Kreis Pinneberg. Viel Arbeit bleibt laut der Polizei-Gewerkschaft liegen. Beamte aus dem Kreis Pinneberg unterstützen bei Krisen in Erstaufnahmestellen.
„Ich erwarte von der Politik, dass sie der Bevölkerung reinen Wein einschenkt.“ Mit diesem deutlichen Appell in Richtung Kiel fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Regierung auf, auch Probleme durch die Zuwanderung von Flüchtlingen zu benennen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Menschen in Schleswig-Holstein haben. Denn immer mehr Polizisten würden von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen, um in Erstaufnahmeeinrichtungen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten zu schützen.
Gut 500 Mitarbeiter der Landespolizei seien derzeit in einer sogenannten „Besonderen Aufbauorganisation Flüchtlinge“ eingebunden. „Das reißt natürlich Löcher an anderer Stelle“, sagt Manfred Börner, Landesvorsitzender der GdP in Schleswig-Holstein: „Jetzt offenbart sich, dass unser Personal seit Jahren auf Kante genäht ist.“
„Die Politik muss den Bürgern jetzt sagen, dass die Polizei nicht, wie gewohnt, jederzeit da ist. Und dass die Menschen bei Anrufen auch mal in der Warteschleife landen“, sagt Manfred Börner. Auch die FDP hat sich des Themas angenommen. Eine Anfrage an die Landesregierung hat ergeben, dass Schleswig-Holsteins Polizisten bis zum Stichtag 30. September 383.000 Überstunden angehäuft haben.
Bis Ende des Jahres werden es etwa eine halbe Million Stunden sein. Die Landespolitik hat angekündigt, im nächsten Jahr 150 zusätzliche Beamte einzustellen. Doch kurzfristig löse das die Probleme nicht, sagt Manfred Börner: „Es dauert drei Jahre, bis die Kollegen ausgebildet sind.“ Aus Kiel heißt es: „Die Polizei wird operative Aufgaben der Prävention und der Verkehrsüberwachung bis auf Weiteres ruhen lassen.“ Manfred Börner kritisiert: „Das heißt, dass es an den Schulen keine Verkehrslehrer geben wird.“ Auch werde es kaum noch Verkehrskontrollen auf den Straßen geben. Börner: „Im Hinblick auf die Verkehrssicherheit ist das bedenklich.“
Verkehrsüberwachung und Prävention sind auf ein Minimum zurückgefahren
Auch die Bekämpfung der Einbruchskriminalität leide unter den derzeitigen Entwicklungen, fürchtet GDP-Chef Börner, er sagt: „Einbrecher fängt man nicht so nebenbei. Dafür braucht man viel Fahndungspersonal, das wir nicht mehr haben.“ Auch in diesem Punkt und in Bezug auf die aktuelle Lage in den Kreisen sagt er: „Hier muss die Politik reinen Wein einschenken.“
Im Kreis Pinneberg sind Verkehrsüberwachung und Prävention auf ein Minimum zurückgefahren worden, so ist es aus den Polizeiwachen zu erfahren. Verkehrslehrer, die eigentlich Kinder schulen sollen, kutschierten Busse mit Flüchtlingen durch die Gegend, heißt es. Man konzentriere sich auf die Schwerpunkte Einsätze und Ermittlungen. Und auch wenn es im Kreisgebiet bisher keine Großunterkünfte gibt, so müssen die Reviere dennoch Personal abtreten, um andere Orte mit Großunterkünften zu unterstützen.
Überall dort, wo sehr viele Flüchtlinge untergebracht sind, werden vor Ort eigene Polizeiwachen aufgebaut und das Personal dafür aus der Fläche abgezogen. So hat Pinneberg zwei Mitarbeiter abgestellt, die in den Einrichtungen in Neumünster und Boostedt Dienst tun. „Wir bekommen dafür am 1. Februar Ersatz“, sagt Revierleiter Matthias Wieske. Bis dahin müsse die Lücke aus dem Bestand gestopft werden.
Von Pinneberg wie auch aus anderen Wachen des Kreises werden Einsatzkräfte abgestellt, wenn es in der Massenunterkunft in der ehemaligen Druckerei Prinovis in Itzehoe oder in den ehemaligen Baumärkten in Hamburg, die jetzt durch Flüchtlinge belegt sind, zu größeren Einsätzen kommt.
„Das ist dann ein Wagen, der in Pinneberg für mehrere Stunden fehlt“, sagt Wieske. Sein Fazit: Die Belastung für die Wachen vor Ort ist angesichts der Flüchtlingsproblematik spürbar gestiegen, jedoch sei die Lage nicht besorgniserregend. Was die Kreisstadt angehe, habe sich die Kriminalität trotz der vielen Flüchtlinge „nicht merklich erhöht“.
„Sonst waren wir am Limit, jetzt liegen wir über dem Limit“, kommentiert Reimer Kahlke, Vorsitzender der Regionalgruppe Segeberg-Pinneberg der GdP, die aktuelle Lage. Rein statistisch gesehen seien sechs Prozent des Personals der Landespolizei in dieser Aufgabe gebunden. „Da bleibt natürlich Arbeit liegen.“ Landespolizeidirektor Ralf Höhs betont, dass die täglichen Aufgaben in den Revierbereichen möglichst unangetastet blieben: „Einsatz und Ermittlungen bleiben möglichst unberührt, um die operative Handlungsfähigkeit der Landespolizei Schleswig-Holstein zu erhalten.“