Kreis Pinneberg. 70 Jahre Kreistag: Hannes Birke würdigte als erfahrener Abgeordneter mit 42-jähriger Zugehörigkeit die Bedeutung des Kreis-Parlaments.
Auf den Tag genau 70 Jahre nach der ersten Kreistagssitzung 1946 lud das politische Entscheidungsgremium des Kreises Pinneberg zum Festakt ein. Dabei würdigte SPD-Fraktionschef Hannes Birke, der seit 1974 ununterbrochen dem Kreistag angehört, dessen Bedeutung für den sozialen Ausgleich zwischen den ärmeren und reicheren Kommunen. Kreispräsident Burkhard E. Tiemann erklärte den 250 geladenen Gästen wie schon zehn Jahre zuvor, warum die 58 Kreistagsabgeordneten der ersten Stunde im Januar 1946 das Kreiswappen änderten.
Als Festredner sprach Reinhard Sager, Landrat in Ostholstein und Präsident aller 295 Landkreise in Deutschland. So habe die preußische Kreisordnung nach dem Krieg gegen Dänemark 1867 in Schleswig-Holstein Einzug gehalten. Die anfänglichen Aufgaben für Armenpflege, Schulwesen, Wegebau, Polizei und Feuerwehr seien im Laufe der Jahrzehnte ausgeweitet worden. Heute sind die Kreise insbesondere für die Jugend- und Sozialhilfe zuständig, die allein zwei Drittel aller Haushaltsmittel (2016 beträgt der Gesamtetat 388 Millionen Euro) abdecken. Auch für Unterbringung und Integrationshilfen der Asylbewerber (zurzeit etwa 3500) sind die Kreise zuständig.
Vor allem die unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge, von denen dieses Jahr 300 erwartet werden, stellten für den Kreis eine Herausforderung dar, sagte Birke. Diese Kinder und Jugendlichen, die es nach langer und gefährlicher Flucht hierher geschafft hätten, wollten sicher leben, zur Schule gehen, eine Berufsausbildung machen. „Sie suchen eine Lebensperspektive, und es ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie ihnen zu geben.“
Insofern werde das hochpolitische Kreisgremium oft unzutreffend als Feierabendparlament, „Quasselbude“ oder reiner Zuschussgeber bezeichnet. Vielmehr habe es in der Schulsozialarbeit, Erziehungshilfe, Kita-Förderung, Beratung bei Süchten sowie sexuellem Missbrauch oder der Kulturarbeit entscheidende Bedeutung, weil es diese Angebote ohne Kreise gar nicht gäbe.
Bei der ersten Sitzung wählten die 58 von der britischen Militärregierung eingesetzten Kreistagsabgeordneten 1946 den Sozialdemokraten Walter Damm zum ersten Landrat, erinnerte Tiemann, zehnter Kreispräsident im Zeitraum von 70 Jahren. Zugleich beschlossen die zwei Frauen und 56 Männer, das alte Kreiswappen mit der alten deutschen Grafenkrone durch eine freischwebende grüne Tanne mit goldenen Wurzeln als Symbol des Baumschulgebietes in einem silbernen Nesselblatt auf rotem Untergrund zu ersetzen. Der damit beauftragte Künstler Andres Paul Weber ließ sich damit allerdings solange Zeit, bis im Juni 1948 die Währungsreform vollzogen war. So konnte er für das Pinneberger Kreiswappen 3140 frisch gedruckte D-Mark einstreichen. „Dabei musste ja bekanntlich jeder andere Deutsche mit 40 D-Mark anfangen.“