Rellingen. Das Geld wurde in wenigen Wochen eingespielt. Geht es um die Kirchenorgel, greifen Musikfreunde gern und tief in ihre Taschen.
Es riecht ein wenig muffig. Fast wie in Großmutters altem Eichenschrank. Überall liegt Werkzeug. Anja Sattler hält ein hölzernes Etwas in den Händen, bearbeitet die Öffnung mit einem winzigen Staubwedel. Sprichwörtliche Handarbeit. Erst auf den zweiten Blick erkennt das ungeschulte Auge die Pfeife. Eine von mehr als 2500, die in der Rellinger Kirche erklingen, wenn Kantor Oliver Schmidt sich an den Spieltisch der Orgel setzt. Sattler arbeitet für die traditionsreiche Firma Beckerath. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Sung-Eun Kwak restauriert die gelernte Orgelbauerin das Instrument, das seit 1971 im klerikalen Barockbau seinen Dienst tut. Seinerzeit war es unter Verwendung von Originalregistern der historischen Orgel von 1756 eingebaut worden.
Ein Gutachten hatte kürzlich belegt, dass nur eine Generalüberholung die Bespielbarkeit des Instruments auf Dauer sichern könne. Die intensive Nutzung habe Spuren hinterlassen. Eine Reinigung sämtlicher Pfeifen, der Windladen, Raster und des Gehäuses sei unumgänglich. Schimmel habe dem Instrument zugesetzt. Zudem sei ein neuer Spieltisch erforderlich.
Dass diese Arbeiten nicht eben billig werden würden, war schnell klar. Zumal sich auch moderne Technik auf dem Wunschzettel fand. Die Kirchengemeinde, der Förderverein zum Erhalt der Rellinger Kirche und der Verein zur Förderung der Musik an der Rellinger Kirche (MRK) stellten sich der Herausforderung. Und das mit Erfolg.
Pastorin Martje Kruse kann kaum fassen, wie gern und tief die Rellinger für ihre Orgel in die Tasche greifen. Binnen zehn Wochen sei ein Großteil der benötigten 140.000 Euro zusammengekommen – unter anderem mittels sogenannter Pfeifenpatenschaften, mit denen sich die Spender für die Kultur einsetzen und sich selbst ein kleines Denkmal schaffen können. 30.000 Euro seien allein auf diesem Weg eingespielt worden. 55.000 Euro kämen aus der Rücklage der Kirchengemeinde hinzu, so Kruse. Der MRK steuere 30.000 Euro bei, die Kommune 10.000 Euro. „Ich bin extrem beglückt“, sagt Kruse, Sie hofft, einen Teil der noch fehlenden 15.000 Euro über weitere Patenschaften zusammenzutragen – und ist optimistisch.
Die Arbeiten der Orgelbauer sollen bereits Ende Oktober abgeschlossen sein. Kantor Oliver Schmidt freut sich jetzt schon auf Konzerte und Gottesdienste in einer der bedeutendsten Barockkirchen Schleswig-Holsteins. Er erhofft sich für die Zeit nach der Generalüberholung von dem riesigen Instrument „einen noch wärmeren Klang“. Die Intonation werde verändert, die Frequenz um einige Hertz angehoben.
Intonation? Daran verschwendet Anja Sattler noch keinen Gedanken. Sie wienert Metallteile, putzt Dichtungen und schlängelt sich im engen Orgelvorraum an Batterien von Pfeifen vorbei. „Ja , jede davon wird einzeln gereinigt“, bestätigt die Expertin. Da komme dann auch mal ein Spezialstaubsauger zum Einsatz. Bei aller Anstrengung kommt die Freude am Ton bei Sattler offenkundig nicht zu kurz. Da wird schon mal eine der Pfeifen an die Lippen geführt – funktioniert auch.
Auf die Frage, wann die überholte Orgel in der Rellinger Kirche ihre Feuerprobe erleben wird, hat Kantor Oliver Schmidt noch keine endgültige Antwort. „Voraussichtlich wird das Instrument in der Vorweihnachtszeit während der Gottesdienste zum Einsatz kommen.“ Ein Premierenkonzert werde wohl erst Anfang 2016 folgen.
Zuvor gibt es für alle, die Kultur genießen und nebenbei noch einen Beitrag zur Modernisierung der Orgel leisten wollen, einen Pflichttermin. Für Sonntag, 29. November, ist in dem prachtvollen Barockbau an der Hauptstraße ein Orgel-Benefiz-Konzert geplant. Erwartet wird der Polizeichor Hamburg, der neben klassischen Häppchen auch Shantys sowie Weihnachtslieder im Repertoire haben wird. Das Konzert wird um 17 Uhr beginnen. Karten kosten 15 Euro bei freier Platzwahl.