Tornesch . Der 34-Jährige musste aus dem Iran fliehen. Seit Oktober ist er als Dolmetscher in Tornesch für Asylsuchende tätig.
Eigentlich wollte Mahdi Habibpur Fußballprofi werden. In Teheran, seiner Heimatstadt, war er als Halbprofi tätig, bis er 2006 nach Deutschland kam. Seine Hoffnung, in Deutschland bei einem Bundesligaclub zu spielen, erhielt bald einen Dämpfer. Denn als Flüchtling durfte er die Angebote, die er damals von Profivereinen erhielt, nicht annehmen. Und zwar, solange keine Duldung und damit eine Arbeitserlaubnis vorlag.
Was blieb, war das Kicken als Amateur in der Oberliga. Seit Februar 2014 ist Mahdi Habibpur geduldet, mit 33 Jahren war er aber zu alt für die Kicker-Karriere in Deutschland. Dennoch ist er zufrieden,. Beim FC Union Tornesch ist er als Trainer tätig, und seit 1. Oktober hat er einen festen Job: Er ist Torneschs Flüchtlings-Dolmetscher.
„Ich mag die Arbeit und finde sie auch sehr wichtig“, sagt Habibpur. Denn welche Barriere die Sprache für einen Flüchtling darstellt, um den Alltag zu meistern, mit Menschen in Kontakt zu treten, sich zu verständigen, dies alles hatte er damals am eigenen Leib erfahren. Immerhin: Eine Tante von ihm wohnt in Elmshorn. Das machte die Eingliederung in die Gesellschaft etwas leichter für ihn. Ein Glück, das nicht alle Flüchtlinge haben.
Für Bürgermeister Roland Krügel war es eine logische Entscheidung, Habibpur unter Vertrag zu nehmen. „Die Flüchtlinge brauchen jemanden, der ihnen helfen kann, die Sprachbarriere zu überwinden“, sagt der Verwaltungschef. In den frühen 1990er Jahren hatte die Stadt, als viele Russlanddeutsche in den Kreis kamen, eine Russin unter Vertrag genommen, um zu dolmetschen. Das habe sich bewährt. Nun seien in Tornesch viele Iraner, Syrer, Iraker und Afghanen. „Auch diese Menschen brauchen einen Dolmetscher“, sagt Krügel.
90 Freiwillige helfen bei der Sprachvermittlung
Inga Pleines, Leiterin der VHS und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Tornesch, sieht das ebenso. Sie hatte vor zwei Jahren intensiv an der Gründung eines Sprachcafés mitgewirkt, das Torneschs Flüchtlingen mit Sprachpatenschaften das Einleben erleichtern sollte. 90 Freiwillige seien dort inzwischen bei der Sprachvermittlung tätig. Diesen Erfolg wolle die Stadt nun professionell ausbauen.
Über das Sprachcafé ist ein enger Kontakt zwischen dem Ex-Fußballer und der Stadtverwaltung entstanden. Mahdi Habibpur hatte sich dort zunächst freiwillig als Dolmetscher zur Verfügung gestellt, damit Flüchtlinge es leichter haben, Formulare auszufüllen, Wohnungen zu suchen und zu beziehen, den Alltag zu bewältigen. Denn in der Stadtverwaltung sprach keiner Arabisch oder Persisch.
Kontakte für Ansprechpartner in der Flüchtlingshilfe
Habibpur hat sich im Sprachcafé engagiert, um die teils konträren Kulturen einander näher zu bringen. In den Köpfen der Deutschen und der zugereisten Flüchtlinge ticke halt vieles anders. „Viele Flüchtlinge haben ein Bild vom Westen im Kopf, das sie irgendwo in ihrer Jugend aufgefangen haben“, sagt Habibpur. Die Realität stimme mit dem gedachten Bild des Westens oft nicht überein, diese Erkenntnis schockiere nicht wenige Flüchtlinge. Dabei sei nicht die im Vergleich zu etwa dem Iran oder Afghanistan westliche sexuelle Freizügigkeit die große Überraschung. Darauf hätten sich viele ohnehin eingestellt.
