Elmshorn/Wacken. Zum Hörtest nach Wacken: Die Seniorenresidenz Lindenpark in Elmshorn ermöglicht ihren Bewohnern einen ungewöhnlichen Ausflug.

Sie wollen nach Wacken. Nicht zum Grünkohlessen der CDU oder zum Boßelfest der Feuerwehr, nein, es soll ein Besuch des größten Heavy-Metal-Festivals der Welt werden. Für Herren in ihrem Alter ein eher ungewöhnlicher Wunsch. „Die Musik gefällt mir, auch wenn sie ein bisschen laut ist“, sagt Konrad Weiß. Er lebt in der Seniorenresidenz Lindenpark in Elmshorn. „Die Texte sind teilweise sehr gut und machen Sinn.“ Mit 66 Jahren ist er der Jüngste in der Runde, die jeden Freitag im Haus zusammenkommt, um mit Betreuer Andreas Krause bei einem Kaffee zu klönen und den nächsten Ausflug zu planen. Hier kam die Idee auf, sich unter die „Metaller“ zu mischen.

2015 fiel der Ausflug nach Wacken ins Wasser

Krause ist Wacken-Fan und regelmäßig dabei, wenn die kleine Gemeinde im Kreis Steinburg den Ausnahmezustand verhängt. Mit seinem schwarzen Motörhead-Shirt und dem Tunnel im Ohr fällt er auf der Sozialstation auf. „Wir achten darauf, dass wir möglichst jeden mitnehmen, auch wenn er im Rollstuhl sitzt“, sagt er. Es sehe keinen Grund, warum sich alte Menschen nur mit Bingo beschäftigen sollten. Auch im Alter könne man über den Tellerrand hinausschauen. Er ist überzeugt: „Wacken wird eine schöne Erfahrung.“

Wie sie denn überhaupt vom Metal-Festival erfahren haben? „Wacken kennt doch nun wirklich jeder“, sagt Staats Tantau. Der Mann ist 95 Jahre alt. Aber was bedeutet das schon? Für manche ist das Alter nur eine Zahl. So leben es ja auch die Urväter des Heavy Metal wie Ozzy Osbourne vor, der mit über 60 Jahren in Wacken auf der Bühne steht. „Im Altenheim ist das Leben nicht zu Ende. Hier beginnt ein neuer Lebensabschnitt“, sagt Konrad Weiß. Und in diesem möchte er noch etwas erleben.

„In unserer Einrichtung leben etwa 160 Menschen, die mehr oder weniger mobil sind“, sagt Anna Hassel, Leiterin der Sozialstation. Deren Wünsche sollen berücksichtigt und wenn möglich erfüllt werden. Auch wenn sie so ungewöhnlich erscheinen wie ein Ausflug nach Wacken.

„In diesem Jahr fiel der Ausflug ja leider aus“, sagt Robert Heinrich. Der sintflutartige Regen hatte das Festivalgelände in einen Sumpf verwandelt. Im knietiefen Matsch ist kein Durchkommen für Rollatoren. „Die Voraussetzungen müssen schon gegeben sein“, sagt der 80-Jährige.

„Das wäre doch eine gute Fallprofilaxe gewesen“, sagt Andreas Krause und lacht. Nein, Spaß beiseite, der Ausflug soll den Alten auch nicht zu große Umstände bereiten oder sie gar überfordern. Er werde dafür sorgen. „Wir können dichter parken, damit es zu Fuß nicht zu weit ist.“ Auch Ohrstöpsel wird er im Gepäck haben, denn die Lautstärke grenzt teilweise ans Brutale. Und im Zweifel werden einfach die Hörgeräte ausgestellt.

Um die Massen zu umgehen – jedes Jahr strömen 80.000 Besucher auf das Gelände – biete sich der erste Festivaltag an, so Krause. Da geht es etwas ruhiger zu. Und wenn dann noch das Wetter mitspielt und alle gesund bleiben, steht einem Einblick in die Welt der eingeschworenen, riesigen Wacken-Gemeinschaft nichts im Wege. Auch nicht, dass die Tickets bereits in den ersten 24 Stunden vergriffen waren. Denn die Anfragen für Führungen werden gesondert von März bis Juni gesammelt.

Denn ganz so außergewöhnlich ist das Anliegen der Senioren nicht, wie Tim Hoffmann verrät. Er verstärkt das das Presseteam seit 2014 und koordiniert die Besuchergruppen. „Im vergangenen Jahr hatten wir 40 bis 50 Anfragen aus unterschiedlichen Institutionen und Vereinen“, sagt er. 26 Gruppen mit jeweils 13 oder 14 Teilnehmern haben er und seine Kollegen dann tatsächlich herumgeführt, darunter auch Gäste aus Seniorenheimen. „Für sie ist die Führung kostenlos“, sagt Tim Hoffmann. Andere Gruppen zahlen einen Obolus von 30 Euro pro Nase, die in die Wacken-Foundation fließen. Mit dem Geld werden junge Musiker unterstützt.

In Wacken ist jeder willkommen

Vier Guides holen die Gruppen vom Bus ab und führen sie zweieinhalb Stunden auf einer festgelegten Route über das Areal, während die Bands spielen. Bullet-City-Zelt, Campingplatz und sogar Backstage bekommen die Besucher exklusive Einblicke. Die Tour endet im Biergarten, wo die Eindrücke mit einem Schluck kühlen Gezapften heruntergespült oder auch bei Kaffee und Kuchen verdaut werden können. „Wir fangen mit den Führungen schon Mittwoch an, wenn teilweise noch aufgebaut wird, um allen Anfragen gerecht werden zu können“, sagt er. Die Haupttage sind aber Donnerstag, Freitag und Sonnabend jeweils von 12 bis 20 Uhr.

„Die Region hat vom Festival stark partizipiert“, sagt Tim Hoffmann. Umgekehrt habe das Festival nur so wachsen können, weil sich Menschen aus der Umgebung stark damit identifizierten. „Wir finden es toll, dass die Besucher Wacken als ihr Festival begreifen.“ Daher freue sich das Team, wenn auch ältere und behinderte Menschen kämen. Das mache Wacken doch aus, dass es für alle Menschen da ist.