Kreis Pinneberg. Landrat Oliver Stolz korrigiert Aussage zum Nachzug von zwei syrischen Familien. Ausländerbehörde war nicht beteiligt.

Die Kreisverwaltung rudert zurück und korrigiert ihre eigene Darstellung als falsch. Ja, die beiden syrischen Doppelehen gebe es hier, aber die Ausländerbehörde des Kreises sei gar nicht beteiligt gewesen. „Irrtümlich wurde mitgeteilt, dass diese Fälle durch eine sogenannte Familienzusammenführung auf Grundlage einer Härtefallentscheidung mit dem Einverständnis der Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg entstanden sind“, teilte nun Landrat Oliver Stolz nach einer hausinternen Recherche der Fälle mit. Das sei falsch.

Vielmehr seien die Familienmitglieder unabhängig voneinander und auf eigene Faust nach Deutschland eingereist, wo ihnen aufgrund des Bürgerkrieges in Syrien individueller Schutzanspruch gewährt worden sei.

Am Mittwoch entschuldigte sich Kreissprecher Oliver Carstens beim Abendblatt für seinen „peinlichen“ Fehler. Wenige Tage zuvor hatte er noch gesagt: „Wir haben nicht die Ehefrauen, sondern die Mütter der Kinder ins Land geholt. Kein Mensch wird bestreiten wollen, dass gerade Kinder in der Fremde ihre Mutter brauchen.“

Nun musste Carstens eingestehen, dass seine Behörde weder bei der Einreise im Zuge einer möglichen Härtefallprüfung noch bei der Frage des Aufenthaltsrechts beteiligt war. Die elf- beziehungsweise achtköpfigen Familien mit den zwei Ehefrauen seien dem Kreis jeweils vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Neumünster zugewiesen worden.

Landrat Stolz stellt klar: „Mehrehen sind in Deutschland verboten und aus einer solchen im Ausland geschlossenen Ehe können keinerlei Ansprüche abgeleitet werden.“

Ausgelöst hatte diese interne Untersuchung im Kreishaus offenbar eine erneute Anfrage des Abendblatts in dieser Angelegenheit beim Kieler Innenministerium in dieser Woche. So könne „einer Mutter der Nachzug zu ihren in Deutschland lebenden Kindern zu deren Schutz gestattet werden“, so Ministeriumssprecher Tim Radtke auf Anfrage. „Bei dieser Entscheidung spielt es allerdings keine Rolle, ob die Mutter von irgendeinem Mann ’Zweitfrau‘ ist oder nicht.“ Im deutschen Aufenthaltsgesetz sei „ein Nachzug von Zweitehegatten einer polygamen Ehe nicht vorgesehen.“

Wenn also eine Kreisausländerbehörde „einen Familiennachzug mit einer Mehrehe begründet hätte, so würde das Ministerium für Inneres dies beanstanden. Denn Mehrehen begründen keinerlei Ansprüche auf Einreise nach oder Aufenthalt in Deutschland.“

Die Frage, ob das Ministerium die Entscheidung der Pinneberger Kreisbehörde „nachvollziehen“ könnte, wollte ihr Sprecher Radtke erst beantworten, sobald „die Einzelheiten des Falles aus dem Kreis Pinneberg“ vorlägen.

Das tun sie nun, nachdem Kreissprecher Carstens am Dienstag die Fälle konkret nach den Namen der syrischen Flüchtlinge nachvollzog, was er vorher versäumte, wie er sagt. „Die Sache hatte sich verselbstständigt.“

Und so sollen sich die beiden Fälle nun laut Kreisverwaltung zugetragen haben: Im Mai 2015 seien vier Brüder aus Syrien, einer davon volljährig, zur Asylantragstellung eingereist und hätten Flüchtlingsstatus erhalten. Im August 2015 sei dann die Erst-Ehefrau allein mit zwei weiteren Kindern zur Asylantragstellung eingereist und wurde ebenfalls als Flüchtling anerkannt. Im Dezember folgte dann der Ehemann mit der zweiten Ehefrau und zwei gemeinsamen weiteren Kindern nach. Diese Doppelehen-Familie mit acht Kindern sei dem Kreis im Februar 2016 zugewiesen worden. Sie habe inzwischen subsidiären Schutzstatus im Asylverfahren erhalten. Landrat Stolz: „Somit ist der Familienvater mit zwei Ehefrauen und acht Kindern in Deutschland.“

Zweite Ehefrau kam als „Dublin-Fall“ in den Kreis

Im zweiten Fall sei im Januar 2016 eine syrische Familie, bestehend aus den Elternteilen und zwei Kindern dem Kreis Pinneberg im Asylverfahren zugewiesen worden. Die Familie habe subsidiären Schutz erhalten. Die zweite Ehefrau wurde dem Kreis mit drei weiteren Kindern als „Dublin-Fall“ aus Griechenland im Februar 2017 über das Bundesamt zugewiesen worden, da sie in Griechenland ihren hier lebenden Ehemann angab. Diese Familie lebe inzwischen mit sechs Kindern hier.

Auch der Hinweis der Kreisverwaltung zur Begründung ihrer angeblichen Entscheidung auf einen Erlass der Landesregierung von 2013 war falsch. Dieser ermöglichte, wie berichtet, Verwandten aus Syrien aus humanitären Gründen die Einreise, „sofern sie enge verwandtschaftliche Beziehungen zu den in Schleswig-Holstein aufenthaltsberechtigten Personen haben“. Wie das Innenministerium auf Nachfrage mitteilt, habe dieser Erlass nur für 180 namentlich bekannte schutzbedürftige Flüchtlinge gegolten, die im Zuge eines Schutzprogrammes 2013 in Schleswig-Holstein aufgenommen wurden.