Kreis Pinneberg. Wiege des Waldes in Gefahr? Zahl der Unternehmen sinkt, Baumschulbranche im Wandel. Euro-Baumschule pleite, BKN Strobel kämpft.
Auf dem Gelände der größten Baumschule Halstenbeks sind die Tore verrammelt. Die Ära der Euro-Baumschule Rudolf Schmidt endete nach 111 Jahren mit einer Pleite. Ein Rettungsversuch scheiterte. Auch in Appen kämpft ein Platzhirsch der Branche ums Überleben. In der kommenden Woche wird sich voraussichtlich zeigen, ob BKN Strobel, einst Großlieferant für die einstigen Baumärkte Praktika und Max Bahr, noch zu retten ist.
Es gab Zeiten, da dominierten die Baumschulunternehmen aus dem Kreis Pinneberg den weltweiten Markt. Was Ende des 18. Jahrhunderts begann, wuchs sich zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Region aus. Über Tausende Hektar erstreckt sich das Pinneberger Baumschulland, das als das größte seiner Art in Europa gilt. Weil sich hier Baum an Baum reiht, wurde das Gebiet auch als Wiege des Waldes bekannt. Und heute? Die Branche befindet sich im Wandel, der Konkurrenzkampf ist groß, die Preise sind im Keller.
Preise um 20 bis 30 Prozent gesunken
Das haben auch die Wedeler Baumschuler Ole Kleinwort und sein Kollege Ingo Hamelau aus Pinneberg schmerzlich erfahren müssen. Sie hatten versucht, das Traditionsunternehmen von Rudolf Schmidt zu retten und waren an der Aufgabe gescheitert. Der Zeitpunkt sei schlecht gewesen. Im Oktober gebe es nur wenige Ausschreibungen der öffentlichen Hand, so Kleinwort. Hinzu kamen das schlechte Russlandgeschäft aufgrund der dortigen Wetterlage und vor allem der ohnehin harte Wettbewerb. „Die Preisstruktur ist sehr niedrig. In den vergangenen fünf Jahren sind die Preise um 20 bis 30 Prozent gesunken“, erklärt Kleinwort. Das Problem: Es gibt ein Überangebot am Markt und dadurch eine aggressive Preispolitik. Gleichzeitig steigen aber die Erzeugungskosten.
„Wir befinden uns in schwierigen Zeiten. Es gibt Überkapazitäten“, bestätigt auch Frank Schoppa als Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Landesverbandes der Baumschulen. Besonders in den Niederlanden hat die Produktion von Bäumen und Ziergehölzen stark zugenommen. Gleichzeitig ist die Grundnachfrage aufgrund der Sparmaßnahmen vieler Städte und Gemeinden gesunken. „In den Kommunen wird grüner Sachverstand weggespart“, so Schoppa.
Große Herausforderungen, fehlender Nachwuchs: Aufgrund dessen sind viele Unternehmen in den vergangenen Jahren verschwunden. In Schleswig-Holstein ist die Zahl der Betriebe laut Statistikamt Nord in den vergangenen zehn Jahren um etwa 100 zurückgegangen. Dabei lagen zur letzten Erhebung in 2012 noch 80 Prozent aller Betriebe, also 239, im Pinneberger Baumschulland. Die bewirtschaftete Fläche ging nicht zurück, vielmehr sind die verbliebenen Baumschulen gewachsen. Mit einer Fläche von mehr als 3300 Hektar konzentriert sich 86 Prozent der gesamten Baumschulfläche Schleswig-Holsteins auf die Region.
Internethandel und Nischenprodukten
Auch wenn die Zeiten frostig sind, sieht Schoppa die Wiege des Waldes nicht in Gefahr. Die Branche befinde sich im Wandel, das sei normale Markwirtschaft. Zudem verweist er darauf, dass die Deutschen laut Erhebungen unvermindert ins Grün investieren. Durchschnittlich 120 Euro pro Jahr gibt der Deutsche für Grün aus. Es gilt, den Kunden für sich zu gewinnen, und da weiß Schoppa auch von positiven Beispielen aus dem Kreis Pinneberg zu berichten. „Es ist die Zeit der Nischen“, erklärt Schoppa. Erfolgreich seien derzeit Spezialisten für Hecken, Mini-Obstgehölze oder Schlingpflanzen. Zudem würde Betriebe mit Internethandel steigende Umsätze erzielen wie die Baumschule 2000 in Pinneberg oder Pflanzmich in Ellerbek. Das Unternehmen Reinke Baumschulen in Rellingen hat sich mit rent-a-plant auf den Gehölzverleih für Veranstaltungen spezialisiert. Auch das mit Erfolg.
Und was wird nun aus den 125 Hektar Land der Euro-Baumschule? Ein Teil dürfte an andere Betriebe verpachtet werden. Auch Schoppa hat Pläne, die für eine Belebung des Areals sorgen sollen. Als Chef des Fördervereins „Kulturlandschaft Pinneberger Baumschulland“ setzt er sich dafür ein, hier eine KulturLandschaftRoute zu installieren, die die Baumschulen erlebbar macht. Erste Gespräche mit der Gemeinde und den Grundstückeigentümern hat er bereits geführt.