Uetersen/Tornesch. Baubeginn soll laut Kreisverwaltung frühestens 2017 sein. Nun beginnt der Poker um eine künftige Finanzierung der Kreisstraße.

Seit Jahren wollen Uetersen und Tornesch die Kreisstraße 22 als Entlastungsstraße ausbauen. Dass der Bau notwendig ist, ist für Uetersen, Tornesch und Moorrege keine Frage. Sie drohen zu den Verkehrsstoßzeiten an Blechlawinen zu ersticken. Doch in diesem Jahr droht trotz anderslautender Ankündigungen wieder einmal ein Umsetzungsstopp. Das sorgt für Aufregung .

„Der Kreis verbreitet schlechte Nachrichten zum vereinbarten Ausbau der Kreisstraße 22 und kippt seine ursprünglichen Zusagen. Wenn es in diesem Sommer nicht zum Planfeststellungsbeschluss kommt, verzögert sich der Baubeginn, und das Gesamtvorhaben gerät in Gefahr. Kippt das Projekt, droht hier der ewige Stau“, sagt Uetersens Bürgermeisterin Andrea Hansen. „So kann man mit der Wachstumsregion im Kreis nicht umgehen. Wir brauchen auch keine Schwarze-Peter-Spiele, sondern Maßnahmen, die den Verkehrsinfarkt im Alltag verhindern.“ Dazu gehöre die K 22, denn von ihr profitierten auch Moorrege und die Gemeinden in der Marsch.

„Und wer den Pendler-Autoverkehr wirksam reduzieren möchte, muss den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen. Dazu gehören schnelle Busverbindungen und eine bessere Anbindung des Bahnhofs Tornesch“, sagt Hansen. Zu prüfen wäre deshalb auch, zu welchen Kosten und in welchem Zeitrahmen das vorhandene Gleis zwischen dem Uetersener Ostbahnhof und dem Bahnhof Tornesch für eine Pendlerbahn reaktiviert werden könne. Uetersen und Tornesch sollten, so Hansen, beide gemeinsam agieren, denn am Verkehr zeige sich besonders deutlich, dass es hier nicht um einzelne Kommunen, sondern um die Region als Ganzes gehe. Uetersens Verwaltungschefin kündigt daher einen Krisengipfel mit Torneschs Bürgermeister Roland Krügel an.

„Wir kriechen durch die Dörfer Richtung Autobahn“

Auch für die Dörfer der Amtsbereiche Moorrege und Haseldorf ist die K 22 von Bedeutung.

„Wir haben ein großes Interesse am Ausbau, damit die Firmenwagen schneller zur Autobahn kommen“, stellt Georg Plettenberg, 2. stellvertretender Bürgermeister und CDU-Fraktionsvorsitzender in Moorrege, die wirtschaftliche Bedeutung in den Vordergrund.

Doch optimistisch ist Plettenberg, der lange für das Infrastrukturprojekt kämpfte, nicht. „Schwierig“ sei die Situation, weil nur noch kurze Zeit zur Realisierung bleibe. Bis Ende 2019 muss das Projekt abgeschlossen sein, damit die Fördergelder des Bundes fließen.

Der Knackpunkt ist für Plettenberg die Finanzierung. „Tornesch und Uetersen kriege es allein nicht gebacken“, sagt er. „Der Kreis unterstützt das Projekt zur Zeit nicht.“

Aus seiner Sicht muss sich das Land stärker engagieren. „Von Seiten der Landesregierung passiert nichts“, sagt Plettenberg, „wie bei so vielen Verkehrsvorhaben.“

Der Neuendeicher Bürgermeister Reinhard Pliquet (SPD) hat die Menschen im Blick, für die die K 22 eine Erleichterung auf dem Weg zur Arbeit wäre.

„Wir kriechen durch die Dörfer Richtung Autobahn“, sagt er. Der Ausbau wäre wichtig für die Anbindung der Dörfer.

Doch stärker als die Pendler leidet für Pliquet eine andere Gruppe unter den Verzögerungen. „Für die Anlieger in Uetersen und Tornesch ist das eine hohe Belastung.“

Der Verkehr quäle sich über Wittstocker Straße, Jürgen-Siemsen-Straße und Ahrenloher Straße, der Hauptstraße von Uetersen Richtung A 23. Pliquet: „Ich wundere mich, dass die Bürger und die Städte das so lange hingenommen haben.“

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Der will zunächst einmal, dass das Land endlich den Planfeststellungsbeschluss vorlegt. „Wir sind da bislang guten Mutes“, sagt Krügel. Das Aus für die K 22 sieht er noch nicht. „Das ist vertraglich gesichert. Vertrag ist Vertrag, und wir erwarten, dass sich der Kreis daran hält“, sagt Krügel, der Zweifel am Willen des Kreises hegt, die Straße jemals zu bauen. Doch der Kreis komme, so Krügel, sowieso nicht aus der Nummer raus: Der Vertrag sei nämlich unkündbar.

