Pinneberg. Thesdorf: Bauträger will sich mit 20.000 Euro an Kosten für eine Schutzwand beteiligen. Den Konzern beeindruckt das nicht.

280 Züge rauschen vorbei. Täglich. Wenige Meter von den Fenstern entfernt. Anwohner der Halstenbeker Straße in Pinneberg kämpfen seit Februar um Schutz. Sie haben Angst um ihre Kinder. Aus dem Gleisbett geschleuderte Gegenstände bedeuteten Lebensgefahr, so die Argumentation. Nach einem für die geplagten Wutbürger wenig befriedigenden Gespräch mit Bürgermeisterin Urte Steinberg wird jetzt ein Anwalt eingeschaltet. Laut Kadir Tokus, der seit 2014 in den neuen Reihenhäusern lebt, könnte die gesamte Bauplanung unter die Lupe geraten. „Ein Politiker, der anonym bleiben möchte, hat uns Protokolle zukommen lassen, die darauf schließen lassen, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.“ Der Bauträger NCC habe unterdessen angeboten, sich mit 20.000 Euro an der Finanzierung einer Schutzwand zu zu beteiligen, so Tokus. Die Bahn lässt das kalt. „An unserer Haltung hat sich nichts verändert“, so Konzernsprecher Egbert Meyer-Lovis. Mit 20.000 Euro komme man ohnehin nicht weit. Die Schließung der Lücke würde 400.000 Euro kosten.

Seit Wochen sorgt die Posse um ein Loch in der geplanten Mauer an den Bahngleisen in Thesdorf für Aufregung. Die Bahn zieht derzeit eine Schallschutzwand hoch, Bewohner des Neubaugebiets Düpenau Eck sollen jedoch leer ausgehen. 19 Haushalte sind betroffen. Sie haben einen Protestbrief an Verkehrsminister Alexander Dobrindt geschrieben – ohne Erfolg. Rathauschefin Urte Steinberg hat öffentlich angekündigt, sich für die Interessen der Neubürger stark zu machen. Bewirkt hat das bislang nichts.

Einen neuerlichen Appell der SPD an die Stadtverwaltung, sich mehr für die Bahnanrainer einzusetzen, kann Joachim Dreher, Fraktionschef der Grünen, überhaupt nicht nachvollziehen. Er attackiert die Sozialdemokraten scharf. Die SPD trage eindeutig Mitverantwortung für die Situation an der Halstenbeker Straße. So habe es schon vor Verabschiedung des Bebauungsplans kritische Stimen von Thesdorfer Anwohnern gegeben, die sich gegen Wohnhäuser direkt an den Gleisen ausgesprochen hätten. Die seien seitens der Sozialdemokraten ignoriert worden. „Selbst der Hinweis auf die zynischen Ausführungen der Stadtverwaltung, dass die Reihenhausbebauung entlang der Bahntrasse als Schallschutz für dahinterliegende Häuser dienen soll, wurde widerspruchslos akzeptiert“, erinnert sich Dreher. Er habe sich die Beschlussvorlage aus dem Jahr 2011 nochmal ganz genau angeschaut. Darin sei unmissverständlich von „Lärmschutzbebauung in Form einer Hausgruppe“ die Rede. CDU und SPD hätten das Konzept trotzdem durchgewunken. „Wir wünschen uns für die Zukunft mehr Berücksichtigung kritischer Einwände von Pinnebergern“, sagt Dreher.

Er ist nicht der Einzige, der sich derzeit wundert. Es sei nicht legitim, die Bahn allein an den Pranger zu stellen, so Uwe Lange, Fraktionschef der Bürgernahen. Er sitzt seit Jahren im Ausschuss für Stadtentwicklung – und erinnert sich noch gut an die Ausweisung des Wohngebiets: „Jedem war klar, dass es keine Lärmschutzwand geben würde, trotzdem gingen die SPD-Hände bei der Abstimmung hoch.“ Lange äußert Verständnis für die genervten Anwohner, sagt aber auch: „Sie müssen gewusst haben, dass sie Häuser ohne Lärmschutzwand kaufen.“

SPD-Sprecher Herbert Hoffmann bereut das Votum fürs Baugebiet Düpenau Eck mittlerweile: „Im Nachhinein wurde nicht alles zu Ende gedacht.“ In seiner Fraktion habe es schon 2011 durchaus Bedenkenträger gegeben, die sich aber nicht durchgesetzt hätten. Lärmschutz sei durchaus gewährleistet, die Sicherheit der Menschen hingegen nicht. „Da muss noch etwas passieren“, sagt Hoffmann. CDU-Fraktionschef Andreas Meyer will sich in Kürze vor Ort ein Bild machen.

Die Bahn begründet den Verzicht auf eine Schutzwand mit gesetzlichen Vorgaben. Gebäude, die nach 1974 errichtet wurden, fänden keine Aufnahme in das Lärmschutzprogramm des Bundes, mit dem seit 2007 jährlich 100 Millionen Euro bereit gestellt werden. Die geplagten Neubürger von der Halstenbeker Straße erwägen, die Bahn zu verklagen. Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis teilt die Sicherheitsbedenken der Anwohner ohnehin nicht. Er habe „noch nie zuvor gehört“, dass Gegenstände aus dem Gleisbett geschleudert wurden.