Helgoland. Die Hochseeinsel setzt auf Offshore und Tourismus. Hafenumbau soll Anfang 2016 fertig sein, zudem sind neue Hotels geplant.

Sperrzone, Trutzburg, ein Eiland für Schnäppchenjäger: Helgoland war in seiner bewegten Vergangenheit so einiges. Nun erfindet sich Deutschlands einzige Hochseeinsel einmal mehr neu. Die 170 Hektar große Insel setzt auf das Geschäft mit dem Wind, ist Standort für gleich drei Energieunternehmen geworden, die von Helgoland aus ihre neuen Windkraftanlagen in der Nordsee betreiben und warten. „Das war eine radikale Kursänderung für die Insel“, sagt Jörg Singer heute über die Entscheidung auf Offshore zu setzen. Zuvor war Helgoland vor allem als Ausflugsziel und Standort für Meeresforschung bekannt gewesen. Dass sich Helgoland bereits einen Namen in der Offshore-Branche gemacht hat, zeigte das diesjährige Wirtschaftsforum Offshore.

Entscheider der Branche treffen sich

Zum vierten Mal trafen sich Branchenkenner auf Helgoland. Hubschrauber kreisten über der Insel. Die Flugzeuge, die auf der Düne landeten, waren alle ausgebucht. Hochkarätige Redner wurden eingeflogen. Auch Reinhard Meyer, Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, gab sich die Ehre. Unter den rund 80 Teilnehmern des Windforums waren zahlreiche Entscheider der Branche. Auf der Tagesordnung standen Zukunftsthemen wie der weitere Ausbau der Offshore-Windenergie, die Ausgestaltung der zukünftigen Ausschreibungen sowie Möglichkeiten, die Stromkosten von Offshore-Windkraftwerken in den kommenden Jahren zu senken.

Vom Computerraum aus überwachen Mitarbeiter von RWE die Windkraftanlagen vor Helgoland
Vom Computerraum aus überwachen Mitarbeiter von RWE die Windkraftanlagen vor Helgoland © HA | KKrause@wmg.loc

Erstmals krönten die Forumteilnehmer ihre Veranstaltung mit einer Preisverleihung. Für das beste Offshore-Windkraftwerk in Betrieb 2014 gab’s einen Preis für die Betreibergesellschaft von EnBM Baltic 1. Jörg Kuhbier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Offshore, überreichte die Auszeichnung, mit der man zu besseren technischen Leistungen anspornen will. Im kommenden Jahr haben auch Unternehmen eine Chance auf den Preis, die vor Helgoland ihre Anlagen betreiben. Diesmal konnten sie beim Wettbewerb noch nicht berücksichtigt werden. Denn die Windräder von Baltic 1 drehen sich in der Ostsee im Unterschied zu denen vor Helgoland deutlich länger. Bereits seit 2011 speist die erste kommerzielle Anlage ihrer Art Strom ins Netz ein.

In dieses Jahr fällt auch der Startschuss für die Entwicklung auf Helgoland und die Entscheidung, die erste Offshore-Service-Insel werden zu wollen. Die Helgoländer planen den großen Wurf, wollen in die Offshore-Wirtschaft und gleichzeitig in Tourismus, Verkehr, Wohnungen, Forschung und Infrastruktur investieren. Laut Gemeinde sind insgesamt bis 2016 Investitionen in Höhe von 160 Millionen Euro geplant.

Blick auf die Dauerbaustelle am Hafen. Viele Touristen interessieren sich für die Offshore-Anlagen
Blick auf die Dauerbaustelle am Hafen. Viele Touristen interessieren sich für die Offshore-Anlagen © HA | KKrause@wmg.loc

Mehr als 15 Millionen Euro steckten allein die drei Energieversorger RWE, Eon und WindMW in den Bau ihrer drei Servicezentralen auf der Insel. Von hier aus überwachen sie ihre jeweiligen Windparks. Während Eon noch am Aufbau der Windräder ist, sind die 80 Turbinen von WindMW bereits am Netz. RWE befindet sich kurz davor, den angrenzenden Windpark mit den 48 deutlich größeren Anlagen in Betrieb zu nehmen, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärte.

Während die Servicegebäude samt Aufenthaltsräumen, Büros. Lagerflächen, Umkleideräumen und Überwachungszentralen fertig sind, müssen die Energieunternehmen noch auf den Hafenanschluss vor der Tür warten. Unerwartete Funde und langwierige Kampfmitteluntersuchungen haben den Zeitplan durcheinander geworfen. Ursprünglich sollten die Wartungsschiffe, mit denen die Mitarbeiter hinaus in die Offshore-Parks fahren, bereits im Südhafen und damit direkt vor den Servicegebäuden festmachen. Bürgermeister Singer rechnet derzeit mit einer Inbetriebnahme des Hafens und damit Ende des 30-Millionen-Euro-Projekts im ersten Quartal 2016, angepeilt werde der 1. März.

Vom neuen Wirtschaftszweig Offshore verspricht sich die 1500-Seelen-Gemeinde auch das Entstehen von mehr als 100 Arbeitsplätzen. Einige auf der Insel kritisieren, dass Einheimische wenig von den Stellen haben werden und bemängeln, dass die Insel auch noch mit dem Atoll ein komplettes Hotel als Unterkunftsmöglichkeit für Touristen an die Mitarbeiter der Energieriesen verloren hat. Das Hotel wurde von WindMW komplett für die kommenden Jahre gemietet.

Pläne für weiteres Wellnesshotel

Singer hält dagegen. Er spürt bereits den Aufwind durch den Offshore-Betrieb auf seiner Insel. Die Gastronomen könnten Personal ganzjährig anstellen, weil es den Bedarf durch die Offshore-Mitarbeiter gebe. Auch im Schwimmbad der Insel gehen die Besucherzahlen nach oben. „Die Arztpraxis konnte eine weitere Helferin einstellen“, so Singer. Die Besucherzahlen seien nicht zurückgegangen. Im Gegenteil. Offshore und Tourismus funktioniere gleichzeitig. Auch für das weggefallene Hotel gebe es Ersatzpläne. Ziel sei es, in den kommenden drei Jahren ein neues Hotel mit etwa 250 Betten zu realisieren. Unter anderem gebe es Pläne für ein Wellnesshotel auf dem Grundstück neben dem Schwimmbad. Zudem plant ein Helgoländer ein weiteres Kongresshotel.