Elmshorn. Freiberufliche Hebammen leiden unter Kosten für die Haftpflichtversicherung. Eine der letzten Beleghebammen im Kreis gibt auf.

Mehr als 3000 Geburten hat sie bislang als Hebamme begleitet. „Es ist wundervoll zu erleben, wie ein neues Leben entsteht, wie es im Mutterleib heranwächst, seinen Weg in unsere Welt sucht und findet“, sagt Annette Pieper. „Ich liebe meinen Beruf.“ Leben kann sie davon aber nicht mehr. Und so hat sich die Elmshornerin schweren Herzens dazu entschlossen, im nächsten Jahr die Geburtshilfe aufzugeben. Damit hört eine der letzten Beleghebammen im Kreis Pinneberg auf. Pieper will sich auf Vor- und Nachsorge konzentrieren und künftig in der Gemeinschaftspraxis Dreiklang am Vormstegen in Elmshorn arbeiten.

Die Arbeitsbedingungen für freiberufliche Hebammen haben sich in den vergangenen Jahren vor allem aufgrund teurer Haftpflichtversicherungen zunehmend verschlechtert. Daran ändert auch die neueste Entwicklung nichts. So gab der Deutsche Hebammenverband (DHV) am Donnerstag bekannt, dass er weiterhin eine Versicherung für freiberufliche Hebammen anbieten kann. Zuletzt mussten die Hebammen befürchten, dass dies nicht mehr der Fall sein wird. Der neue Haftpflichtschutz, der von einem Konsortium aus mehreren Versicherern abgedeckt wird, gilt allerdings auch nur für weitere zwei Jahre. Planungssicherheit sieht anders aus. Zudem kommen erneut massive Steigerungen der Beiträge auf die freiberuflichen Geburtshelferinnen zu: Im Juli 2016 steigt die Haftpflicht um neun Prozent auf jährlich 6843 Euro, im Juli 2017 erneut um elf Prozent auf dann 7639 Euro.

„Ich bekomme von den Kassen pro Geburt 279 Euro“, sagt die 49-Jährige. Hinzu kommt eine Bereitschaftspauschale von 600 Euro, welche die werdenden Eltern aufbringen müssen und die von vielen Kassen bezuschusst wird. Dafür ist Annette Pieper 24 Stunden am Tag erreichbar. Von ihren Einnahmen muss Pieper weitere Ausgaben wie ihre Krankenversicherung oder die Miete für die Praxisräume bestreiten.

Ärzte entscheiden künftig über Hausgeburten

Eine Schiedsstelle aus Krankenkassen, Berufsverband und unabhängigen Experten hatte kürzlich einen Zuschlag beschlossen, der die Kosten für die Haftpflicht abfedern sollte. Gleichzeitig wurden aber an anderer Stelle bisherige Vergütungen gestrichen. Zudem wollen die Kassen nur dann den Zuschlag zahlen, wenn die Hebamme mindestens vier Hausgeburten im Jahr durchführt. Gleichzeitig wurden Ausschlusskriterien für Hausgeburten eingeführt, die dies erschweren. So entscheidet beispielsweise künftig ein Arzt, ob eine Hausgeburt durchgeführt werden darf, wenn der errechnete Geburtstermin um drei Tage überschritten wird. Der DHV bereitet aktuell eine Klage gegen den Schiedsbeschluss vor.

„Die bisher verabschiedeten politischen Maßnahmen greifen nicht ausreichend“, sagt DHV-Präsidentin Martina Klenk. Der Zuschlag „ist eine sinnvolle Maßnahme zur Entlastung der Hebammen. Die Umsetzung entspricht aber nicht dem, was wir Hebammen brauchen und was der Gesetzgeber erreichen wollte.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst-Dieter Rossmann, der in der Vergangenheit das Gespräch mit Hebammen im Kreis Pinneberg gesucht hatte, begrüßt die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft aller Beteiligten. Mit einem im Juni beschlossenen Regressverzicht der Kranken- und Pflegekassen, dem Zuschlag und der Aufrechterhaltung der Haftpflicht seien gute Schritte erzielt worden. „Sollte sich herausstellen, dass diese nicht zum gewünschten Erfolg führen, muss die Politik nachbessern und über einen Haftungsfonds, der bei Schäden einspringt, die über eine Haftungsobergrenze hinausgehen, nachdenken.“

Weniger Frauen wollen Hebamme werden

Schon jetzt ist absehbar, dass rund um die Geburtshilfe Lücken in der Versorgung entstehen. Denn immer mehr freiberufliche Hebammen geben den Beruf auf. Das bekommen auch die Kliniken zu spüren. „Unsere angestellten Hebammen sind von der steigenden Haftpflichtprämie zwar nicht betroffen. Wir merken aber, dass weniger Frauen eine Ausbildung zur Hebamme machen, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen“, sagt Sebastian Kim­städt, Sprecher der Regio Kliniken. Das führe zwangsläufig zu Fachkräftemangel.

Zudem sei bei den Wöchnerinnen eine Verunsicherung spürbar. Manche könnten keine Hebamme für die Nachbetreuung finden. „Es kommt vor, dass junge Mütter in den ersten Wochen nach der Geburt so verunsichert sind, dass sie Hilfe in der Notaufnahme oder bei Kinderärzten suchen und Fragen stellen, die ihnen sonst eine Hebamme beantwortet hätte.“

Auch in der Gemeinschaftspraxis Dreiklang in Elmshorn ist der Mangel an Hebammen spürbar. „Wir müssen täglich mehrere Anfragen von Schwangeren ablehnen, weil wir vier bis fünf Monate im Voraus ausgebucht sind“, sagt Hebamme Cornelia Müller. „Wir arbeiten alle am Limit und haben das Gefühl, die Lage spitzt sich zu.“ Dass ihre geschätzte Kollegin Annette Pieper das Team künftig verstärken wird, sieht sie angesichts der Umstände mit gemischten Gefühlen.