Wedel. Männer verstecken sich acht Stunden auf einer Toilette, während um sie herum das Gebäude brennt. Kripo kann Ruine nicht betreten.

Das Großfeuer im Wedeler Gewerbekomplex Rissener Straße 127 mit Disco, Restaurant, Spielhalle und Autohandel hat einen Schaden von mindestens einer Million Euro verursacht. Freitag wurde bekannt, dass zwei Köche (39 und 49 Jahre alt) des Restaurants „Shanghai Palace“ den Großbrand aus der Nacht zu Himmelfahrt wie durch ein Wunder unverletzt überlebt haben – eingeschlossen im Toilettenbereich. Zunächst war davon ausgegangen worden, dass sich niemand in dem Gebäude befand, als das Feuer ausbrach.

Am Freitag ist die mittlerweile mit Bauzäunen umschlossene Brandruine Ziel vieler Schaulustiger. Autofahrer auf der B 431 fahren langsam vorbei, um einen Blick auf das zerstörte Gebäude zu erhaschen. Passanten, die das benachbarte Einkaufszentrum besuchen, greifen zum Handy, um Fotos der verkohlten Reste zu machen. Am Bauzaun und an jeder Eingangstür hängen Aufkleber der Polizei, die auf die Beschlagnahme des Gebäudes als Tatort und das Betretungsverbot verweisen.

Der Komplex an der Rissener Straße 127 ist am Freitag mit Bauzäunen abgesperrt. Selbst die Polizei konnte die Ruine bisher nicht betreten
Der Komplex an der Rissener Straße 127 ist am Freitag mit Bauzäunen abgesperrt. Selbst die Polizei konnte die Ruine bisher nicht betreten © HA | Arne Kolarczyk

Kripo ermittelt in alle Richtungen

Auch die Kripo-Ermittler konnten die Ruine bisher nicht betreten. „Wir müssen erst noch einen Statiker hinzuziehen“, sagt Polizeisprecherin Silke Westphal. Weil durch das Feuer ein Großteil des Dachstuhls eingestürzt ist, müsse die Standsicherheit des Gebäudes überprüft werden. Voraussichtlich Anfang der Woche soll ein Brandsachverständiger des LKA aus Kiel mit den örtlichen Ermittlern auf Ursachenforschung gehen. Aktuell ermittelt die Kripo in alle Richtungen – auch eine Brandstiftung wird nicht ausgeschlossen. Allerdings ist bis jetzt nicht einmal klar, wo das Feuer ausgebrochen ist. Erste Vermutungen deuten daraufhin, dass eine Spielhalle im Dachgeschoss Ausgangspunkt sein könnte. Von dort könnten die Flammen auf den übrigen Dachstuhl übergegriffen haben.

In den Räumen des „Shanghai Palace“ hatten sich zwei Köche während des Brandes eingeschlossen
In den Räumen des „Shanghai Palace“ hatten sich zwei Köche während des Brandes eingeschlossen © HA | Arne Kolarczyk

Die Spielhalle, die laut Eigenwerbung täglich bis 5 Uhr geöffnet hat, war zum Zeitpunkt des Brandausbruchs gegen 3 Uhr geschlossen. Auch in der Disco „Viva Wedel“, die unter der Spielhalle liegt, fand keine Party statt. Erst am Sonnabend war dort eine „Ü-30-Fete“ zur Wiedereröffnung geplant. Weil auch das Restaurant „Shanghai Palace“ längst geschlossen hatte, ging die Feuerwehr davon aus, dass sich keine Personen mehr im Innern aufhalten würden.

Mitarbeiter übernachteten manchmal im Restaurant

„Wir haben das Gebäude unmittelbar nach Eintreffen der ersten Kräfte grob inspiziert, soweit dies möglich war“, sagt Feuerwehrsprecher Michael Bunk. Etwa drei bis vier Stunden später habe die Einsatzleitung den Hinweis von Nachbarn erhalten, dass im Restaurant manchmal Mitarbeiter übernachteten. „Daraufhin ist ein Trupp unter Atemschutz erneut ins Untergeschoss vorgegangen. Es hat sich niemand bemerkbar gemacht“, so Bunk weiter. „Unter Atemschutz arbeitende Feuerwehrleute sind kaum zu überhören.“

Die Räume der Spielhalle im Dachgeschoss könnten der Ausgangspunkt des Feuers gewesen sein
Die Räume der Spielhalle im Dachgeschoss könnten der Ausgangspunkt des Feuers gewesen sein © HA | Arne Kolarczyk

Erst gegen 11.30 Uhr sei die Meldung eingegangen, dass zwei Angestellte des Restaurants vermisst werden. Daraufhin seien die Köche in der Toilette entdeckt worden, wo sie sich verbarrikadiert hatten. Zu dem Zeitpunkt sei der Restaurantbereich rauchfrei gewesen.

"Wir setzen auf Improvisation"

Ein starker Brandgeruch hängt noch am Freitag im Umfeld des Komplexes. Auf dem Parkplatz nebenan sitzen Nadine Lange, Lennart Lehmann und Kai Tauscher unter dem Vorzelt eines Wohnmobils. Sie alle arbeiten für den Automobilverleih Hertz und nutzen das Gefährt als Arbeitsstätte. „Das ist unser privates Wohnmobil“, sagt Lange. Und sie sagt weiter: „Wir setzen auf Improvisation.“

Nadine Lange (v.r.), Lennart Lehmann und Kai Tauscher von Hertz arbeiten aus dem Wohnmobil heraus
Nadine Lange (v.r.), Lennart Lehmann und Kai Tauscher von Hertz arbeiten aus dem Wohnmobil heraus © HA | Arne Kolarczyk

Verträge werden wieder per Hand ausgefüllt, ein Karteikasten enthält relevante Informationen zu den Fahrzeugen, die zurückgegeben oder abgeholt werden. Schlüssel und Fahrzeugscheine hatte Lange am Donnerstag unter polizeilicher Aufsicht aus den zerstörten Büroräumen holen können. Zerstört wurden auch sieben Fahrzeuge, die in der Nähe des brennenden Gebäudes standen. Andere Wagen des Autoverleihs konnte die Wehr retten.

„Hertz stellt uns am Sonnabend ein Servicemobil, das unser Wohnmobil ersetzt“, sagt die Mitarbeiterin. Dann bestehe wohl auch wieder Zugang zum Computersystem. Wie es langfristig weitergehe, müsse man sehen. Eine Lösung sucht Lange auch für die Autoaufbereitung und die Autoglaserei, die sie zusammen mit ihrem Mann Sven in dem Komplex betrieben hatte. „Wir verhandeln derzeit über Ersatzstandorte. So lange suchen wir mit den Kunden nach individuellen Lösungen.“