Pinneberg. Die Bahn hat in Pinneberg eine Lärmschutzwand errichtet. Doch direkt vor Wohnhäusern klafft eine Lücke. Politiker hatten diese Planung 2011 abgesegnet.
Es surrt. Dann rauscht es. Kurz darauf donnert mit Höllentempo ein Güterzug vorbei. Fünf Meter entfernt von 2014 gebauten Reihenhäusern. Eine kürzlich von der Bahn errichtete Lärmschutzwand endet ausgerechnet rechts und links der Neubauten. Menschen im Pinneberger Stadtteil Thesdorf fristen ein Leben an den Gleisen. Sie tragen die Folgen eines Beschlusses aus dem Jahr 2011.
Seinerzeit hatten Politiker dem Bebauungsplan für das Düpenau Eck zugestimmt – obwohl angesichts der Planung Bedenken laut geworden waren. Von krank machendem Wohnen war die Rede gewesen. Eine Mehrheit aus CDU- und SPD-Ratsmitgliedern hatte trotzdem den Weg frei gemacht. Hoffnungen, diesen offensichtlichen Fauxpas im Nachhinein zu beheben, gibt es kaum noch.
Was bereits im Frühjahr für Schlagzeilen sorgte, ist erst jetzt so richtig greifbar. Denn die Bahn hat ihre Lärmschutzwand im Bereich Thesdorf kürzlich fertig gestellt. Hunderte Meter zieht sich das Bauwerk hin, das Menschen hinter den Gleisen ein halbwegs ruhiges Leben ermöglicht. Just auf Höhe des Düpenau Ecks jedoch klafft eine Lücke. Dort sollen die Wohnungen von 19 Familien den Lärm für hochpreisigere Neubauten im hinteren Bereich abschirmen – baurechtlich ist das so machbar.
Bereits 2011 hatten Anwohner der benachbarten Halstenbeker Straße darauf hingewiesen, dass es ihnen absurd erscheine, Wohnhäuser direkt an der Bahntrasse zu bauen. Mit Joachim Dreher hatte der Fraktionschef der GAL dergleichen gar als zynisch bezeichnet. Er hatte dazu aufgefordert, den fraglichen Bebauungsplan 69 noch zu kippen. Bei vielen Christ- und Sozialdemokraten war Dreher auf taube Ohren gestoßen. Sie hatten auf die optimale Anbindung des Wohngebiets an den Nahverkehr verwiesen. Lärmschutzvorgaben würden bei dem Bauprojekt eingehalten. Pinneberg müsse zudem weiter wachsen.
In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Ankündigungen von Politikern gegeben, sich für die Anwohner des Düpenau Ecks einzusetzen. Letztere hatten gar einen Protestbrief an Verkehrsminister Alexander Dobrindt geschrieben. Rathauschefin Urte Steinberg hatte angekündigt, sich für die Interessen der Neubürger stark zu machen. Bewirkt hat das alles bislang nichts.
Bei allem Verständnis für die Situation der Anwohner könne er nur auf die Rechtslage verweisen, so Pinnebergs Rathaussprecher Marc Trampe. Das Bebauungsplanverfahren sei einwandfrei verlaufen. „Das war ein politischer Beschluss“, so Trampe. Auf die Situation in puncto Schallschutz sei seitens der Stadtverwaltung stets hingewiesen worden. Für die Zukunft kann Trampe den Anwohnern nur bedingt Hoffnung machen. „Wir haben mit der Bahn gesprochen und für die Interessen der dort lebenden Menschen geworben, aber wir haben kein Glück gehabt.“ Zwar gebe es ein Angebot des für die Wohnhäuser verantwortlichen Bauträgers, sich mit 20.000 Euro an einem Zaun zu beteiligen, doch der sei sehr viel teurer.
Die Bahn begründet den Verzicht auf eine Schutzwand mit gesetzlichen Vorgaben. Gebäude, die nach 1974 errichtet wurden, fänden keine Aufnahme in das Lärmschutzprogramm des Bundes, mit dem seit 2007 jährlich 100 Millionen Euro bereit gestellt werden. Die geplagten Thesdorfer hatten kurzzeitig sogar in Erwägung gezogen, die Bahn zu verklagen. Vor allem weil sie befürchten, dass bei vorbeirauschenden Zügen Gegenstände aus dem Gleisbett geschleudert werden. Eine Argumentation, der Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis nicht folgen konnte. Er habe von derartigen Vorfällen „noch nie zuvor gehört“.
Anwohner Kadir Tokus, einer der von Lärm geplagten Hausbesitzer, kämpft seit Februar für eine Lösung. „Uns ist es wichtig, dass wir alle Beteiligten endlich mal an einen Tisch bekommen“, lässt er vernehmen. Zumindest in dieser Sache kann Rathaussprecher Trampe weiterhin Hoffnung machen. „Es bleibt unser Ziel, Anwohner und Bauträger zusammenzubringen.“ Womöglich könne am Ende die Errichtung eines Zauns stehen, der zumindest als Fangschutz diene. Der SPD-Landtagsabgeordnete Kai Vogel hat sich ebenfalls bei Tokus gemeldet. Bei der Bahn sei nichts zu machen, so der Sozialdemokrat. Er schlägt die Anpflanzung von Bäumen vor. Die müssten jedoch von den Anwohnern des Düpenau Ecks gepflegt werden.
Der Sozialdemokrat Herbert Hoffmann ist einer der Politiker, die 2011 für den B-Plan 96 samt unterbrochener Schutzwand stimmten. Er macht aus seinem Herzen keine Mödergrube: Wenn man heute vor der Lücke in Thesdorf stehe, mute das Ganze schon fast makaber an. „Ich kann mir nicht vorstellen, eine solche Planung heute noch einmal mitzutragen“, sagt der SPD-Ratsherr.