Quickborn/Itzehoe. Kai H. soll sich mehrfach sexuell an Kindern vergangen haben. Trotz Kenntnis über die Anschuldigungen blieb der Verein tatenlos.

Ist Kai H. für mehr sexuelle Übergriffe auf Kinder verantwortlich als angeklagt? Wie am Rande des zweiten Prozesstages gegen den ehemaligen Jugendtrainer des TuS Holstein Quickborn vor dem Landgericht Itzehoe bekannt wurde, hat sich einer der drei geschädigten Jungen seiner Mutter offenbart und von weiteren schwerwiegenden Vorfällen berichtet. Die Kripo ermittelt jetzt erneut. Zudem erhoben mehrere ehemalige TuS-Trainer und Betreuer Vorwürfe gegen den Verein, der trotz Kenntnis der Übergriffe des Angeklagten auf Kinder keine Konsequenzen gezogen haben soll.

Kai H. folgte der Verhandlung regungslos. Der 42-Jährige, der jetzt in Halstenbek wohnt, soll laut Anklage zwischen 2013 und 2015 in 16 Fällen sexuelle Handlungen an drei ihm anvertrauten Kindern der Geburtsjahrgänge 2005 und 2006 vorgenommen haben. Er hatte zu Prozessbeginn einen Großteil der Vorwürfe eingeräumt.

Frank B., dessen Zwillinge in dem Team mitspielten, stieß 2012 als Co-Trainer dazu. „Damals war ein Kind aus der Mannschaft ausgetreten und wir wussten nicht genau, warum“, so der 52-Jährige. Wenig später hätten Gerüchte die Runde gemacht, dass Kai H. dem Jungen in der Turnhalle zwischen die Beine gefasst habe. In der Folge hätten er und weitere Eltern genau beobachtet, wie der Angeklagte mit den Kindern umgeht – und ihnen seien diverse Dinge aufgefallen.

So beschrieb Frank B., wie Kai H. mit einem Jungen auf dem Schoß dasaß und seine Hand sich unter dem Trikot des Kindes befand. Er habe eingegriffen – ebenso als Kai H. während eines Trainingslagers mit einem Spieler in der Dusche verschwand. „Er stand nackig unter der Dusche, Kai hat ihn eingeseift.“ Daraufhin habe er den Jungen separat befragt, wo er überall berührt wurde. „Er sagte mir, mehrfach am Penis angefasst worden zu sein.“ Außerdem habe er in letzter Sekunde erfahren, dass Kai H. mit einem Jungen im Bett übernachten wolle und habe dies dann unterbunden.

Diese Infos teilten Frank B. und andere Eltern bereits im Jahr 2013 dem Jugendleiter des TuS Holstein Quickborn mit, der wiederum den Fußball-Abteilungsleiter, der in Personalunion auch Zweiter Vorsitzender des Vereins war, einschaltete. „Wir bekamen eine Mail, dass es keine handfesten Beweise gebe und der Verein die Sache weiter beobachten würde“, so der 52-Jährige.

Er habe sich daraufhin mit anderen Eltern an den Elmshorner Verein Wendepunkt gewandt, der Opfer sexueller Missbrauchstaten betreut. „Die haben uns darin bestärkt, zunächst nicht zur Polizei zu gehen.“ Er habe einfach nicht gewusst, wie er mit der Sache umgehen solle, betonte Frank B. mehrfach. Er und seine Mitstreiter hätten dann vor der nächsten Ausfahrt der Mannschaft noch einmal ein direktes Gespräch mit dem Vereinsvorstand gesucht. „Man sagte uns, dass es zu einer Trennung von dem Trainer kommen werde. Passiert ist aber nichts.“ Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Mannschaft bereits in zwei Teams aufgespalten, so dass Frank B. nicht mehr als Co-Trainer von Kai H. aktiv war.

Auch Lars. B. gehörte zu den Vätern, die Kai H. heimlich überwachten. „Es kamen Gerüchte auf, dass sich Herr H. Kindern gegenüber auffällig verhielt. Daraufhin wurde ich gebeten, doch mit ins Trainingslager zu fahren.“ Dort machte der 49-Jährige die gleichen Beobachtungen wie Frank B., ließ jedoch ebenfalls die Polizei außen vor und informierte ebenso wenig die Mutter des betroffenen Kindes. „Ich bin Vater, aber weder Jurist noch Polizist.“ Man habe den Verein in Kenntnis gesetzt. „Ich habe ganz klar den TuS dafür in der Verantwortung gesehen. Wir haben vehement gefordert, dass der Verein Herrn H. entlässt.“ Das sei nicht passiert, stattdessen sei Kai H. sogar zum Jugendleiter ernannt worden.

Stefan W., 50, von der Pinneberger Kripo führte die Ermittlungen gegen den Angeklagten. Er bestätigte, dass es seit voriger Woche neue Vorwürfe gegen Kai H. gebe, die jedoch noch verifiziert werden müssten. Nachforschungen bei anderen Vereinen, bei denen der 42-Jährige vor seinem Engagement in Quickborn als Jugendtrainer tätig war, hätten keine Auffälligkeiten ergeben. „Ich habe die Ermittlungen dahingehend erst einmal abgeschlossen.“

Der Prozess wird nächsten Montag fortgesetzt. Dann wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft eines der Opfer von Kai H. unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Der Junge hatte bei der Polizei unter anderem behauptet, Kai H. sei während des Befummelns der Kinder erregt gewesen und er habe Konsequenzen für den Fall angedroht, dass sie ihn verpetzen würden. Der Angeklagte hatte dies vehement bestritten. Außerdem beantragte Staatsanwältin Dagmar Staack, Kai H. von einem Gutachter auf eine mögliche Pädophilie hin untersuchen zu lassen. Die Jugendkammer hat über diesen Antrag bisher noch nicht entschieden.