Barmstedt. Knastgeschichten, Knastessen und Knastketten mit Kugeln: Das Galerie-Café im Gefängnis auf Barmstedts Schlossinsel wird 30 Jahre alt.
Wer bis 1927 in den sechs Zellen des Schlossgefängnisses in Barmstedt untergebracht war, hatte vermutlich nichts zu lachen. Das ist heute anders. Das Galerie-Café, das in den Räumlichkeiten des ehemaligen Knasts angesiedelt ist, feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Heutige Besucher kommen freiwillig und freuen sich auf einen schönen Aufenthalt und guten Service.
Das Schlossgefängnis wurde 1836 gebaut und bis 1927 als Gefängnis betrieben. Es verfiel im Zweiten Weltkrieg. Insel inklusive Gebäude wurden der Stadt Barmstedt vom Land Schleswig-Holstein 1984 geschenkt. Karin Herbst, die 34-jährige Pächterin, übernahm 2010 den Betrieb von Freddy Rode, der das denkmalgeschützte Gebäude 1985 von der Stadt gepachtet hatte mit der Auflage, es solle kulturellen Zwecken dienen.
„Als ich es übernommen habe, sind alle Behörden gekommen. Denkmal-, Sicherheits-, Brandschutz, Stadtvertreter – es war wie ein Tanz auf dem Drahtseil“, beschreibt sie die Situation. Die alte Küche war aus Holz, es hatte bereits an den Balken geschmort. Vieles musste renoviert und professionalisiert werden, immer unter Beachtung sämtlicher Auflagen. Keine einfache Aufgabe, doch Herbst meisterte sie.
Das Konzept einer thematischen Nutzung der historischen Vergangenheit des Gebäudes führt sie mit dem sogenannten Knastessen fort. Dieses Erlebnis in besonderem Ambiente wird vor allem von Gruppen gebucht. „Zur befristeten Inhaftierung werden leihweise Knastmützen und Mundtücher ausgegeben“, lautet die Vorwarnung. Die beiden verbliebenen Gefängniszellen werden als kleine Gasträume genutzt. Doch keine Angst, niemand muss nur bei Wasser und Brot darben. Das Ganze ist vor allem ein großer Spaß.
Ist das Ausflugslokal im Sommer oft proppevoll, ist das im Winter keine Selbstverständlichkeit. Angebote wie Knastessen und Afternoon-Tea haben den Nebeneffekt, dass sie unabhängig von Jahreszeiten sind.
Den Afternoon-Tea hat die anglophile Chefin und gelernte Hotelbetriebswirtin aus London mitgebracht, wo sie einen Teil ihrer Ausbildung absolviert hat. Er wird auf original englische Art zelebriert: Scones, Finger Sandwiches, kleine Tarts und Clotted Cream, extra aus England importiert, gehören dazu. Engländer, die zum Afternoon-Tea kamen, seien begeistert gewesen, erzählt Herbst, die sich sichtlich über diese Bestätigung freut.
„Dabei war eine Kneipe ursprünglich nicht vorgesehen“, so Rode, der Kunstmaler ist. Er gab Unterricht, verkaufte Bilder – es reichte nicht. Nach rund eineinhalb Jahren drohte die Pleite, auch musste die Pacht bezahlt werden. Rode mochte seinen Traum von der Künstlerkolonie noch nicht aufgeben und verhandelte nach. Seine Frau Karin Bergmann-Rode und er brachten eine Kaffeemaschine von zu Hause mit, die gerade mal acht Tassen auf einmal brühen konnte, und backten Kuchen, den sie im Galerie-Café verkauften.
Als die Idee mit dem Knastessen aufkam, die „mehr aus der Not heraus geboren wurde“, berichtete das Abendblatt darüber. Prompt konnten sich Rodes vor Gästen kaum noch retten. „Am ersten Tag waren wir innerhalb von zwei, drei Stunden ausverkauft“, so Rode. Danach wurde es „immer mehr und immer schöner“, bis das Ehepaar Ende 2009 einen Schlussstrich zog.
Das Leben nach dem Gastrobetrieb ist eine neue Erfahrung „Für uns gab es ja vorher kein Wochenende.“ Rode hat jetzt mehr Zeit für die Malerei, was demnächst quasi zu einem Heimspiel führt: Am Sonnabend, 17. Oktober, startet eine Ausstellung seiner Werke unter dem Motto „Wie ich Barmstedt und die Schlossinsel sehe“ mit einer Vernissage um 15 Uhr in der Galerie III auf der Schlossinsel. Vielleicht schaut Freddy Rode mal bei Karin Herbst herein und trifft dann auf Küchenleiterin Natalia Kirjanowa, die bereits für ihn gearbeitet hat und schon über zehn Jahre hier ist.
Zum Team zählt auch Janine Stabe. Die 40-Jährige ist nicht nur Stellvertreterin von Herbst. „Ich bin beim Knastessen die Zugehfrau, dafür habe ich natürlich auch ein Kostüm.“ Vielseitigkeit und eine breite Aufstellung sind ein großes Plus und gefragt in der Branche. Hochzeitsfeier, standesamtliche Trauung, Junggesellenabschied: Es gibt viele Anlässe, um im Schlossgefängnis zu feiern. So versprechen sich Brautpaare gegenseitig ein „Lebenslänglich“ unter dem symbolischen Einsatz von Fußketten.
Wer nichts mit Eventcharakter sucht, sondern sonntags einfach mal schön brunchen will, der sollte sich vorher dazu anmelden. „Die Sonntage sind fast komplett ausgebucht“, so Chefin Karin Herbst. Die Wände schmücken Bilder von Künstlern aus der Region. „Wir haben wechselnde Ausstellungen.“ Die Stammgäste mischen sich mit Ausflüglern. Manche kommen von weit her, wie die zukünftige Braut, deren Junggesellinnenabschied sie ins ehemalige Gefängnis führte.
„Die Braut wurde nichts ahnend direkt von der Arbeitsstelle in Ingolstadt abgeholt und in den Flieger verfrachtet“, sagt Herbst. Dann ging es von Hamburg direkt auf die Schlossinsel zum Knastessen mit über 20 Gästen. Ob ihr die Freundinnen den Ernst der Lage damit bewusst machen wollten, ist allerdings nicht überliefert.