Tornesch. Ob Altenpfleger oder Pannenhelfer: Sie sind täglich zig Kilometer beruflich unterwegs. Was sie erleben, erzählen wir in der Serie.

Rainer Parples sitzt in seiner orangefarbenen Latzhose und Weste auf dem Fahrersitz und hält das große, schwarze Lenkrad fest in seinen Händen. „Und, Norbert, wo müssen wir als nächstes hin?“ Kollege Norbert Weide hält eine lange Liste in den Händen. Er schlägt die nächste der zusammengetackerten Seiten auf und tippt mit einem Kugelschreiber auf das Papier. „Hier hin“, sagt Weide. „Unser nächstes Ziel ist die Straße Reeperbahn in Elmshorn.“ Alles klar, gibt Fahrer Parples zur Antwort und setzt den Blinker nach links. Der Sperrmüllwagen nimmt Kurs auf Elmshorn.

Die beiden Männer sammeln Sperrmüll ein. Seit sieben Jahren sind sie gemeinsam unterwegs, um Tische, Schränke, Matratzen, Fahrräder und allerlei mehr durch die garagentorgroße Öffnung im Heck ihres Lastwagens zu befördern. Täglich fahren sie zu durchschnittlich 55 Haushalten, holen dabei zwischen 12 und 13 Tonnen Müll ab. Ihr Einsatzgebiet kennen Parples und Weide wie ihre Westentasche. Technische Hilfe brauchen die beiden nicht, um an ihr Ziel zu kommen. „Wir kennen fast ein Drittel des gesamten Kreisgebietes auswendig“, sagt Norbert Weide. „Wir fahren nicht nach Navi, das ist alles hier drin“, sagt er und tippt sich an die Stirn. Sowieso wissen sie viel besser, wo es zu Engpässen kommen könnte und wo die Baustellen sind.

Am Zielort in Elmshorn angekommen, erwartet die beiden Männer einiges zu schleppen. Ein Sofa, diverse Regale, Stühle und eine geheimnisvolle Kiste, die sich nicht öffnen lassen will. Die beiden Männer müssen streng darauf achten, dass sie nicht versehentlich Elektroschrott in die Presse werfen. Deshalb holt Norbert Weide kurzerhand einen Schraubenzieher aus dem Wagen und öffnet die weiße Truhe.

Sperrmüll mit nach Hause zu nehmen ist streng verboten

Und als hätte er es nicht vorher gewusst: Zwei Neonröhren rollen ihm entgegen. „Der Elektroschrott wird extra von einem separaten Wagen von uns abgeholt“, sagt der 65-Jährige. Die Kiste mit den Leuchtröhren bleibt also liegen. Aufmerksam untersuchen die Müllwerker auch den Rest des Sperrmülls. Verdächtiges finden die beiden nicht mehr. Dafür ein echtes Schmuckstück, wie Rainer Parples meint. Ein gerahmtes Bild, eine Kopie eines Werkes von Paul Klee. „So was Schönes werfen die Leute weg“, sagt der 58-Jährige. „Das ist einfach schade. Erst gestern habe ich einen makellosen Schrank in die Presse geworfen.“ Früher war es den Müllwerkern noch erlaubt, gut erhaltene Sachen mit nach Hause zu nehmen. Heute sei das ein Grund für die fristlose Kündigung, so Parples.

Die Müllabfuhr

Die Hameg ist die Firma, die seit 1997 für die klassische Müllabfuhr im Kreis Pinneberg zuständig ist. Dazu gehört auch der Bereich Sperrmüll. Das kommunale Unternehmen, eine Tochtergesellschaft des Kreises, ist 1997 gegründet worden. Es beschäftigt aktuell 75 Mitarbeiter, die in mehr als 40 Fahrzeugen unterwegs sind. Der Betriebshof ist bei Kummerfeld.

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„Manchmal kommt es vor, dass Plünderer die Sachen schon vorher weggenommen haben“, sagt Parples. „Oder die Kunden ritzen ihre Ledersessel extra im Vorfeld mit einem Messer auf, damit dieser Fall erst gar nicht eintritt.“ Die Männer haben schon einiges Verrücktes gesehen: zum Beispiel eine tote Vogelspinne oder abgezogene Schafsköpfe. Für die beiden ist Sperrmüll wie eine Wundertüte. „Man weiß nie, was drin ist“, sagt Norbert Weide. „Einmal“, erzählt sein Kollege Parples, „fand ich einen Koffer vor, in dem ein Koffer war, und da drin war wiederum eine Tasche. Und in der Tasche war eine Tüte mit einem Revolver und Patronen drin.“ In so einem Fall wird gleich die Polizei eingeschaltet.

Die Serie

Viel unterwegs, selten, ja vielleicht nie am Schreibtisch: In unserer Serie porträtieren wir Menschen, die beruflich immer „auf Achse“ sind. Erschienen sind Reportagen über einen Taxifahrer, einen ADAC-Pannenhelfer, Polizisten und eine Bäckersfrau. Im nächsten Teil begleiten wir voraussichtlich den Mann auf dem Beifahrersitz: den Fahrlehrer.

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Waffen und Munition sind aber nicht das einzige Gefährliche an ihrem Job. Manchmal kann auch der eigene Kollege zur Waffe werden. „Wir hauen uns hin und wieder gegenseitig etwas über den Kopf“, sagt Norbert Weide. Oder aber sie greifen versehentlich in Glasscheiben. Da bringen die Schutzhandschuhe, die sie bei der Arbeit tragen müssen, auch nicht mehr viel. Rainer Parples hat sich einmal mit einer Scheibe zwischen zwei Fingern einen Nerv durchtrennt. „Es ist ein gefährlicher und anstrengender Job“, so Norbert Weide. „Wir müssen alles per Hand vom Boden aufheben.“

Zusammen haben die beiden schon mehr als 59 Berufsjahre hinter sich. Falschparker sind eine der größten Herausforderungen, denen sie sich täglich stellen müssen. „Wenn man mal verkehrt steht, dafür habe ich ja noch verständnis. Aber manchmal ist es einfach absurd“, sagt Rainer Parples. „Die Leute parken in Kurven und an anderen Stellen, wo absolutes Halteverbot gilt“, sagt er. „Manchmal müssen wir die ganze Straße rückwärts fahren, weil wir nicht wenden können.“ Doch zusammen kommen die Müllwerker aus jeder noch so engen Straße. Die zwei sind mit ihrem Job sehr zufrieden. „Wir sind ein super eingespieltes Team“, sagt Norbert Weide. „Das ist Freundschaft.“