Quickborn. Amtsrichter Wolf Reinhard Wrege sagt: Das Rechtssystem zu Christi Geburt war anders als unser heutiges Justizsystem.

Jeden Erscheinungstag bis Weihnachten drucken wir ein Stück Weihnachtsgeschichte (nach dem Lukas-Evangelium) und lassen uns vom Text – oft ein bisschen um die Ecke gedacht – zu interessanten Gesprächspartnern leiten. Die öffnen uns ihre Türen, erzählen aus ihrem Leben und berichten, was sie mit Weihnachten verbinden.

Als ehemaliges Vorstandsmitglied der Kirchengemeinde Quickborn-Hasloh kennt sich Wolf Reinhard Wrege gut mit der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium aus. In seinem Büro steht sogar passend zur Vorweihnachtszeit ein beleuchtetes Krippenspiel.

Der Quickborner Wrege ist Richter und seit 2008 Direktor des Amtsgerichts Norderstedt, in dem 14 Richter und knapp 100 weitere Mitarbeiter jedes Jahr etwa 2000 Zivil-, 1500 Straf- und 1000 Familiensachen bearbeiten.

Es begab sich...

... aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste ... Fortsetzung folgt

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So sehr die Weihnachtsgeschichte bis in die Jetztzeit hineinstrahlen mag – das Recht zu Zeiten des Kaisers Augustus stehe „im krassen Widerspruch“ zu heute, sagt Wrege. Das Gebot des Augustus war das Rechtsurteil eines Einzelnen, der über allen anderen stand. Und der war selbst vom Gesetz befreit: „legibus solutus“ zitiert Wrege den lateinischen Fachbegriff dafür.

Unser heutiges demokratisches Rechtssystem dagegen basiere darauf, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind und die Urteile „im Namen des Volkes“ zu ergehen haben, beschreibt der Amtsgerichtsdirektor den wesentlichen Unterschied. „Augustus stand über dem Gesetz. Wir als Richter in einem demokratischen Rechtssystem stehen unter dem Gesetz“, sagt er und urteilt: „Etwas Besseres gibt es nicht.“

Die Gewaltenteilung könne niemand aushebeln wollen

Diese Unterscheidung gelte natürlich auch für die Urteilsfindung, führt er weiter aus. „Als Richter können wir heute nicht Gnade vor Recht ergehen lassen“, wie dies einem Alleinherrscher in früheren Zeiten vielleicht möglich war. „Die Richter sind heute an Recht und Gesetz gebunden.“ Die persönlichen Wertvorstellungen oder Ansichten des Richters dürfen bei der Urteilsfindung keinerlei Rolle spielen – und das tun sie auch nicht, sagt der Amtsgerichtsdirektor. „Wir haben nur das demokratisch legitimierte Gesetz zu befolgen und können damit auch gut leben.“

Dies sei der Kern der Gewaltenteilung, die unser Rechtssystems ausmache, und es könne keiner wollen, dass sie ausgehebelt werde, sagt der Amtsgerichtsdirektor.

Allerdings sei es so, dass der demokratische Gesetzgeber in der Auslegung der Gesetze den Richtern zunehmend Freiheiten lasse, erklärt der Jurist. So sei im heutigen Internetzeitalter das Kaufen und Bestellen über Plattformen wie beispielsweise Ebay nicht mehr mit dem klassischen Kaufvertrag zu vergleichen. Der Gesetzgeber überlasse den Richtern die Klärung schwieriger Rechtsfragen. „Lass das mal die Richter entscheiden“, dürfte ein Beweggrund dafür sein.

Die Serie – Alle Folgen im Überblick

Jeden Erscheinungstag bis Weihnachten drucken wir ein Stück Weihnachtsgeschichte (nach dem Lukas-Evangelium) und lassen uns vom Text – oft ein bisschen um die Ecke gedacht – zu interessanten Gesprächspartnern leiten. Die öffnen uns ihre Türen, erzählen aus ihrem Leben und berichten, was sie mit Weihnachten verbinden.

1.12.: Der Uhrmacher 2./3.12.: Der Richter 4.12.: Ein Kaiser 5.12.: Der Wirt 6.12.: Im Reisebüro 7.12.: Der Gutachter 8.12.: Der Landrat 9./10.12.: Flüchtlingshelfer 11.12.: Der Zimmermann 12.12.: Jüdischer Friedhof 13.12.: Standesbeamter 14.12.: Die Hebamme 15.12.: Geburtsstation 16./17.12.: In der Kita 18.12.: Im Hotel 19.12.: Der Schäfer 20.12.: Der Landwirt 21.12.: Der Nachtwächter 22.12.: Der Engel 23./24.12.: Der Pastor

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Güteverfahren gewinnen an Bedeutung

Zumal immer mehr Bereiche aus der Rechtsprechung herausgenommen werden sollen, wie die internationalen Schiedsgerichtsverfahren insbesondere in großen Wirtschaftsstreitigkeiten zeigten. Auch Muster- und Sammelklagen, wie sie zum Beispiel bei den Telekom-Aktionären vorgekommen seien, würden zunehmend zugelassen, um eine bestimmte Problematik für ähnliche Fälle ein für alle Mal durch Obergerichte zu klären.

Auch in anderen privatrechtlichen Streitigkeiten würden immer mehr Güteverfahren eingeleitet, die einen Urteilsspruch überflüssig machten oder auch salomonische Urteilsfindungen auslösten, mit denen beide Seiten gut leben könnten, berichtet Wrege. So habe er jüngst einen Mietrechtsstreit zu lösen gehabt, bei dem die Gegner sich zunächst unversöhnlich gegenüberstanden. Im Laufe des Prozesses, der für Wrege immer auch ein „Läuterungsprozess“ ist, weil Kläger und Beklagter durch eine Art Jammertal gingen, hätten sie sich am Ende gegenseitig verstanden und „den befreiten Blick in die Zukunft richten können“, so Wrege. „Da wird sogar die Weihnachtsbotschaft erkennbar.“