Kreis Pinneberg. Ex-Polizist Uwe Kleinig leitet seit September die Außenstelle des Weißen Rings in Pinneberg. Bislang 151 Fälle im Jahr 2017 bearbeitet.

Einen „alten Knochen“ nennen Spötter ein Handy aus der Zeit vor Einführung moderner Smartphones. Uwe Kleinig nennt so ein Gerät mit echten Tasten und ohne großen Bildschirm sein Eigen. Es ist Gold wert. Für Menschen, die unter den Folgen von Kriminalität leiden. Sie wählen die Nummer 0151/55 16 46 37 und landen beim pensionierten Polizisten Kleinig, der die Pinneberger Außenstelle des Weißen Rings leitet, einer Opferschutzorganisation, in der sich mehr als 3000 Ehrenamtliche engagieren.

Seit September ist Uwe Kleinig der Mann in der Leitung, wenn Hilfe benötigt wird. „Nach Straftaten wird oft nur auf die Täter geschaut, niemand kümmert sich um Opfer“, sagt der 64-Jährige, den viele aus der Kommunalpolitik kennen, der er wegen zu viel kleinlicher Diskussionen den Rücken kehrte.

36 Prozent der Fälle werden von der Polizei vermittelt

Uwe Kleinig ist Nachfolger von Sönke-P. Hansen, der den Job an der Spitze des Weißen Rings im Kreis Pinneberg jahrelang erledigte. Über mangelnde Arbeit kann sich der Neue schon in den ersten Monaten nicht beschweren. „Um die zehn Stunden pro Woche kommen zusammen“, sagt der Mann, der als Polizist in Pinneberg, Itzehoe und Husum gearbeitet hat, zuletzt im Rang eines Polizeidirektors. Viele seiner Fälle bekommt er von seinen früheren Kollegen. „36 Prozent unserer Fälle bekommen wir von der Polizei vermittelt.“

Apropos Zahlen: 2017 bearbeitete der Weiße Ring im Kreis Pinneberg bislang 151 Fälle, 47 davon wurden aus dem Vorjahr übernommen. Dazu gehört auch eines der grausamsten Verbrechen der vergangenen Jahre. Ein Vater hatte im Oktober 2016 in Wedel seine ganze Familie ausgelöscht und war anschließend von einem Hochhaus gesprungen. „Die Frau stammte aus Bolivien, wir haben Familienangehörige eingeflogen“, sagt Kleinig. Auch sei mit finanzieller Unterstützung des Weißen Rings ermöglicht worden, dass die Urne mit den sterblichen Überresten der Ermordeten in ihr Heimatland gelangte. Insgesamt seien 8000 Euro geflossen. „Das war ein Hammerfall“, sagt Kleinig.

50.000 Mitglieder

Der Weiße Ring wurde 1976 auf Initiative des Fernsehmoderators Eduard Zimmermann („Aktenzeichen XY“) gegründet.

Mit rund 50.000 Mitgliedern, 18 Landesverbänden und bundesweit 420 Außenstellen ist der Ring die größte Opferschutzorganisation in Deutschland.

Das bundesweite Opfertelefon ist unter 11 60 06 zu erreichen. Nähere Informationen gibt es unter www.weisser-ring.de im Internet.

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Laut Statistik ging es 2017 bislang 47 Mal um Körperverletzung, 44 Sexualdelikte schlugen zu Buche. 20 Fälle von häuslicher Gewalt wurden bearbeitet. Die Gesamtzahl gefahrener Kilometer liegt aktuell für 2017 bei mehr als 13.000. Knapp 16.000 Euro wurden seit Januar aufgewandt, um Opfern zu helfen. „Das Geld kommt aus Mainz von der zentralen Finanzverwaltung“, weiß der Chef der Pinneberger Außenstelle, der seine Ehrenamtler einmal im Monat zum Teamtreffen bittet. Uwe Kleinig begreift sich als eine Art Lotsen: „Wir vermitteln in der Not“, sagt er. Beispielsweise, wenn Frauen von ihren Männern misshandelt würden. Dann stellt der Weiße Ring Kontakt zu den Frauenhäusern her. „Eine schöne und wertvolle Aufgabe ist das, und ich habe Zeit dafür.“

Wer als Opferhelfer aktiv werden will, der muss zunächst einen Grundlehrgang absolvieren. Anschließend werden erfahrene Helfer begleitet. Regelmäßig werden Seminare angeboten. 341 Mitglieder hat der Weiße Ring in Pinneberg aktuell.

Nach seinen Zielen als Opferschützer befragt, muss Kleinig nicht lange überlegen. „Wir müssen bekannter werden“, sagt er. „Traut Euch, meldet Euch bei uns, wenn Hilfe benötigt wird.“ Anonymität bleibe beim Weißen Ring, der sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert, stets gewahrt. Helfer stellen Kontakt zu Traumatologen her, begleiten Opfer vor Gericht. Am Anfang steht jedoch ein Anruf. Auf Uwe Kleinigs uraltem Handy.