Kreis Pinneberg. Kreisverwaltung Pinneberg spricht von Härtefällen für Kinder, die andernfalls ohne ihre leibliche Mutter hätten aufwachsen müssen.
Im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, reist ein Syrer nach Deutschland ein, begleitet wird er von seiner Frau und seinen vier Kindern. Er kommt im Kreis Pinneberg mit etwa 310.000 Einwohnern unter. Später wird ihm erlaubt, weitere vier Kinder nachzuholen, die er mit einer anderen Frau in Syrien hat. Anschließend darf dann auch deren Mutter folgen. Seine Zweitfrau.
Die Kreisverwaltung in Elmshorn bestätigt diesen Sachverhalt auf Abendblatt-Anfrage. Und nicht nur den. Es gebe verbrieft noch einen weiteren vergleichbaren Fall, so Oliver Carstens, der Sprecher des Landrats Oliver Stolz. Zusätzlich zu diesen beiden Fällen gehe er „von einer ähnlich hohen Zahl nicht bekannter Fälle“ aus.
Kreis weist Vorwurf zurück, er fördere Bigamie
Das Ganze ist jetzt bei einer internen Besprechung der Kreisverwaltung mit den Leitern der acht städtischen Sozialämter im Kreis Pinneberg herausgekommen. Der Kreistagsabgeordnete Burghard Schalhorn von der Kreiswählergemeinschaft hat davon gehört, sich erkundigt und die Frage aufgeworfen, ob der Kreis Bigamie dulde oder gar fördere, die ja hierzulande unter Strafe steht.
Das weist die Kreisverwaltung von sich. „Im Kreis Pinneberg werden bigamische Ehen nicht gefördert“, sagt Behördensprecher Carstens. „Es liegt aber außerhalb unserer rechtlichen Möglichkeiten, auf Eherechte anderer Staaten einzuwirken.“ Die Rechtmäßigkeit einer Eheschließung richte sich nur nach dem Recht des Landes, in dem die Ehe geschlossen wurde. In diesen Fällen also Syrien – dort dürfen Männer bis zu vier Frauen haben.
Nicht Ehefrauen, sondern Mütter der Kinder
Aus Sicht des Kreises geht es bei diesen Fällen aber um etwas anderes. „Wir haben nicht die Ehefrauen, sondern die Mütter der Kinder ins Land geholt. Kein Mensch wird bestreiten wollen, dass gerade Kinder in der Fremde ihre Mutter brauchen“, betont Kreissprecher Carstens. Voraussetzung sei in jedem Fall gewesen, dass es für die Kinder eine besondere Härte bedeutet hätte, wenn sie ohne ihre leibliche Mutter in Deutschland hätten aufwachsen müssen.
Dies sei aber keine pauschale Regelung, sondern müsse in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Formal laufe es so: Der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannte Asylbewerber möchte seine Familie hierher holen. Dann stellen seine Angehörigen in der jeweiligen deutschen Botschaft in dem Heimatland den Antrag auf Einreise nach Deutschland. Der heißt „Visumsantrag zur Familienzusammenführung“.
Die Botschaft beteiligt dann die Ausländerbehörde des Kreises, die den Härtefall prüfen und bestätigen muss. Wenn das geschehen ist, erhalte der Angehörige von der Botschaft als Bestandteil des Auswärtigen Amtes das Einreisevisum.
Kreis stützt sich auf Erlass der Landesregierung
Der Kreis Pinneberg stützt sich auf einen Erlass der schleswig-holsteinischen Landesregierung von 2013, der Flüchtlingen aus Syrien besonderen Schutz bei der Familienzusammenführung gewährt. Demnach können die Ausländerbehörden Angehörigen die Einreise ermöglichen, „sofern sie enge verwandtschaftliche Beziehungen zu den in Schleswig-Holstein aufenthaltsberechtigten Personen haben“.
Einzelheiten und genaue Daten zu den Fällen im Kreis Pinneberg lägen der Kreisverwaltung nicht vor, weil dies über die örtlichen Sozialämter geregelt werde. Sie seien bei der internen Besprechung im Kreishaus auch nicht protokolliert worden, so Carstens. In welchen Städten die Behörden mehr wissen, will er aus Datenschutzgründen nicht sagen.
Nachzug von Zweitfrauen in Hamburg nicht gestattet
In Hamburg gibt es keine genaue Statistik darüber, wie viele Anträge auf den Nachzug von Zweitfrauen gestellt worden sind. Der Nachzug von Zweit- und Drittfrauen wird nach Auskunft der Stadt aber nicht gestattet. „Dies ist klar im Gesetz geregelt – und wird auch konsequent angewandt. Insofern gibt es keine Problemlage“, sagte ein Sprecher der Ausländerbehörde auf Anfrage.
Auch die Ausnahmeregelung wird offenbar strikt ausgelegt. „Dass die zweite Ehefrau etwa im Herkunftsland einer Gefahr ausgesetzt ist, bedeutet nicht, dass ein Härtefall vorliegt“, so der Sprecher. Die betroffene Frau könne in diesem Fall regulär einen Asylantrag stellen.
Nur in absoluten Ausnahmefällen, etwa wenn ein Kind schwer erkrankt sei oder der Vater das Sorgerecht nicht mehr ausüben kann, könnte der Zweitfrau und leiblichen Mutter über den Ehegattennachzug die Einreise erlaubt werden.
Ein Problem ist, entsprechend große Wohnungen zu finden
Ausländerrechtlich sei der Ehestatus irrelevant, betont dagegen die Behörde in Pinneberg. „Für uns ist allein die Vater- und Muttereigenschaft entscheidend und nicht, ob es sich um eine Vielehe, eine uneheliche Beziehung oder um eine ungültige Ehe handelt.“
Die örtlichen Verwaltungen stellt der Sachverhalt vor einige Probleme. So mussten beispielsweise für zwei Doppelehen-Familien größere Wohnungen organisiert werden. Bei bis zu zehn Familienmitgliedern nicht ganz einfach auf dem angespannten Wohnungsmarkt im Hamburger Umland, sagt Kreissprecher Carstens. Und wovon diese Großfamilien leben? Carstens: „Die bekommen alle zurzeit öffentlich-rechtliche Leistungen.“