Pinneberg. Sammelunterkunft in der Kreisstadt wird immer unwahrscheinlicher. Asylbewerber ziehen in das Pinnebergs Rathaus ein.
15 Asylbewerber pro Woche erreichen Pinneberg. Genug geeignete Unterkünfte gibt es nicht. Die Kreisstadt muss schon jetzt mehr als 100 der insgesamt 350 heimatlosen Menschen in Hotels unterbringen. Pinneberg ächzt unter dem Zustrom an Flüchtlingen. Und jetzt droht auch die Umwandlung eines seit 2012 leer stehenden DRK-Seniorenheims zu einer Sammelunterkunft zu platzen. Nachdem die Politik einen ausgehandelten Kaufvertrag für das Gebäude vor elf Tagen durchfallen ließ und während der Sitzung der Ratsversammlung massive Kritik an der Höhe des Kaufpreises geäußert worden war, herrscht Funkstille zwischen Rotem Kreuz und Rathaus. In ihrer Not schafft die Stadt jetzt im Rathaus Platz für Familien.
Versuche, den Kaufpreis für das Flüchtlingsheim in spe zu drücken, kann sich die Stadt ohnehin schenken. DRK-Geschäftsführer Reinhold Kinle bestätigte auf Anfrage des Abendblatts, dass es ein Entgegenkommen nicht geben werde: „Wir haben keinen Spielraum mehr.“ Worte, die das endgültige Aus für die zentrale Unterkunft am Fahlt besiegeln könnten. Zwar begründen Politiker ihr Zögern offiziell mit Zweifeln an Zustand und Statik des Ex-Seniorenheims. Hinter vorgehaltener Hand wird jedoch nicht mit Forderungen nach Nachverhandlungen gegeizt.
Gebäudewert auf 1,2 Millionen Euro taxiert
Reinhold Kinle kann das nicht verstehen. Er könne ein ihm vorliegendes Sachverständigengutachten, das den Gebäudewert auf 1,2 Millionen Euro taxiere, schließlich nicht komplett außer Acht lassen. „Wir haben bereits Abstriche gemacht.“ Ihm seien die Hände gebunden. „Wenn wir wissentlich Vereinsvermögen verschenken, gefährden wir womöglich unsere Gemeinnützigkeit“, so Kinle weiter. Er spricht von Verantwortung gegenüber den Mitgliedsverbänden. Der ausgehandelte Kaufpreis sei gerade noch sachlich begründbar. „Weiter können wir nicht gehen.“ Auch das Rote Kreuz sei finanziellen Zwängen ausgesetzt. Kinle: „Wir haben schließlich keine Gelddruckmaschine.“
Um das Ex-Seniorenheim tobt eine juristische Auseinandersetzung, die mit einem Kaufvertrag vom Tisch wäre. Nachdem das Rote Kreuz das Haus wegen Unterbelegung geräumt hatte, sollten am Rehmen eigentlich Sozialwohnungen für Rentner entstehen. Ein Plan, den die Stadt allerdings durchkreuzte. Pinneberg klagte lieber auf kostenlose Rückgabe des Areals samt Gebäude. Das Rote Kreuz, das 1,2 Millionen Euro für den Bau fordert, hat die Klage fristgerecht erwidert. Derzeit liegt der juristische Spielball bei der Stadt Pinneberg, deren Stellungnahme erwartet wird. Die soll jedoch bei Gericht Fristverlängerung beantragt haben.
750.000 Euro als Kaufpreis vereinbart
Nachdem sich die Lage bei der Unterbringung von Asylbewerbern immer mehr zuspitzte, hatten Rotes Kreuz und Stadt sich trotz laufender Klage vor drei Wochen angenähert. Ein Gutachter bescheinigte, dass das frühere Seniorenheim nach Umbauten für mindestens 150 Flüchtlinge in Frage komme. Kinle und Bürgermeisterin Urte Steinberg einigten sich. 750.000 Euro wurden als Kaufpreis für das rund 50 Jahre alte Gebäude vereinbart. 200.000 Euro sollte Pinneberg für ein benachbartes Grundstück, das die Stadt ebenfalls begehrt, draufsatteln.
Doch die Kommunalpolitiker bekamen in letzter Sekunde kalte Füße. Statt Handwerker damit zu beauftragen, den Boden für einen baldigen Einzug von Flüchtlingen vorzubereiten, muss die Stadt jetzt umfangreiche Fragenkataloge von CDU und SPD abarbeiten. Ob das bis zur nächsten Ratsversammlung am 5. November klappt, ist völlig unklar. Flüchtlinge kommen unvermindert. Rathaussprecher Marc Trampe räumt ein, dass der Druck immer weiter wächst: „Die Leute stehen vor unserer Tür, und wir schauen momentan nur noch von Woche zu Woche.“ Versucht werde, Wohnraum anzumieten. Auch mit Gewerbebetrieben werde gesprochen. Trampe bestätigt, dass eine 140 Quadratmeter große Hausmeisterwohnung im Rathauskomplex für Asylbewerber umgebaut wird. „Wir stoßen mittlerweile fraglos an unsere Grenzen“, sagt er.