Schenefeld . Erstes wissenschaftliches Instrument wurde nach langer Bauzeit in Schenefelder Forschungshalle installiert. Rohbau ist fertig.

Leuchtweste an, Helm auf und rein in die gelben Gummistiefel: Das ist Pflicht für Besucher der XFEL-Großbaustelle in Schenefeld. Auch die Mitarbeiter unterliegen diesen Sicherheitsstandards, die seit Beginn der aufwendigen Bauarbeiten greifen. Doch der Raum, in dem es jahrelang für Gäste und Besuchergruppen Gummistiefel und Co. gab, ist weg. Der Infopoint Felix am Besuchereingang wurde abgebaut. Es sind einmal mehr neue Zeiten auf der sich schnell wandelnden Baustelle der Superlative angebrochen.

Noch braucht’s ein paar Wochen, bis Gummistiefel und Leuchtweste der Vergangenheit angehören. Doch die Arbeiten an dem weltweit einzigartigen Röntgenlaser, von dem sich Wissenschaftler bahnbrechende Erkenntnisse erhoffen, nähern sich dem Schlussakkord. „Der Rohbau ist fertig. Wir befinden uns im Endausbau“, erklärt Andreas Schwarz. Der Hamburger gehört zum dreiköpfigen Vorstand der Betreibergesellschaft European XFEL und ist seit Beginn des Projekts mit an Bord. Der wissenschaftliche Direktor begleitete bereits das aufwendige Planfeststellungsverfahren, bereitete seit 2003 die für die Genehmigung nötigen Gutachten, Bau- und Betriebsbeschreibungen und die Umweltverträglichkeitsstudie vor, die zehn Aktenordner füllten. Jetzt hat er die Bauleitung inne.

2016 sollen die 270 Mitarbeiter kommen

„Wir haben ein Umzugsdatum“, sagt Schwarz. Im Juni 2016 sollen die 270 Mitarbeiter, die derzeit in Büros am Albert-Einstein-Ring in Bahrenfeld untergebracht sind, den Standort wechseln. Dafür wird mit Hochdruck an der Ausstattung der Etagen über der Experimentierhalle auf dem Areal an der Schenefelder Holzkoppel gearbeitet. Etwa 50 Handwerker sorgen laut Schwarz derzeit pro Tag im Gebäude für Strom, Anstrich, errichten Bürowände und montieren Heizkörper. Langsam zeichnet sich ab, wie künftig hier auf dem Forschungscampus gearbeitet wird. Die Büros sind lichtdurchflutet und um einen Innenhof angeordnet. Im Eingangsbereich zur Experimentierhalle soll es ein Café und von dort möglicherweise einen Zugang zum Innenhof geben.

Auch in der unterirdischen Experimentierhalle, wo das 5,8 Kilometer lange Tunnelsystem endet, hat sich in den vergangenen Wochen eine Menge getan. Der Bau der Strahlenschutzhütten schreitet voran. Hier münden die von Hamburg-Bahrenfeld aus abgeschossenen Röntgenblitze, die dann von Wissenschaftsgruppen aus aller Welt zu Forschungszwecken genutzt werden können. Auch das erste wissenschaftliche Instrument wurde bereits montiert. Dabei handelt es sich um einen drei Tonnen schweren und fast vier Meter hohen Turm, an dem ein Roboter hängen wird.

Der erste Röntgenstrahl soll laut Schwarz Anfang 2017 durch den Tunnel geschossen werden. Ursprünglich war von 2015, dann von 2016 die Rede. „Wir hatten ein technisches Problem“, erklärt Schwarz. So sorgte ein relativ kleines Teil für erhebliche Verzögerungen beim Bau des ersten Röntgenlasers seiner Art. Dabei handelte es sich um eine sogenannte Antenne, die an den jeweiligen Modulen für den Röntgenbeschleuniger zu finden ist.

Baukosten betragen 1,22 Milliarden Euro

Jedes der zwölf Meter langen und zehn Tonnen schweren Module, dessen Teile aus Partnerländern stammen, wird vor dem Einbau genau getestet. Dabei stellte sich heraus, dass die Antenne nicht so funktioniert, wie sie sollte. Da es für solch ein Projekt die Teile nicht von der Stange gibt, ist alles eine Sonderanfertigung, die in diesem Fall laut Schwarz überraschenderweise nicht funktionierte, obwohl sie bei Forschungsprojekten wie Flash bereits zum Einsatz käme. Es musste eine neue Lösung her, und das kann den Einbau von insgesamt 101 Modulen schon ordentlich verzögern. Mit Blick auf den jetzt avisierten Termin der Inbetriebnahme in 2017 spricht Schwarz deshalb von einer riesigen Aufholjagd, die da gelungen sei.

Dass dieses Projekt eben einfach mit nichts zu vergleichen ist, zeigen auch ein paar Zahlen. Für 1,22 Milliarden Euro wird eine Anlage gebaut, die pro Sekunde 27.000 Röntgenblitze erzeugen kann. Dafür müssen die Teilchen bei minus 271 Grad Celsius auf Geschwindigkeit gebracht werden. Die dabei erzeugte Leuchtstärke ist milliardenfach höher als alle bisherigen Röntgenquellen. Allein die Stromrechnung schätzt die Bundesregierung auf etwa 16,4 Millionen Euro pro Jahr. Um das riesige Tunnelsystem zu belüften, wurde ein eigenes Gebäude für die Lüftungsanlage gebaut. Pro Stunde kann diese 30.000 Kubikmeter Luft bewegen. Sie soll im Brandfall auch Qualm aus dem Tunnel pumpen.

Wenn der Röntgenlaser erst einmal erfolgreich läuft, ist sich Schwarz ganz sicher, dass in Schenefeld bald wieder gebaut werden könnte. So sind bereits Flächen für Ansiedlungen von Instituten vorgesehen. „Erfolg führt zur Expansion“, sagt Schwarz. „Das sieht man doch bei Desy.“ Auf dem Forschungsgelände in Hamburg-Bahrenfeld sei kaum noch Platz für neue Gebäude.

Wer einen Blick in den Tunnel werfen möchte, hat dazu während der Nacht des Wissens in Hamburg die seltene Gelegenheit. Dann öffnet das Forschungszentrum Desy an der Notkestraße, wo der XFEL-Tunnel beginnt, seine Türen. Von Mittag bis Mitternacht können sich Besucher dort am Sonnabend, 7. November, informieren. Infos unter www.desy.de/desyday.