Eigentlich schien alles Formsache zu sein. Fördermittel sind aus dem Topf des 1971 eingeführten und 1988 erneuerten „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes“ für die seit 1981 vertraglich vereinbarte K 22 zugesagt worden. Dann häuften sich die Probleme. Etliche Gutachten waren nicht rechtzeitig fertig, einige derart veraltet, dass sie rechtlich unhaltbar waren. Neue Gutachten mussten erstellt werden. Dadurch sind etwa für Tornesch vier Verkehrsgutachten erstellt worden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Verkehrsentwicklung kommen und sich somit teils widersprechen.

Damit nicht genug: Die Deutsche Bahn erklärte, dass sie im Zuge des
K-22-Baus keine dreigleisige Überführung eines nötigen Tunnels in Tornesch bauen werde, unter anderem, weil dieser etwa eineinhalb Millionen Euro Mehrkosten verursachen würde. Der Kreistag wiederum hatte aufgrund der desaströsen Finanzen des Kreises zuletzt die Projektförderung aus dem Haushalt 2015/2016 gestrichen. Dennoch drängen Tornesch und Uetersen auf den Bau der K 22. Denn die Zeit läuft den Städten und dem Kreis davon.

Der Bundeszuschuss für den Bau der Straße besteht noch. Er ist aber nur gesichert, solange der gesamte Straßenausbau bis Ende 2019 fertiggestellt und abgerechnet ist. Ansonsten müssten der Kreis und die Stadt Tornesch zusätzlich 9,4 Millionen für die K 22 aufbringen, was eine eventuell untragbare Finanzlast für Stadt und Kreis darstelle. Für Torneschs Bürgermeister Roland Krügel stand 2015 fest, dass 2016 der Baubeginn erfolgen müsse, sonst sei das Fördergeld weg. Doch 2016 wird laut dem Kreis definitiv kein Bagger anrollen. Krügel rechnet nun mit einer Anschlussfinanzierung. Die Kreisverwaltung arbeitet bereits an Optionen für eine solche. Kommende Woche sollen Gespräche in Kiel geführt werden. Ob es einen Durchbruch geben wird, ist zweifelhaft. Zudem gibt es nach wie vor Fallstricke.

Bürger wollen Einspruch bei Lärmschutz einlegen

Der Planfeststellungsbeschluss wird vom Kreis für Mitte 2016 erwartet, ebenfalls nach jahrelangen Verschiebungen. Doch auch der Termin in diesem Jahr scheint derzeit unsicher. Denn gegen den Bau von Lärmschutzwänden entlang der K-22-Trasse zum Schutz der Anwohner – er galt mit den 2015 vereinbarten Erweiterungsplänen zum Lärmschutz als überwunden – will die Tornescher „Interessengemeinschaft Südtangente“ Einspruch einlegen. Eine weitere Verzögerung droht. Zudem sind zwei Grundstücke, die für den Bau der Straße notwendig sind, nicht im Besitz des Kreises. Sie gehören Mitgliedern der Interessengemeinschaft, die diese nicht verkaufen wollen. Der Kreis hofft auf eine Einigung, doch die IG geht davon aus, dass es eine Enteignung geben müsste – was wiederum rechtliche Auseinandersetzungen mit sich bringen würde.

Michael Krüger, Sprecher der IG-Südtangente will den Schwarzen Peter bei einem Scheitern der K 22 allerdings nicht bei der IG sehen. „Wir sehen es so, dass ohnehin keine Straße geplant werden kann, die Finanzen hierfür sind einfach nicht da“, sagt er. Solange der Kreis kein Geld habe und bereitstellen könne, sei das Projekt so gut wie tot, obwohl Tornesch, Uetersen und die Marsch eine Entlastungsstraße bräuchten. Der Alternativvorschlag der IG Südtangente, der eine K-22-Trasse bei Prisdorf in Richtung A 23 vorsieht, werde wohl ebenfalls nicht realisiert werden, sagt Krüger. Von politischer Seite wird er als unrealistisch angesehen, auch weil bei Null mit den Planungen begonnen werden müsste.

„Bürgermeister Krügel hat natürlich in gewisser Weise recht, wenn er sagt, dass jetzt gebaut werden müsste“, sagt Krüger. Doch Kreis, Land und Stadt hätten sich mit Gutachten, Gegengutachten, poltischen Streitereien und den finanziellen Problemen in ein heilloses Durcheinander begeben. Dass der Knoten gelöst wird, glaubt Krüger nicht. „Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass alles so bleibt wie es ist“, urteilt er.