„Es ist die Offenheit der Menschen in Deutschland, die viele Flüchtlinge verwirrt. Ihnen wurde erzählt, die Deutschen würden nur sich selbst helfen und nicht anderen. Die Hilfsbereitschaft der Bürger hier ist für nicht wenige ein echter kultureller Schock“, sagt der Iraner. Diese Offenheit werde zwar positiv aufgenommen, „sie wird aber auch öfter ausgenutzt“, sagt Habibpur. „Das ist leider so.“
Fast alle haben viel Geld für ihre Flucht bezahlt
Etwa dann, wenn es um das Ausfüllen der Formulare für den Asylantrag geht. Wenn ein Afghane herumerzähle, man solle als Grund für den Asylantrag angeben „von Taliban verfolgt“, weil das funktioniere, dann werde das auch von fast jedem in das Formular geschrieben. Ob die Gefahr real sei, ließe sich in den meisten Fällen nicht nachprüfen. Für die Flüchtlinge erhöhe es aber die Chance, bleiben zu dürfen, erzählt Habibpur.
„Fast alle haben sehr viel Geld dafür gezahlt, hierher zu kommen“, sagt der 34-Jährige. Handwerker, Ärzte, Juristen, Kaufleute, die viel zu verlieren haben. Eine Abschiebung bedeute oft den finanziellen Ruin und in Ländern ohne ein Sozialsystem wie in Deutschland den sozialen Abstieg. Sind die Menschen zu verurteilen für die Lügen, die sie Behörden auftischen? Habibpur will hier kein Richtig oder Falsch gelten lassen. Es sei eine Grauzone, die es gebe. Die werde genutzt, so gut es gehe.
Bürgermeister Roland Krügel sieht Parallelen zur ehemaligen Situation beim Wehrdienst. Wer nicht zur Armee wollte, musste verweigern und einen glaubhaften Antrag vorlegen. „Da wurden auch Lügen ohne Ende aufgetischt. Das ist doch natürlich. Wenn man etwas partout nicht will, setzt man alles daran, es zu verhindern“, sagt Krügel. Gern lügen Flüchtlinge aber nicht. „Es gibt so einige, die sich dafür schämen. Die sagen sich, ich habe mein Land verraten, es schlechtgemacht“, sagt der Dolmetscher.
Eine Standardaufgabe besteht für den Dolmetscher darin, den Menschen einfache Begrüßungsrituale näher zu bringen. Viele Afghanen vermuteten hinter dem Händeschütteln zur Begrüßung eine sexuelle Annäherung. „Das muss den Menschen vermittelt werden, dass dies nichts mit Sexualität zu tun hat“, sagt Inga Pleines.
Herausforderung ist das Verstehen des Anderen
Auch eine nett gemeinte Geste wie das Verschenken von Gummibärchen könne zum Problem werden. „Manche Muslime werden da sauer. Die wissen, da ist Gelatine drin, und die wird von Schweinen gewonnen. Also will man den Kindern Schwein geben. Die deutsche Frau mit dem Haribo will den Kindern also etwas Böses tun. Dabei will sie nur nett zu den Kindern sein“, sagt Habibpur. Die Ursache für solche Probleme sieht der Dolmetscher insbesondere darin begründet, dass viele der Flüchtlinge es nie gelernt hätten, selbstkritisch ihr Handeln zu reflektieren. „Denen wurde etwas eingetrichtert und das dann nie hinterfragt. Etwa beim Kopftuch. Ich frage Frauen, warum trägst du ein Kopftuch? Ich rede mit ihnen dann darüber“, sagt Torneschs Flüchtlingsdolmetscher.
In den meisten Fällen funktioniere das Miteinander zwischen Torneschs Bürgern und den insgesamt fast 600 Flüchtlingen aus Tornesch, Uetersen und dem Umland, die in der Stadt betreut werden, sehr gut. Das findet auch Verwaltungschef Krügel. „Noch ist alles ruhig. Wir hoffen, dass es auch so bleibt.“
Gibt es eigentlich etwas, was sich die Flüchtlinge von den Deutschen wünschen? Habibpur denkt kurz nach. „Also, es gibt einige, die wünschen sich, dass die deutschen Frauen Kopftuch tragen“, sagt er und lacht. Nein, die meisten Flüchtlinge seien sehr zufrieden mit dem, was ihnen geboten werde. Sowohl von den Behörden als auch von den Bürgern.