alles lässt sich einbetonieren.“
Die Polizisten finden Beweismaterial, und Polizeisprecherin Merle Neufeld sagt damals, dass nach „Beweismitteln aus anderen Straftaten“ gesucht werde. Und: „Ein Zusammenhang zu dem Tötungsdelikt an dem jungen Boxer aus Schenefeld wird geprüft.“
Ende Februar dann der bislang letzte Akt. Die Spurensicherung kehrt zurück an den Harksheider Weg, diesmal haben die Beamten Bagger dabei. Sie nehmen sich auch ein Haus auf einem benachbarten Grundstück vor, sie stemmen auf L.s ehemaligem Anwesen Betonfundamente auf und reißen einen Wintergarten ab. Auf die Frage, was die Polizei da eigentlich suche, sagt Sprecherin Neufeld: „Wir suchen nach allem, alles lässt sich einbetonieren.“
Nun also die Fernsehsendung, um die die Mordkommission in Itzehoe ein großes Geheimnis macht. Die eigentlich für den gestrigen Montag angekündigte Veröffentlichung einer „Storymap“, auf der alle für diesen Fall relevanten Orte zusammengefasst sein sollen, ist zunächst gestoppt worden. Sie soll jetzt erst nach dem Ende der Fernsehausstrahlung im Internet erscheinen.