Kreis Pinneberg. Winternotprogramme gestartet. 333 Obdachlose und 1400 anerkannte Flüchtlinge suchen Hilfe der Pinneberger Beratungsstelle der Diakonie.
Im Kreis Pinneberg sind die Winternotprogramme angelaufen und die Unterkünfte für Obdachlose fast gänzlich belegt. 333 Menschen ohne feste Bleibe wurden in diesem Jahr im Kreis Pinneberg erfasst. Die Zahl ist über Jahre konstant, weil sie sich an den Plätzen in den Unterkünften orientiert, nicht an der Zahl der Obdachlosen auf der Straße. Die wurde in Hamburg in diesem Jahr erstmals ermittelt. Im Kreis Pinneberg wurden sie bislang nicht erfasst.
Anerkannten Asylbewerber droht Wohnungslosigkeit
„Uns steht nur ein begrenztes Kontingent an Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung“, sagt Antje Mause. Die Sozialpädagogin leitet die Beratungsstelle für Wohnungslose der Diakonie in Pinneberg und ist für den gesamten Kreis zuständig. Für ihre Klienten nehme sie eine Verschärfung der Situation wahr. So seien aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen und der anhaltenden Migration aus süd- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern zusätzliche Anstrengungen in der Unterbringung nötig.
Anerkannte Asylbewerber drohen wohnungslos zu werden, wenn sie die Flüchtlingsunterkünfte nach Abschluss ihres Asylverfahrens verlassen müssen, aber auf den knappen Wohnungsmärkten kein Zuhause finden. „In diesem Jahr hatten wir 1400 anerkannte Flüchtlinge in unserer Beratungsstelle“, sagt Mause. „Wir arbeiten an der Grenze unserer Möglichkeiten.“ Sie haben ein Anrecht auf Beratung. Mause und ihr Kollege Peter Diekmann versuchen sie fit zu machen für die Suche auf dem Wohnungsmarkt. Doch die Chancen auf eine Wohnung stünden schlecht. Günstiger Wohnraum finde sich kaum noch. Was es noch schwieriger macht: „Nur sehr wenige sprechen Deutsch“, sagt die Sozialpädagogin.
Die Diakonie hilft
Auch in Elmshorn ist das Winternotprogramm angelaufen. „Wir haben mittlerweile den vierten Gast hier“, sagt Wiebke Turkat, Leiterin der Notunterkunft und der Bahnhofsmission in Elmshorn. Zu ihr kommen vermehrt Ausländer, die in Deutschland keine Aussicht auf Bleiberecht haben. Sie steckt in einem Dilemma. Zum einen fühlt sie sich menschlich verpflichtet zu helfen, zum anderen gibt es klare Regeln. „Die Wohnung, die wir betreiben dient Obdachlosen als Erfrierungsschutz.“ Immer wieder kommen Menschen aus Osteuropa. „Gerade haben wir fünf Rumänen abgewiesen“, sagt sie. Oft sind sie untereinander gut vernetzt. „Es spricht es sich herum, wo sie kostenlos wohnen können.“ Nicht immer sind sie obdachlos in ihrer Heimat. Was viele nicht wissen: Laut EU-Freizügigkeitsgesetz haben sie hier keinen Anspruch auf soziale Hilfen.
Auch ein Albaner kam mit falschen Hoffnungen und Geld nach Deutschland. „Er dachte, er könne hier arbeiten und heiraten und bis dahin kostenlos bei uns wohnen“, sagt Turkat. Albanien gilt als sicheres Herkunftsland. Die Aussichten auf Asyl gehen gegen Null. Turkat versuchte ihm das verständlich zu machen. Die drei Tage Erfrierungsschutz hatte er längst in Anspruch genommen. „Der Mann wurde zornig, weil wir ihn nach Hamburg schickten, wo er bei der Ausländerbehörde gemeldet war“, sagt sie. Er griff einen ehrenamtlichen Helfer an, zerriss seinen Pass und verschwand.
Es ist ein heikles Thema, das Fingerspitzengefühl erfordert. „Die Fälle werden immer schwieriger“, sagt sie. Für die Ehrenamtlichen sei es manchmal eine Zumutung. „Trotzdem halten wir das Winternotprogramm für notwendig und möchten es erhalten.“ In dem Quartier an der Gärtnerstraße, das bis Ostern durchreisenden Wohnungslosen über Nacht Schutz bietet, gibt es sechs Schlafplätze. Die Küche, in der Waschmaschine und Trockner stehen, wird gemeinsam genutzt. Die Zimmer sind einfach möbliert.
Nicht immer ist Notquartier die richtige Adresse
Um 18 Uhr schließen Ehrenamtliche die Tür auf. Morgens um 9 Uhr müssen die Obdachlosen wieder raus. „Es geht darum, ihnen einen warmen Schlafplatz zu bieten. Tagsüber sollen sie ihre Angelegenheiten bei den Ämtern erledigen und sich um eine feste Bleibe bemühen“, sagt Turkat. Nicht jeder zeigt sich kooperativ. Doch die Regeln sind klar. Wer sich zum Beispiel nicht an das Alkoholverbot hält, muss gehen.
„Wir treffen auf sehr unterschiedliche Mentalitäten“, sagt Turkat. Hinzu kommen Sprachbarrieren. Sie versucht hinter jedes Einzelschicksal zu schauen. „Wir leisten viel Beratungsarbeit, müssen viel hinterfragen.“ Das brauche aber viel Zeit und Einfühlungsvermögen, bis sich die Menschen öffneten. Nicht immer ist die Notunterkunft die richtige Adresse. Manchmal sind die Gründe für die Obdachlosigkeit banal, jemand möchte seine minimale Rente nicht mehr für die Pflegeeinrichtung ausgeben, sondern für Alkohol. Oder er hat sich mit seinen Betreuern überworfen. Ihnen muss klar gemacht werden, dass das Winternotquartier nicht die Alternative sein kann.