Appen. Ehemalige Mülldeponie wurde komplett abgedeckt. Alle Messwerte liegen unter den gesetzlich festgelegten Höchstwerten.

Die gute Nachricht wird mit einem Modell sichtbar gemacht. Bewohner des Gutes Schäftshofes haben eine maßstabsgetreue Nachbildung des auch „Mount Appen“ genannten Müllberges hergestellt. Die ist an einer Seite aufklappbar, sodass mehrere Abdeckschichten aus Planen, Glas und Boden sichtbar werden. „Damit keine Giftstoffe mehr aus der ehemaligen Deponie ins Grundwasser entweichen können, darf kein Regenwasser mehr in den Berg eindringen“, erklärt Klaus Wagenbach, der zur Gruppe von Bewohnern einer Einrichtung der Stiftung Hamburger Arbeiterkolonie gehört: Der Schäferhof gibt Wohnungslosen zeitweise eine Heimat und Menschen mit Handicap Arbeit. Das Modell wird bei Veranstaltungen auf dem Schäferhof ausgestellt. Die guten Nachrichten sollen offensiv nach außen getragen werden.

„Gift im Grundwasser!“ Schlagzeilen wie diese hatte die Mülldeponie der Firma Heidorn in den 1990er-Jahren produziert und für mächtig Unruhe gesorgt. Ursache: Giftmüll auf einer der größten Abfalldeponien im Kreis Pinneberg. Heftig haben die Menschen im Dorf mit dem Betreiber und mit Behörden darüber gestritten, welche Gefahren von den Ablagerungen ausgehen, heftig diskutiert, wie das Gelände sinnvoll gesichert werden kann.

Das ist Geschichte. „Der Müllberg ist geschlossen und nicht mehr bedrohlich“, sagt Rainer Adomat, Geschäftsführer des Gutes Schäferhof, auf dessen Grundstück sich der 25 Hektar große und kirchturmhohe Hügel befindet.

In den vergangenen Jahren seien die gemessenen Belastungen zurückgegangen, sagt Einar Landschoof vom Fachdienst Umwelt des Kreises Pinneberg. Alle Messwerte lägen unter den gesetzlich festgelegten Höchstwerten. Der Kreis als Aufsichtsbehörde beprobt die Deponie zweimal im Jahr.

Rückblende: „Bürgermeister-Deponie“ werden die in den 50er- und 60er-Jahren geschaffenen Flächen genannt, weil damals eine einfache Genehmigung des Bürgermeisters genügt, um Hausmüll abzulagern. In der Wirtschaftswunderzeit steigt mit dem Konsum auch der Abfallberg. Damals kann Müll weitgehend unkontrolliert abgekippt werden, und so werden auch umweltbelastende Stoffe nicht fachgerecht entsorgt.

Mülldeponie von 1962 bis 2004

Ähnlich läuft es in Appen ab. Zwischen 1959 und 1970 baut die Firma Heidorn auf dem heutigen Deponiegelände Kies ab. Die Stiftung Hamburger Arbeiterkolonie hat es zum Zwecke der Ausbeutung an Heidorn verpachtet. Ab 1962 bis 2004 wird die Kuhle wieder verfüllt – mit Müll. Eine Heidorn-Tochter entsorgt dort hauptsächlich Bauschutt. Die damals komplett kreiseigene Gesellschaft für Abfallwirtschaft (GAB) lagert zudem Siebreste aus der Hausmüllkompostierung ab. Welche umweltgefährdenden Stoffe im Erdreich schlummern, ist völlig unbekannt.

Es beginnt ein jahrelanges Gezerre zwischen Betreiber, Land, Kreis und Gemeinde um die Sicherung der Anlage. Heidorn soll die Anlage abdecken, kommt dem aber nur zögerlich nach. Die erste Frist, die Deponie abzudecken, läuft Ende 2005 ab. Ende 2010 verhängt das zuständige Landesamt erstmals ein Strafgeld. Das Land hatte die Verantwortung vom Kreis an sich gezogen. 2011, die Deponie ist ungefähr zu zwei Drittel abgedeckt, weigert sich der Betreiber weiterzumachen. Es heißt heute, dass der Betreiber damals mit Insolvenz gedroht haben soll, falls die Kosten allein von seiner Seite aufgebracht werden müssten.

Es wird intensiv verhandelt, der damalige Staatssekretär im Umweltministerium, Ernst-Wilhelm Rabius, gilt als Vater der dann gefundenen Lösungen, die am Jahreswechsel 2012 und 2013 unterschrieben wurden. Heidorn deckt die Deponie komplett ab, wird dann aber entgegen der gesetzlichen Regelung von der Nachsorge freigestellt. Diese Aufgabe geht an den Grundbesitzer, den Schäferhof über. Der Kreis wird wieder für die Aufsicht zuständig. Das Land verpflichtet sich, bei etwaigen größeren und unvorhergesehenen Schäden finanziell einzuspringen. 2015 ist die Abdeckung fertig und die Verantwortung geht auf die Hamburger Stiftung Arbeiterkolonie zurück

Mit 13 Messstationen wird das Grundwasser geprüft

Aktuell wird mit 13 Messstationen am Fuß des Berges in mittleren sowie weiterem Abstand zur Deponie die Belastung des Grundwassers überprüft. Untersucht wird dabei auf Giftstoffe wie Arsen, Benzol und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz PAK genannt, aber auch Stoffe wie AOX und TOX, die als Parameter für eine mögliche Schadstoffbelastung gelten. Landschoof geht davon aus, dass bei weiter sinkenden Konzentrationen der Giftstoffe die Beprobung in einigen Jahren reduziert werden kann. Weniger Messpunkte und längere zeitliche Abstände zwischen den Untersuchungen wären möglich. Allerdings wird der Kreis auf absehbare Zeit einen Blick auf den Müllberg haben. Ein privater Betreiber hätte 30 Jahre über die Sicherheit der Anlage wachen müssen. Landschoof geht davon aus, dass die Beprobung ähnlich lange fortgeführt wird.

Die Kosten für die Untersuchungen wie für die Pflege des Müllberges trägt der Schäferhof. „Das kommt uns teuer“, sagt Adomat. Deswegen braucht die Stiftung zusätzliche Einnahmen. Derzeit wird zusammen mit dem Entsorgungsunternehmen Otto Dörner an dem Projekt Recycling Plus gefeilt. Das sieht die Wiederverwendung von Baumaterialien vor und sollen zusätzliche Einnahmen schaffen.

Die positiven Nachrichten von Müllberg werden natürlich auch in Appen aufmerksam registriert. Appens Bürgermeister Hans-Joachim Banaschak (CDU) gibt sich vorsichtig-optimistisch. „Es scheint so, als ob die Belastungen sinken“, sagt er.

Kritischer sieht Christiane Bergmann die Entwicklung. „Das Gift im Berg ist damit nicht weg“, sagt die Appenerin, die sich bereits in den 1990er-Jahren mit dem Thema befasste, unter anderem als Politikerin der Grünen im Gemeinderat und dem Kreistag. Unter dem Berg befinde sich ein Fluss, der sich mit 30 Zentimeter pro Jahr bewege. Giftstoffe könnten deswegen noch nach Jahrzehnten auftauchen. „Der Müllberg muss weiter genau beobachtet werden“, fordert sie deswegen.